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Themen Zum 175. Todestag von Annette von Droste-Hülshoff

Weltliteratur aus dem Münsterland

Denkmal von Annette von Droste-Hülshoff im Garten von Burg Hülshoff, ihrem Geburtsort, im Hintergrund das Teehäuschen

Entgegen sozialen Zwängen und mit Intelligenz und Widerstandskraft entwickelte sich Annette von Droste-Hülshoff zu einer der wenigen weiblichen Schriftstellerinnen der Biedermeierzeit. Ihr schriftstellerisches Talent, naturwissenschaftliches Verständnis und ihre religiöse Tiefsinnigkeit machen sie auch heute noch zu einer der interessantesten Stimmen der deutschen Literatur. 

«Fräulein Nette», mit so einem Spitznamen hat man es schwer, sich durchzusetzen. Dass dies Annette von Droste-Hülshoff gelang, die in Freundeskreisen so betitelt wurde, lässt sich schwer bestreiten – wenn auch nicht zu Lebzeiten.  Die am 24. Mai 1848, vor 175 Jahren, verstorbene Autorin gilt heutzutage als eine der bedeutendsten deutschen Dichterinnen, wenn nicht als die bedeutendste. Ihre Texte, vor allem die Novelle «Die Judenbuche», haben sich im Schulkanon neben den Werken von Goethe, Schiller und Heine etabliert. Auch wenn sie mit ihrer Naturlyrik und ihren Novellen exem-
plarisch für die Literatur des Biedermeier gelesen wird, ist die Einzigartigkeit ihres Werkes nicht zu übersehen.

Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848), Gemälde von Johann Joseph Sprick,1838

Diese Einzigartigkeit entwickelte sich aus einer Vielzahl äußerer Faktoren, die Droste-Hülshoffs Schreiben und ihre Forschung, die eng miteinander verknüpft waren, anfangs einschränkten. Am augenscheinlichsten erscheint dabei aus heutiger Sicht wohl Droste-Hülshoffs Rolle als Berufsschriftstellerin. Auch wenn es adeligen Frauen durchaus erlaubt war im privaten Rahmen zu dichten, galt die Veröffentlichung dieser Werke als äußerst anstößig. 

Ebenso stellte ihre autodidaktische Auseinandersetzung mit Naturwissenschaft und Theologie mehr als eine Kuriosität im Kontext ihrer Zeitgenossinnen dar: Einzig im Bürgertum war gutgestellten Frauen eine systematische Bildung vorbehalten. Dass Droste-Hülshoff sich dabei gerade diesen «männlichen» Themengebieten widmete, ist implizit eine Form des Widerstandes gegen die soziale Rolle, die ihr als Frau zugedacht war. Aufgrund ihres Wissensdurstes und einem kreativen Schöpfungsdrang gelang es der Schriftstellerin aus einem neuen Blickwinkel, in einem Zusammenspiel von Anpassung und Widerständigkeit, Wege zu beschreiten und Fragen zu stellen, die zuvor ein Tabu dargestellt hatten.

Dichtung, Theologie und Naturwissenschaft

Eine der wenigen Frauen, die einen Geldschein zierte Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main, Germany

Annette von Droste-Hülshoff, geboren am 12. Januar 1797, wuchs im Münsterland in Westfalen als Spross eines alten Adelsgeschlechts auf. Neben standes- und geschlechtsbezogenen Einschränkungen war ihr Leben geprägt von gesundheitlichen Problemen: Sie war kurzsichtig, was ihre Studien und Schreibtätigkeit zu einem immerwährenden Kampf machte, kränklich und äußerst zart. Gleichzeitig entwickelte sie schon früh einen starken Wissensdurst, nahm auf eigenen Wunsch am Privatunterricht ihrer Brüder in Naturkunde, Land- und Forstwirtschaft teil und setzte sich intensiv mit theologischen Schriften auseinander. Obwohl sie gläubige Katholikin war, handelte es sich bei diesen Studien nicht um erbaulich-fromme Lektüren. Sie beschäftigte sich ebenso mit kritischen Schriften wie Denkern anderer Konfessionen. 

Auch ihre naturwissenschaftlichen Studien überstiegen weit ein strebsames Interesse: Ganz im Sinne der praktischen Forschung erkundete die junge Frau auf eigene Faust die Landschaften in ihrer Umgebung, sammelte Mineralien und Gesteine und eignete sich eine umfassende botanische und geologische Sachkenntnis an.

Schon im Mädchenalter verfasste sie erste Gedichte und Dramen, die im Familien- und engeren Freundeskreis gelesen und besprochen wurden. Doch trotz ihres unverkennbaren Talents veröffentlichte Droste-Hülshoff ihr literarisches Debüt, ein Band mit Naturgedichten, erst 1838, im Alter von 41 Jahren. Die halb-anonyme Veröffentlichung wurde zunächst von der Kritik belächelt. Die tiefgreifenden Beobachtungen und das Originelle in der Poetik entgingen den frühen Lesern, wohl nicht zuletzt aufgrund von Vorurteilen gegenüber dem Geschlecht der Autorin, ihrer katholischen Konfession und dem starken regionalen Bezug – das Münsterland galt als provinziell und rückständig. Nach und nach wurde die Qualität ihrer Texte von Größen des Literaturbestriebs entdeckt, ihre Wirkung entfaltete sie erst nach Droste-Hülshoffs Tod.

«Ökologische» Literatur und tragische Liebe

Burg Meersburg am Bodensee, wo die Schriftstellerin einen großen Teil ihrer letzten acht Lebensjahre verbrachte und starb
Foto: böhringer friedrich, CC BY-SA 2.5

Die theologischen und naturwissenschaftlichen Studien waren Bestanzteil ihres dichterischen Verständnisses: Droste-Hülshoffs Naturgedichte und -Beschreibungen verbinden psychologische Seelenlandschaften mit den naturwissenschaftlichen Beobachtungen, die sich auf dem zeitgenössischen Stand der Wissenschaft bewegen – auch wenn der Autorin der Zugang zu den wissenschaftlichen Institutionen verwehrt blieb. In dieser besonderen Position entwickelt sich Droste-Hülshoff, so der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering, zu einer Vorreiterin einer «ökologischen» Literatur: Mit den Mitteln von Dichtung und Prosa soll die Natur als systematischer und dynamischer Lebenszusammenhang dargestellt werden, in dem sich die Autorin im Moment des Schreibens selbst verortet. Dies ist nicht als sentimentales Einfühlen zu verstehen. Vielmehr stellt es einen Versuch dar, ein Naturverständnis zu vermitteln, das auf Wechselseitigkeit beruht. 

Bis zu ihrem Lebensende blieb Droste-Hülshoff unverheiratet. Als tragisch gilt insbesondere ihre gescheiterte Liebschaft zu Heinrich Straube, den sie im Umkreis ihrer ostwestfälischen Verwandtschaft, der Familie von Haxthausen, kennenlernte. Da zwei ihrer etwa gleichaltrigen Onkel studierten, wurde sie mit Anfang 20 in die studentische und literarische Gesellschaft in und um Göttingen und Kassel eingeführt. Sie besuchte beispielsweise den Bökendorfer Romantikerkreis, dem auch die Brüder Grimm angehörten, zu deren Märchensammlung sie beitrug. In dem dichterisch ambitionierten Jura-Studenten Straube entdeckte die junge Frau, die durch ihre überlegene Intelligenz und den Hang zum Übersinnlichen aneckte, einen Seelenverwandten. Doch aufgrund einer familiären Intrige kam es zur Katastrophe und eine Heirat wird unmöglich. Der Verlust prägte Droste-Hülshoff für ihr Leben. 

Wer sich neben dem literarischen und naturwissenschaftlichen Schaffen für das Privatleben und die sozialen und historischen Hintergründe der Autorin interessiert, dem sei Karen Duves Roman «Fräulein Nettes kurzer Sommer» ans Herz gelegt, der 2018 im Galiani Verlag erschien. Die literarische Biografie Annette von Droste-Hülshoffs befasst sich mit der eben beschriebenen Episode im Leben der Autorin und entwirft dazu mit historischem Detailreichtum und Humor ein Panorama der studentischen und literarischen Kreise des frühen 19. Jahrhunderts. Vor allem aber wird Droste-Hülshoff hier scharfsichtig als eine intelligente und wissensdurstige Frau charakterisiert, die sich inmitten der Einschränkungen ihrer Zeit eine persönliche Unabhängigkeit und den Respekt erkämpft, der ihr zukommt.

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