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martes, 15. octubre 2024
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Vor 100 Jahren wurde Johannes Paul II. geboren

Der polnische Jahrhundertpapst

Von Silvia Kählert

Der charismatische Reisepapst, der in jedem Land bei seiner Ankunft den Boden küsste – dieses Bild von Johannes Paul II. blieb vielen besonders in Erinnerung. Er wurde am 18. Mai 1920 vor 100 Jahren in Wadowice bei Krakau geboren. Seine Heimat Polen hat ihn sowohl als Persönlichkeit als auch seine Führung der katholischen Kirche geprägt.

Die Überraschung war groß, als Karol Józef Wojtyla am 16. Oktober 1978 auf den Balkon zu den Gläubigen auf dem Peterplatz trat: Zum ersten Mal nach 455 Jahren ein Nicht-Italiener auf dem Thron Petri – und dann auch noch ein Pole. Das hatte es zuvor noch nie gegeben!

Ein sportliches Kirchenoberhaupt

Sicherlich spielte eine Rolle, dass genau in diesem Jahr vor ihm schon zwei und zwar italienische Päpste gestorben waren, sein Vorgänger nur nach 33 Tagen Amtszeit. Da gingen den Kardinälen im Konklave wohl die Ideen an geeigneten Kandidaten aus. Sie beschlossen einen jüngeren zu wählen und das war Wojtyla mit 58 Jahren gewiss. Seinen Namen übernahm er wohl mit Bedacht von seinem Vorgänger Johannes Paul I., um allen zu zeigen, dass die Kontinuität in der Kirche gewahrt bliebe.

Tatsächlich zeigte sich, dass dies nicht der Fall sein sollte, insbesondere sollte es bald eine Kursänderung geben, was das Regime der Sowjetunion anging. Zunächst waren bald eine Reihe von Anekdoten von ihm im Umlauf, die sich auf seine sportliche Seite bezogen und die auch seine charmante und unkonventionelle Art wiederspiegelten. Darauf angesprochen, dass ein skifahrender Papst doch etwas ungewöhnlich sei, antwortete er: In Polen fährt die Hälfte der Kardinäle Ski. – Es gab vor seiner Papstwahl nur ihn und Kardinal Stefan Wyszyński in Polen.

Vom Theater zur Theologie

Er stammte aus einer einfachen Familie, die in Warschau in einer Zwei-Zimmer-Wohnung lebte. Seine Jugend war von Schicksalsschlägen geprägt. Bereits mit neun Jahren starb seine Mutter, drei Jahre später der einzige Bruder und mit 20 Jahren verlor er den Vater. Karol war musisch begabt, verfasste eigene Gedichte und Theaterstücke und spielte leidenschaftlich gerne Theater. So begann der 18-Jährige ab 1938 Philosophie und Literatur in Krakau zu studieren. 1939 besetzten die Deutschen Polen und er wurde von den Nazis zur Arbeit in einem Steinbruch und in einer Chemiefabrik zwangsverpflichtet.

Im Jahr 1942 fühlte er sich zum Pfarrer berufen und trat heimlich dem Priesterseminar der Erzdiözese Krakau bei, die nur im Untergrund weiter existieren konnte. Karol Wojtyla wurde 1946 zum Priester geweiht, promoviert und 1954 Professor an der Universität von Lublin. Bereits mit 38 Jahren wurde er Weihbischof von Krakau.

Ein Papst für Freiheit und Frieden – auch in Chile

Immer wieder forderte er freie Religionsausübung für alle Polen und wendete sich, wenn auch nicht offensiv, gegen das kommunistische Regime. Im Jahr 1967 wurde er zum Kardinal berufen. Nach seiner Wahl zum Papst hatten besonders seine vielen Reisen nach Polen und die offene Unterstützung der Solidarność-Bewegung Signalwirkung. Er wurde zur Symbolfigur des kommunistischen Niedergangs.

Immer wieder warb der Pontifex für den Frieden in der Welt und mischte sich in politisch brisante Themen ein. Als sich 1978 der Konflikt zwischen Chile und Argentinien um die Zugehörigkeit der Inseln südlich des Beagle-Kanals zuspitzte und Argentiniens Angriff kurz bevorstand, bot Papst Johannes Paul II. aus eigener Initiative seine Vermittlung an. Er schickte den italienischen Kardinal Antonio Samoré als persönlichen Gesandten nach Buenos Aires und Santiago de Chile und dieser konnte die Verhandlungen zu einem guten Ende führen.

Der Konfrontationskurs des Kirchenoberhaupts gegen die kommunistischen Machthaber hatte Folgen: Am 13. Mai 1981 verübte der Türke Mehmet Ali Agca auf dem Petersplatz in Rom ein Attentat auf Johannes Paul II. Er wurde durch drei Kugeln in den Unterleib schwer verletzt. Heute gilt als erwiesen, dass hinter dem Attentäter der ehemalige sowjetische Geheimdienst KGB steckte. Der Papst vergab dem Attentäter noch auf dem Krankenbett.

Der Reisepapst

130 Auslandsreisen unternahm Johannes Paul II. und sah dies als zentrale Aufgabe seines Pontifikats an: Zu den Menschen gehen, mit ihnen beten, ihre Anliegen, Freuden und Nöte anhören und Hoffnung schenken. Es gelang ihm dank seiner Sprachbegabung, seinem großen Glauben und seines charismatischen Auftretens die Menschen für sich zu be-geistern. Drei seiner Reisen führten ihn nach Deutschland – in den Jahren 1980, 1987 und 1996. Vier Mal war er in der Schweiz: 1982 bei den Vereinten Nationen in Genf, 1984 für den großen Pastoralbesuch, 1985 in Kloten und 2004 besuchte Johannes Paul II. das erste gesamtschweizerische katholische Jugendtreffen in Bern. In den Jahren 1983, 1988 und 1998 war er in Österreich. Er hatte ein besonderes Verhältnis zu diesem Land, allein schon weil sein Vater im Ersten Weltkrieg auf Seiten Österreich-Ungarns kämpfte. Der Papst flog 1987 auch nach Chile. Damals galt er als Hoffnungsträger im Kampf gegen die Diktatur Augusto Pinochets.

Langes Leiden

Jahrelang litt Papst Johannes Paul II. unter der Parkinsonschen Krankheit. Im Frühjahr 2005 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand dramatisch. Durch die ganze Welt gingen die Bilder des Papstes an Ostern am 27. März, als er seinen «Urbi et Orbi-Segen» nur noch stumm und in gebeugter Haltung erteilen konnte. Am 2. April 2005, vor 15 Jahren starb Papst Johannes Paul II. Mit über 26 Jahren war sein Pontifikat eines der längsten in der Kirchengeschichte. Er wurde am 1. Mai 2011 von Papst Benedikt XVI. in Rom selig- und im April 2014 von Papst Franziskus heiliggesprochen.

Stark gegen Kommunisten, blind bei Missbrauch

«Was diesen Papst im Kampf gegen die Kommunisten stark machte, führte im Umgang mit der sexuellen Gewalt in die Katastrophe», sagte Matthias Drobinski im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur. In seiner dieses Jahr erschienenen Biografie über Johannes Paul II. meint der Journalist und Autor, dass der Papst aufgrund seiner Erfahrungen in der polnischen Untergrundkirche erst während der deutschen Besetzung, dann im Kommunismus der Ansicht gewesen sei: «Wir sind nur dann stark und dann gut, wenn wir zusammenstehen; wenn zwischen uns keine Lücke entsteht.»

Gleichzeitig nennt der Autor ihn einen Revolutionär. Insbesondere hat Papst Johannes Paul II. sich immer wieder für die Ökumene eingesetzt, die Einheit der Christenheit, den Dialog mit den orthodoxen Kirchen und den interreligiösen Dialog mit den anderen großen monotheistischen Religionen Judentum und Islam. Beispiellos war auch sein Einsatz für die christliche Jugend. So lud er zum Palmsonntag 1984 Jugendliche aus aller Welt ein, nach Rom zu kommen und initiierte damit den Weltjugendtag.

Wie kein Papst vor ihm ließ er, wohl auch aus polnisch-katholischer Prägung heraus, Christen heilig und selig sprechen und förderte den Marienkult. Im von ihm ausgerufenen Heiligen Jahr 2000 überraschte er die Welt mit einem «Mea Culpa», einem Schuldeingeständnis für die Verfehlungen der Kirche, vor allem die Judenverfolgungen, die Inquisition und die Glaubenskriege. Ohne Zweifel war Johannes Paul II. eine der großen Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts, die seine Kraft aus dem Glauben zog. Auch wenn er offensichtlich das Ausmaß des Missbrauchs in der Kirche falsch einschätzte, schmälert dies nicht eine seiner größten Leistungen: Johannes Paul II.trug entscheidend zum Ende der kommunistischen Diktatur und zum Ende des Kalten Kriegs bei.

Matthias Drobinski/Thomas Urban: Johannes Paul II. Der Papst, der aus dem Osten kam. C. H. Beck, München 2020, 336 Seiten, 24,95 Euro.

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