«Links wird gedacht – rechts wird gelacht!»
Bea Kosicki, in Deutschland zertifizierte Fachtherapeutin für Hirnleistungstraining, bietet kreative Gedächtnis-Trainingsstunden für Senioren und Demenzkranke an, insbesondere Alzheimer Patienten und vornehmlich in deutscher, aber auch in spanischer Sprache. Ihre Ausbildung absolvierte Bea 2008 in Deutschland beim Bundesverband Gedächtnistraining und widmet sich seitdem erfolgreich mit viel Enthusiasmus und Ausdauer diesem Thema.
Verlust der Zweitsprache
Angefangen hatte alles 2014 in Santiago mit einem Vortrag von Professor Manfred Spitzer, der damals im Cóndor angekündigt wurde. Spitzer sprach über sein Buch zur «Digitalen Demenz». Der Hirnforscher erklärt: «Unser Gehirn lernt immer. Es tut nichts lieber und kann gar nicht anders!» Inspiriert von einem anschließenden persönlichen Gespräch mit Spitzer beschloss Bea Kosicki, sich in diesem Bereich beruflich weiterzubilden.
Etwa zur gleichen Zeit bat ein Freund sie, ob sie mit seiner an Alzheimer erkrankten Mutter arbeiten könne. Dabei entdeckte Kosicki einige verblüffende Parallelen bei vielen ihrer älteren Klienten. Ihren Beobachtungen zufolge verlieren an Alzheimer erkrankte Senioren mit deutscher Muttersprache während des Fortschreitens der Krankheit, die Fähigkeit, sich in der Zweitsprache Spanisch sicher zu artikulieren. Dadurch wird natürlich der Kontakt zu ihren spanischsprachigen
Pflege- und Hilfskräften erschwert.
Leider kann man diese Entwicklung im Zuge einer Alzheimer- oder Demenzerkrankung nicht rückgängig machen, aber man kann sie mit gezieltem Anknüpfen an die Erinnerungen und Arbeiten in der Muttersprache Deutsch deutlich verlangsamen. «Ich kenne deutsche Lieder, Sprichwörter, Geschichte und Poesie. Dieses sehe ich als einen großen Vorteil meines Therapieangebotes und habe hier eine Nische entdeckt, da ich zweisprachig den Spagat zwischen den Angehörigen, Klienten und dem Pflegepersonal leisten kann», erklärt Kosicki.
«Ich kann mit meinen Kunden lachen, spielen und singen»
Regelmäßiges Lernen und Üben in unterschiedlichster Form kann den geistigen Abbau vermeiden; bei Alzheimer Patienten kann dieser Prozess jedoch lediglich verlangsamt werden. «Meine Klienten sollen immer spüren, dass es mir ganz wichtig ist, dass ich bei der Therapie weder ihre Gefühle noch ihre Würde verletzten werde. Auch wenn das Arbeiten mit älteren Menschen manchmal eine Herausforderung ist, ist es doch auch sehr schön: Ich kann mit meinen Kunden lachen, spielen und singen.»
Am Anfang einer Therapie steht in der Regel das Gespräch mit besorgten Angehörigen, die Wege suchen, um den Senioren den Alltag zu erleichtern und ein würdevolles Altern zu ermöglichen. Nach einer ersten «Probestunde» und Evaluation, die gratis ist, entwickelt Kosicki ein maßgeschneidertes Konzept für jeden Kunden, das auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Während der Therapie steht die zertifizierte Demenztherapeutin im Feedback-Gespräch zu den Entwicklungen im engen Austausch mit den Familienangehörigen. Und oft führt ein Gespräch über Möglichkeiten, eine Mutter oder einen Vater zu unterstützen, auch zu einem Betreuungsbedarf bei den oft überforderten Angehörigen. Denn wer weiß schon, wie man mit dieser Situation umgeht?
Mit gezielten und leicht nachvollziehbaren Übungseinheiten, die ohne Vorkenntnisse und unabhängig vom Bildungsniveau erledigt werden können, mit Spielen, Musik und Gesprächen in der Muttersprache Deutsch, die sich viel auch mit der Biografie der Klienten beschäftigen, werden spürbare Erfolge erzielt. Die Freude an den Übungen steht dabei immer im Vordergrund, ganz ohne Leistungsdruck und Wissensabfrage.
Zukunftsprojekt Senioren-Tagespflege
«Die Arbeit mit älteren Menschen ist eine sehr erfüllende und bereichernde Arbeit, die nicht selten mit einem Lächeln oder Strahlen belohnt wird. Aber sie erfordert auch viel Geduld, Empathie und Feingefühl, um auf jeden Klienten entsprechend seiner Stimmung und Tagesverfassung eingehen zu können», sagt Kosicki. Zudem erfordert es ein hohes Maß an Flexibilität, denn nicht immer kann eine vorbereitete Stunde wie geplant umgesetzt werden.
«Wir können viel von der älteren Generation lernen, und es gibt ganz wunderbare Lebensgeschichten. Da geht sonst ein Stück Geschichte und Kulturgut verloren», wie Kosicki gerne betont. «Wir leben in einer Welt des starken demografischen Wandels, und es wird in Zukunft immer mehr demenzielle Erkrankungen geben.» Und wie Jonathan Swift sagt: «Jeder möchte lange leben, aber keiner will alt werden.»
Im Augenblick bietet Bea Kosicki das Training aufgrund der Pandemiebeschränkungen nur privat im Einzeltraining an. Sie könnte sich aber vorstellen, dass in einer so großen Community wie die der Deutschen in Santiago, neue Wege durchaus denkbar wären. Zukünftig will sie Trainings in Kleingruppen mit Erwachsenen und Senioren mit bis zu acht Personen anbieten.
Ein Zukunftsprojekt, für das sie sich gerne engagieren möchte, ist eine Senioren-Tagespflege, wie sie in Deutschland vielerorts existiert. Ein Ort, an dem Senioren tagsüber betreut und sinnvoll beschäftigt werden, kreativ sein können und soziale Gemeinschaft spüren, am Abend aber wieder in ihre gewohnte Umgebung zu den Familien zurückkehren können.
Bea Kosicks Tipp:
«Bleiben Sie neugierig und kreativ und fordern Sie ihr Gehirn ständig neu heraus. Bleiben sie in Bewegung, pflegen Sie soziale Kontakte, spielen, schreiben und singen Sie und ernähren Sie sich gesund. Und gönnen Sie sich öfters mal eine Pause von den digitalen Medien: einfach Fernseher, Computer und Handy ausschalten und auf die Seite legen. Das tut auch der Seele gut.»
Wer rastet, der rostet
Denn wer selbst etwas tun möchte, um sich oder einen geliebten Menschen zu aktivieren, der kann auf viele einfache Dinge zurückgreifen. Ein Schritt in die richtige Richtung ist viel Bewegung, Singen, Musik, Tanzen, soziale Kontakte pflegen und spielen.
Ich kann mich heute noch an meine Oma erinnern, die oft stundenlang am Küchentisch saß und gegen uns Halma spielte. Und mit meiner betagten Mutter spiele ich gerne Rommé, wobei ihre schräge Art zusammenzuzählen eher mit Mogeln als mit Demenz zu tun hat. Und letzte Woche habe wir zuhause das gute alte Memory herausgekramt – vielleicht sollte ich auch etwas für meine Gedächtnisleistung tun, denn mein Sohn hat mich dreimal vernichtend geschlagen!
Zur Person:
Die Deutsche Bea Kosicki lebt seit 2014 in Chile. Ursprünglich kam sie mit ihrer Familie wegen des Berufes ihres Mannes und gab dafür ihre langjährige Tätigkeit im Lufthansa-Konzern auf. Mittlerweile hat sich ihre persönliche Lebenssituation verändert: Der Sohn Tim studiert in Deutschland, nachdem er die Deutsche Schule Santiago erfolgreich abgeschlossen hat, von ihrem Mann lebt sie getrennt.
Ihre Passion als Gedächtnistrainerin hat sie als selbstständige Trainerin zum Beruf gemacht und bildet sich gerade als Personal Coach/Psychologische Beraterin weiter. Sie pendelt regelmäßig zwischen Deutschland und Chile zu Fortbildungen. Ihr nächstes Projekt ist eine Fortbildung zum «Digital Guide for Golden Agers» in Zusammenarbeit mit dem Berufskolleg für Frauen in Wiesbaden. Durch ihre vielfältigen kreativen Hobbys, Sport und Yoga sammelt Bea Kosicki Kraft für ihre Arbeit mit den Senioren.
Kontakt über: Bea.Kosicki@gmail.com