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sábado, 18. mayo 2024
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Marc-Thomas Bock – Schulleiter der Deutschen Schule Valdivia

Im Austausch von jungen Menschen lernen

Foto: Carolina Serrano

Der Schulleiter der Deutschen Schule Valdivia, Marc-Thomas Bock, ist Lehrer aus Leidenschaft. Nach Chile zogen ihn die vielfältigen Reize des Landes: Geschichte, Landschaft und die Menschen.

Marc-Thomas Bock wurde 1963 in Templin geboren. Mit seinen Eltern zog er häufig um, sodass er während seiner Kindheit in mehreren Orten in Brandenburg, rund um Berlin, gewohnt hat. Er bezeichnet sich selbst als einen Berlin-Brandenburger. Nach seiner Schulzeit war er zunächst drei Jahre lang beim ostdeutschen Militär. Danach begann er 1985 sein Studium der Germanistik, Anglistik und Amerikanistik an der Humboldt-Universität und ist seit 1990 durchgehend im Schuldienst tätig. Der Lehrer erzählt: «In Ostdeutschland war die Berufswahl eingeschränkt. Nur 16 Prozent der Schüler hatten die Möglichkeit, Abitur zu machen. Dazu kam, dass die Studienplätze nach Planvorgaben kontingentiert waren. Ich wäre gern Journalist geworden. Doch mittlerweile bin ich schon 31 Jahre als Englisch- und Deutschlehrer tätig und identifiziere mich durch und durch mit meinem Beruf.»

In diesen zahlreichen Berufsjahren war er überwiegend in Berlin im Schuldienst aktiv. Doch Chile ist nicht seine erste Station im Auslandseinsatz: Von 2000 bis 2003 lehrte er in einer Schule auf den spanischen Kanaren und von 2010 bis 2014 war er an der Deutschen Schule in Managua als Schulleiter in Nicaragua tätig.

Am 1. August 2019 trat er schließlich seinen Posten als Schulleiter des Instituto Alemán Carlos Anwandter in Valdivia an. Er habe seitdem nur zehn Wochen unter normalen Umständen arbeiten können. Zunächst haben die sozialen Unruhen und kurz darauf die Pandemie seinen Arbeitsalltag bestimmt. Erst seit wenigen Wochen seien die Schüler wieder im Präsenzunterricht in der Schule – die eine Hälfte der Klasse im Klassenraum und die andere Hälfte wird über die Kamera zugeschaltet. Der digitale Unterricht habe bisher geholfen, die größte Katastrophe zu verhindern, doch der Unterricht im realen Klassenzimmer sei unersetzlich, wie der Schulleiter meint: «Die Schüler lernen deutlich ineffizienter von zu Hause aus, und hinzu kommen die sozialen und emotionalen Belastungen, die die Situation hervorruft.»

Nichtsdestotrotz gäbe es auch positive Aspekte zu erwähnen: Mit einer Klasse aus der Deutschen Schule in Buenos Aires, dem Colegio Pestalozzi, entwickelte sich ein gemeinsames Projekt, in dem die Schüler der beiden deutschen Schulen einen Umwelt-Podcast kreierten und publizierten. Diese Art von internationalen weltweiten Schülerprojekten berge ab nun ein großes Potenzial eines neuen Lernens und Austauschens. Marc-Thomas Bock kommentiert: «Ich mag meinen Beruf und bin täglich sowohl fachlich als auch menschlich im Umgang mit meinen Schülern gefordert. Ich habe mir nie vorstellen können, als Schulleiter das Unterrichten aufzugeben, denn ich kann im aktiven Austausch viel von den jungen Menschen lernen: Über ihre Visionen, aber auch über mich selbst.»

Der Pädagoge liest gern und viel, außerdem interessiert er sich für Geschichte. Seine Interessen haben ihn auch indirekt nach Chile geführt, erzählt der 57-Jährige. Chile sei ein Land, das schon lange geschichtlich, landschaftlich und kulturell einen großen Reiz auf ihn ausübe.

In der DDR erlebte er, wie am 11. September 1973 Polizeiwagen durch ostdeutsche Straßen fuhren, um über Lautsprecher über die Tagesgeschehnisse in Chile zu berichten. Als chilenische Literatur waren in der DDR Werke von Autoren wie Letelier und Skármeta präsent.

Das Land näher kennenlernen konnte er bislang aufgrund der äußeren Umstände jedoch noch nicht. Dabei ist das Reisen eine weitere Leidenschaft des Lehrers. Seine Frau und er seien grundsätzlich viel unterwegs. Beide lieben das Wandern und haben schon große Teile von Nord- und Zentralamerika zu Fuß erkundet. Das seien sehr schöne Erinnerungen. Doch als herausragende Momente in seinem Leben zählt er neben dem Kennenlernen seiner Frau und der Geburt seines Sohnes das welthistorische Ereignis des Mauerfalls. Er erinnere sich daran, als sei es gestern gewesen. Nun sind Jahrzehnte vergangen und man diskutiere darüber, ob die Deutschen mental wiedervereinigt seien. Er nimmt dazu Stellung: «Ich denke, dass die Deutschen seit jeher ein zerrissenes Volk sind. Der Prozess des Zusammenwachsens braucht noch Zeit. Ich setze meine Hoffnung jedoch in die jüngeren Generationen wie in die meines 27-jährigen Sohnes. Die neuen Generationen haben andere Voraussetzungen, um zusammenzuwachsen.»

Grundsätzlich sei er ein Optimist und orientiere sich «seit jeher an Menschen, die nach vorne schauen». Marc-Thomas Bock erzählt auch, dass die Pandemie ihn Demut gelehrt habe: «Vor der Pandemie sind wir alle sehr mit unseren persönlichen Sorgen beschäftigt gewesen. Nun vereint uns das Schicksal in kürzester Zeit über die gesamte Welt hinweg, durch die Konfrontation mit einem Virus, den wir nicht einmal sehen können.» Die Menschheit müsste sich geschlossen der Pandemie entgegenstellen: «Es ist unumgänglich, an einem Strang zu ziehen, um diese Situation zu bewältigen.» Der Lehrer meint abschließend: «Die aktuellen Umstände zeigen uns ganz klar, wie verletzlich wir sind, und lassen mich ehrfürchtiger vor dem Leben werden.»

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