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Hausmuseum der Villa Freischütz im April eröffnet

Salpetermillionen hinterließen Spuren in Meran

Im April ist im südtirolischen Meran das Hausmuseum der Villa Freischütz für das Publikum geöffnet worden. Es birgt eine Geschichte bürgerlichen Wohlstands, die ihren Ursprung im Salpeter-Reichtum der Provinz Tarapacás hatte.

Das Schlösschen Villa Freischütz im Jahr 1922. Es war der preußische Weinhändler Franz Fromm, Schwiegersohn von Johanngeorg Hilliger, der sie erwarb und als Kunstmäzen und Sammler in einen Treffpunkt für Kunst und Wissenschaft in Meran verwandelte. Foto: privat

Nähert man sich dem idyllischen Kurort Meran im schönen Südtiroler Ländchen fallen einem die zahlreichen Schlösser und eindrucksvollen Herrschaftshäuser ins Auge. Alles was in Zeiten der österreichischen K.u.k.-Monarchie Rang und Namen vorweisen konnte, ließ sich hier nicht nur im Sommer, sondern besonders zu Herbstzeiten nieder, genoss eine Trauben-, Molke- oder Terrainkur, lustwandelte an der Passerpromenade und lauschte den flotten Klängen der Musikkapellen des Infanterieregiments Nr. 36 «Reichsgraf von Browne».

Nun wird der Leser fragen: Was hat das mit der chilenischen Geschichte oder gar mit unserer deutsch-chilenischen Gesellschaft zu tun? Die Überraschung ist dann groß, wenn man tiefer forscht und feststellt, dass ein kleiner Teil des heute verblassenden Wohlstandes vergangener Zeiten seinen Ursprung in der einst zu Peru und heute zu Chile gehörenden Provinz Tarapacá hatte. Es war das «weiße Gold» Salpeter, das im fernen Meran seine Spuren hinterließ.

Der «verschwundene» Salpetermillionär

Der Leser erinnert sich vielleicht an die Chronik des angeblich «verschwundenen» Salpetermillionärs Johanngeorg Christian Hilliger (Cóndor vom 3. September 2017). Er verließ Chile 1883 mit seiner Frau Rosa geb. Vernal und den beiden Töchtern Luisa und Isabel in Richtung Hamburg. Luisa entstammte der Ehe Hilliger-Vernal, während Isabel ein Kind aus der ersten Ehe von Doña Rosa war. Sie hieß Isabel Ugarte-Vernal, war Schwester des peruanischen Nationalhelden Alfonso Ugarte-Vernal, der als Verteidiger des «Morro de Arica» am 7. Juni 1880 gefallen war. Beide Kinder aus der ersten Ehe von Doña Rosa hatten ihren Vater bereits 1852 verloren, waren dann unter der Obhut des zweiten Mannes ihrer Mutter, Johanngeorg Christian Hilliger, aufgewachsen. 

Der «verschwundene» deutsche Salpetermillionär Johanngeorg Hilliger lebte zunächst in Hamburg und dann in Barcelona. Seine Nachfahren kauften die Villa Freischütz in Meran. Foto: privat

Der Pazifische Krieg, auch Salpeterkrieg genannt – Chile gegen Bolivien und Peru – brachte einschneidende Veränderungen. Zwar war Vater Hilliger schon zuvor mit Tochter Luisa nach Valparaíso übergesiedelt, hatte den Krieg also nur am Rande kennengelernt, so waren Mutter Rosa mit Tochter Isabel und Sohn Alfonso in Iquique zurückgeblieben. Sohn Alfonso Ugarte schlug sich sofort auf die Seite Perus, rüstete ein Bataillon aus seinem Privatvermögen aus und widerstand den chilenischen Angreifern zuerst in der Schlacht der Quebrada de Tarapacá und dann beim Angriff auf den Morro de Arica, wo er den Heldentod fand. Mutter Rosa mit Schwester Isabel dagegen richteten ein Feldlazarett in Iquique ein, versorgten darin ohne Unterschied chilenische und peruanische verwundete Soldaten, was ihr die Missbilligung des chilenischen Admirals Lynch einbrachte.

Nach all dem Geschehen ist es verständlich, dass Rosa Vernal, nun verheiratet mit Johanngeorg Christian Hilliger, nicht länger in Tarapacá verbleiben wollte, vor allem da abzusehen war, dass die Provinz Chile zugeschlagen werden würde. Man beschloss, mit Sack und Pack nach Hamburg auszuwandern.

Aber auch Hamburg war den Zugereisten nicht gerecht, man traf im nass-kalten April des Jahres 1884 ein und dachte sofort an einen Umzug in freundlichere Gefilde. Doña Rosa wünschte in einem Land zu leben, das ein wärmeres Klima zu bieten hatte, während Johanngeorg Christian Hilliger auch nach einem Ort suchte, der ein subtropisches Klima ähnlich dem von Iquique zu bieten habe. Die Wahl fiel auf Barcelona in Spanien. Dort bezog man im vornehmen Stadtviertel Diputación Quartier. Familienvater Hilliger trat dem Deutschen Hilfsverein und der Deutschen Evangelischen Kirche bei, suchte auch gleich nach günstigen Investitionsgelegenheiten für seine finanziellen Mittel, während Tochter Luisa den Mann ihres Lebens, den «preußischen Untertan» und Weinhändler Franz Fromm fand. Man heiratete standesgemäß in Genf im Jahre 1885. 

Feierliche Eröffnung des Hausmuseums in der Villa Freischütz im April 2019. Noch liegen hier versteckt Uniform, Säbel und Auszeichnungen des peruanischen Nationalhelden Alfonso Ugarte. Foto: Dietrich Angerstein

Nach dem Tod seiner Schwiegermutter, seiner Frau und seines Schwiegervaters, die alle recht kurz hintereinander in Frankreich und Spanien verschieden, zog es Franz Fromm vor, dem schnöden Geschäftsleben Adios zu sagen und nach ein paar Ferienaufenthalten im schönen Südtirol in gemieteten Nobelherbergen Ausschau nach einem herrschaftlichen Wohnsitz an der Passer und Etsch zu suchen. Seine Wahl fiel auf das Schlösschen Villa Freischütz, das von einem eigenen, damals im Entstehen begriffenen Park umgeben, bis heute auf einen gediegenen Wohlstand seiner Besitzer schließen lässt.

Beginn einer Entdeckungsreise

Soweit eine lange Entstehungsgeschichte, aber es ist der Anfang einer Entdeckungsreise in die Vergangenheit des «weißen Goldes» und eines Krieges, dessen Ursprung und Verlauf gern nur einseitig, wenn überhaupt geschildert wird. Denn im Dachboden dieses Schlösschens Villa Freischütz lagern Dokumente und Ausrüstungsgegenstände, die einst von Rosa Vernal und ihrer Tochter Isabel Ugarte – wie schon gesagt Schwester des peruanischen Nationalhelden Alfonso Ugarte – nach Meran gebracht wurden. 

Isabel starb in Paris im Jahre 1938. Ihr gewaltiges Vermögen floss ebenso in die Hände von Franz Fromm, der sich als weitsichtiger Kunstmäzen, Sammler und Unterstützer wohltätiger Einrichtungen herausstellte. Bis zu seinem Tode war Villa Freischütz ein Treffpunkt der Kunst und Wissenschaft in Meran.

Eine kleine Rolle spielte die Familie Fromm-Hilliger auch noch im Zweiten Weltkrieg. Tochter Luise, also eine Enkelin des Salpetermillionärs Johanngeorg Hilliger heiratete den italienischen General Enea Navarini, der im Wüstenkrieg unter General Rommel kämpfte. Deren Tochter Anamaría Navarini-Fromm gab den Anstoß, die umfangreiche, wertvolle Kunstsammlung und das Archiv durch eine Stiftung der Nachwelt zu erhalten.

Nach dem Tod der letzten Nachkommen der Familien Hilliger-Vernal-Ugarte übernahm die Stiftung Navarini-Ugarte die Verwaltung und Pflege des Schlösschens. Unter der Leitung ihrer tüchtigen Präsidentin Dr. Herta Waldner und der Ausstellungskuratorin Dr. Ariane Karbe ist es gelungen, zwei Stockwerke des Gebäudes als Museum herzurichten, zum Zeichen wie wohlhabende, der Kunst geneigte Bürger ihr Leben zu gestalten wussten. Eine große Besucherschar, darunter Landeshauptmann Arno Kompatscher der Autonomen Provinz Bozen und der Bürgermeister der Stadt Meran, Paul Rösch, wohnten der offiziellen Eröffnung des Museums im April 2019 bei.

Doch es warten noch andere Dinge auf Eröffnung. Wohlverpackt in Kisten und Kartons finden wir Dokumente, die den Verlauf der Geschichte in der nördlichen Salpeterwüste Tarapacá in den Jahren 1880 bis 1884 anders schildern könnten als wir es gewohnt sind. Noch liegen hier versteckt Uniform, Säbel und Auszeichnungen des peruanischen Nationalhelden Alfonso Ugarte, die man längst verloren glaubte.

https://villafreischuetz.org/

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