Zum 200. Geburtstag Richard Wagners (2013) brachte die Metropolitan Opera in New York eine Neuproduktion seines letzten Werks heraus. Wie an diesem Haus üblich, wurde an der Inszenierung nicht gespart. Man engagierte Solisten von Weltrang und setzte modernste Errungenschaften der Technik ein, um ein wirksames Bühnenbild zu schaffen.

Richard Wagners «Parsifal», ein «Bühnenweihfestspiel», wie sein Autor das Werk nannte, verarbeitet die Legende um den Heiligen Gral, das wundertätige Gefäß, in dem Jesus Christus beim letzten Abendmahl den Wein reichte. Die Wirkung auf die Experten konnte nicht unterschiedlicher sein: Claude Debussy fand die Orchesterklänge «einmalig und ungeahnt, edel und voller Kraft». Igor Strawinsky war irritiert von dem «Gottesdienst auf der Bühne», Gustav Mahler trat aus dem Bayreuther Festspielhaus «keines Wortes fähig» heraus und auch Max Reger war überwältigt: «Als ich in Bayreuth den ‚Parsifal‘ gehört habe, habe ich 14 Tage lang geheult. Und dann bin ich Musiker geworden.»
Die Handlung der New Yorker Produktion folgt dem Original mit dem gebotenen Respekt, obwohl sie ins 21. Jahrhundert verlegt wurde. Die erhabenen Gralshüter tragen keine wallenden Gewänder, sondern laufen barfuß und in einfachen Hemden herum. Die Szene ist bewusst düster gehalten. Mittels Großleinwandprojektion von sich fast ständig ändernden Wolkengebilden bringen Bühnenbildner Michael Levine und Videodesigner Peter Flaherty Bewegung in das statische Geschehen. Amfortas‘ unheilbare Wunde kommt allzeit und überall zum Ausdruck: Im ersten Akt fließt kein Wasser, sondern Blut im Bach. Im zweiten Akt tummeln sich die Blumenmädchen ebenfalls in einem blutigen Gewässer, das fast die ganze Bühne einnimmt und ihre Kleider besudelt. Und an Klingsors, des bösartigen Zauberers Stirn und Haaransatz, klebt ebenfalls verkrustetes Blut.
Beim Casting hatte die Met eine überaus glückliche Hand: Jonas Kaufmann ist stimmlich, darstellerisch und von der Erscheinung her eine Idealbesetzung des unschuldigen Toren. Peter Mattei verleiht der gequälten Kreatur des Amfortas ein außergewöhnliches, bewegendes Format. René Papes Gurnemanz ist ein würdevoller Gralsritter mit bemerkenswertem Durchhaltevermögen: Im ersten Akt, der knapp zwei Stunden Spieldauer hat, ist er fast ständig im Einsatz, ohne die geringste Ermüdungserscheinung zu zeigen. Katarina Dalayman als Kundry genügt ihrer komplexen Rolle vollends mit ihrem ausdrucksstarken, nuancenreichen Organ. Das Orchester unter Daniele Gatti bietet höchstes Niveau, was bei dieser kniffligen Partitur viel heißen will. Ebenso der Chor (Einstudierung: Donald Palumbo), der zudem in einwandfreiem Deutsch singt.
Die optische Qualität ist fast gut; leider haben die langen dunklen Sequenzen ein unreines, unscharfes Bild zur Folge. Der Ton ist dagegen makellos: Die Solisten erklingen präsent, das Orchester ist auf Breitwand angelegt und gut gestaffelt.
Als Bonus interviewt der Bass Eric Owens im Backstage die Sänger Jonas Kaufmann, René Pape, Peter Mattei und Katarina Dalayman sowie den Technischen Leiter John Sellars, den Dirigenten Daniele Gatti und den Regisseur François Girard. Das Beiheft enthält einige schöne Farbfotos der Inszenierung und einen lesenswerten Artikel von Philipp Brieler: «Parsifal: A Spiritual Journey», und eine Inhaltsangabe der Oper, beides nur auf Englisch.
Richard Wagner: «Parsifal», USA, 2013. Fernsehregie: Patrick Jones. Musikalische Leitung: Daniele Gatti. Mit Jonas Kaufmann (Parsifal), René Pape (Gurnemanz), Katarina Dalayman (Kundry), Peter Mattei (Amfortas), Rúni Brattaberg (Titurel), Evgeny Nikitin (Klingsor) u. a. Spieldauer: 4 Stunden 32 Min.
Bild ***
Ton ****
Darbietung *****
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