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martes, 14. enero 2025
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Porträt – Helmut Stehr

Unternehmer im verdienten Ruhestand

Von Betriebswirtschaft bis Quantenphysik

Helmut Stehr war 40 Jahre für das Bauunternehmen Empresa Constructora Delta tätig. Er wurde Geschäftsführer und Partner einer der damals größten Baufirmen Chiles. Der aus einer deutsch-chilenischen Familie aus Valparaíso stammende umtriebige Unternehmer war auch in vielen anderen Wirtschaftsbereichen aktiv- ob im Verbandsvorstand als Berater oder Firmengründer.

Helmut Stehrs Vater Walter kam 1912 in Coronel zur Welt, als erster Sohn eines aus Deutschland eingewanderten Apothekers. Seine Mutter Erika Wilckens wurde 1916 in Valparaíso als Tochter eines Kaufmanns geboren. Sie war die Enkelin von Adolph Wilckens, der 1877 aus Tetenbüll, Schleswig-Holstein, als Konrektor an die Schule nach Valparaíso kam. 

So ist es nicht verwunderlich, dass Helmut die deutsche Sprache perfekt beherrscht. 1940 in Valparaíso geboren, lebte seine Familie dann einige Jahre in Chiguayante bei Concepción. Ab der dritten Klasse und bis zum Schulabgang 1957 besuchte er die DS Valparaíso. Während dieser Zeit trieb er viel Sport und war im Deutschen Ausflugverein aktiv, wo er bald dem Vorstand angehörte, wie auch später beim DAV Santiago. 

Nach einem Betriebswirtschaftsstudium und mehreren Praktika in Chile, Peru, Brasilien und den USA sowie einer ersten Arbeitsstelle bei einer Bausparkasse ging er 1963 mit einem Stipendium von Rotary International für ein Jahr nach Köln.

Was dann beim Unternehmen Empresa Constructora Delta begann, kann man schon als «Lebensaufgabe» bezeichnen: Von 1965 bis 2004 arbeitete sich Helmut Stehr vom kleinen Verwaltungsposten zum Geschäftsführer und Teilhaber empor. In den 1990er Jahren erhielt die Firma den Zuschlag der ersten öffentlichen Ausschreibungen von Konzessionsaufträgen, so den Túnel El Melón und die Autobahn Talca-Chillán. «Der enorme Einbruch des Verkehrs dieser und aller anderen Strecken der Panamericana durch die Asienkrise führte 1998 letztlich zur Schlieβung unserer Baufirma, die wegen hoher Kapitalverluste betriebsunfähig geworden war, aber wenigstens keine Schulden hinterlieβ. Die Mauteinnahmen unserer Betreiberfirma, die mit Krediten den Bau der Straße finanziert hatten, sanken während etlicher Jahre um die 20 Prozent. Es war für mich nicht leicht zu verkraften, dass ich die Firma schlieβen muβte. Schlieβlich hatte ich 40 Jahre lang zu ihrem Wachstum beigetragen, bis sie eine der bedeutenden Baufirmen des Landes geworden war, in praktisch allen Branchen des Bauwesens gefragt und geachtet», so Helmut Stehr. Während der Zeit bei Delta war er langjähriger Vorsitzender von Ausschüssen und Zweigunternehmen der chilenischen Baukammer und im Aufsichtsrat der Universidad Federico Santa María und später der Universidad Adolfo Ibañez aktiv. 

«Neben Partnerschaften mit anderen Baufirmen, wurde ich als einziger Betriebswirt bei Delta oft beauftragt, potenzielle Diversifizierungsprojekte zu untersuchen, die manchmal zu neuen Firmengründungen auf den verschiedensten Gebieten führten, nicht immer erfolgreich, aber stets interessant: Industrie, Bergbau, Land- und Weinwirtschaft sowie Fischzucht, hier Lachse und Konserven Robinson Crusoe. Auβerdem kam es zu einem Finanzierungsinstitut für Konsumgüter, das wir dann später mit einem landesweiten Filialnetz an eine Bank veräuβert haben. Nach dem Verkauf der Konserven und der Lachszucht beteiligte ich mich zusammen mit den ehemaligen Partnern von Robinson Crusoe an einer neuen Herausforderung: Tourismus am Ende der Carretera Austral. Aus einem von der Marine ausrangierten Patroulliendampfer richteten wir ein Schiff für 54 Passagiere für Besuche am O´Higgins Gletscher her und bauten eine Lodge in Villa O´Higgins, 1.240 km südlich von Puerto Montt, um unseren Kunden eine angemessene Unterkunft bieten zu können. Leider mussten wir mangels ausreichender Kundschaft dieses Unternehmen aufgeben – die Covid-Pandemie und die nie realisierte, von Argentinien versprochene Passöffnung am nahegelegenen Paso Mayer waren Gründe dafür», berichtet er. 

Auch in seiner Freizeit liebt Helmut Stehr die Herausforderung: Zelten mit Freunden – damals noch wild, ohne ausgestattete Zeltplätze – an vielen Seen im Süden des Landes und Segeln mit den Kindern im Rapel-Stausee, wo Helmuts Bruder Walter ein schönes Grundstück ausfindig machte, auf dem beide Familien ihre Häuschen bauten, sind ihm in Erinnerung geblieben. 1966 heiratete er Beatriz Reimann. «Sie hat viele Jahre beim Zelten tapfer mitgemacht, sogar mit unseren kleinen Kindern, bei Regen und Sonne, bis wir beschlossen es sei an der Zeit, das Kochen vor dem engen Zelt aufzugeben und ein Ferienhäuschen am Calafquén-See zu bauen. Einer unserer Zeltkameraden hatte gute Kontakte und fand ein günstiges Grundstück. Hier haben wir mit unseren drei Kindern wunderbare Tage verbracht. Für den Asado stehe ich immer noch gern am Grill», erzählt Helmut Stehr. 

Und noch ein interessantes Detail: Als Lektüre hat sich Helmut mit der Quantenphysik beschäftigt, aber nicht von der Mathematik her, sondern «es fasziniert mich daran, wie theoretisch, aber auch experimentell daran gearbeitet wird, den Zusammenhang von Geist und Materie zu erkennen. Ein Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Spiritualität?», philosophiert er. 

«Immerhin kann ich mit meinen 83 Jahren auf ein erfülltes Leben zurückblicken und bin dankbar für alles, was ich erleben durfte, nicht nur beruflich, sondern besonders auch in der Familie und mit Freunden.» Sein Lebensmotto ist daher: «Nicht klagen über etwas, das man vermisst oder auch altersbedingt vielleicht nicht mehr tun kann, sondern dankbar sein für alles, was man erleben durfte und noch unternehmen kann».

foto: privat

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