
Von Sabine Köhler
Unsere Emotionen sind unsere innere Navigationskarte, um uns in der Welt zurechtzufinden. Emotionen sind weder gut noch schlecht, auch wenn einige für uns angenehm oder unangenehm sein können. Sie helfen uns, Entscheidungen
zu treffen, ohne dass wir uns unbedingt dessen bewusst werden.
Emotionen regulieren
Zum Beispiel brauchen wir die Angst, um uns vor Gefahren zu schützen. Denn wenn ein Teenager vor nichts Angst hat, wird er irgendwann Probleme haben oder er wird schlechte Entscheidungen treffen. Wir brauchen auch die Wut als Emotion, um uns zu wehren oder uns zu verteidigen, wenn wir etwas als ungerecht empfinden. Wir brauchen auch die Emotionen der Trauer, mit der wir die Verluste im Leben verarbeiten können und auch anderen signalisieren, dass wir dabei Unterstützung benötigen. Natürlich brauchen wir auch die Liebe, durch die wir uns den anderen nähern und die uns hilft, das Leben anderer zu schützen und sie zu fördern. Außerdem schenkt uns die Liebe Freude und Lebensenergie.
Doch wenn die Emotionen intensiv und andauernd sind, erschöpfen sie uns. Das ist das, was wir im Allgemeinen als Stress bezeichnen. Sogar anhaltende positive Emotionen wie zum Beispiel die Euphorie sind nicht nachhaltig. Deshalb brauchen wir Momente in unserem Leben, in denen wir uns wieder beruhigen und unseren inneren Frieden wiederfinden. Die Neurowissenschaftler nennen dieses, «die Emotionen regulieren». Die gute Nachricht ist, dass die Fähigkeit unsere Emotionen zu regulieren, eine angeborene Fähigkeit unseres Nervensystems ist. Wir brauchen nur die Bedingungen zu schaffen, damit es geschehen kann.
Momente der Ruhe
Wenn die Tiere krank oder verletzt sind, isolieren sie sich und ziehen sich zurück, somit ruhen sie aus und erlauben ihrem Körper, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Wir Menschen mit unserer modernen Lebensweise haben häufig einen Tagesablauf, der größtenteils durch programmierte Aktivitäten gelenkt ist. Da bleibt wenig oder manchmal keine Zeit für die Momente, in denen sich unser Körper und Geist wieder erholen können. Außerdem besitzen wir das sogenannte «Default Network», ein Netzwerk im Gehirn, was uns ermöglicht, uns von der Gegenwart abzulenken und uns in die Zukunft oder Vergangenheit zu versetzen. Dadurch haben wir die Fähigkeit zu planen oder aus unserer Vergangenheit zu lernen. Das hat aber auch zur Folge, dass wir häufig auf unsere Probleme oder Schwierigkeiten fokussiert sind und die negativen Gefühle regelrecht hochschaukeln. Somit können wir schwer Momente der Ruhe zur emotionalen Regulierung finden, da dieses Netzwerk sich automatisch einschaltet, wenn wir mal gerade nichts zu tun haben. Es ist ein bisschen wie ein Motor der die meiste Zeit auf Vollgas fährt, und sich deshalb überhitzt. Wenn wir diesen Motor ab und zu ausschalten und erlauben, dass er abkühlt, wird er besser funktionieren.
Deshalb ist es für unsere mentale und auch körperliche Gesundheit sehr wichtig, dass wir regelmäßig Momente finden, in denen wir völlig auf die Gegenwart fokussiert sind. Dies können wir beim Sport erleben, im Kontakt mit der Natur, bei künstlerischen Aktivitäten wie Singen, Tanzen, beim Spielen eines Instruments oder beim regelmäßigen Praktizieren von Mindfullness oder Meditation. Bei dieser Art von Aufmerksamkeit, wo wir uns völlig gegenwärtig sind (also
mindfull und nicht mindless, das heißt mit unseren Gedanken woanders), können wir uns entspannen, unsere Emotionen kommen zur Ruhe, weil wir emotional ausgeglichener werden und sogar unser Immunsystem verbessert sich, wie Neurowissenschaftler festgestellt haben.
Also ein bis zwei Mal am Tag unseren inneren Garten pflegen und zur Ruhe zu kommen, trägt Früchte an Geist und Körper.