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miércoles, 9. octubre 2024
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Buchtipp «Die erste Reise um die Welt. An Bord mit Magellan»

Faules Wasser, Sägespäne und Ratten für einen halben Dukaten

Von Arne Dettmann

Christian Jostmann, «Antonio Pigafetta: Die erste Reise um die Welt. An Bord mit Magellan», Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2020.

Vor 500 Jahren – am 28. November 1520 – hatte die Expedition die südamerikanische Meerenge bewältigt und segelte auf den Pazifik hinaus. Mit an Bord: Antonio Pigafetta, der die erste Weltumsegelung unter Fernando Magellan schriftlich festhielt. Ein Abenteuer, das auch heute noch fasziniert.

Am Sonntag, den 8. November, ist der Hamburger Boris Herrmann vom französischen Les Sables-d’Olonne aus in See gestochen, Kurs Atlantik. Vor ihm liegt ein Wagnis, das mindestens 70 Tage dauern wird: Bei der Regatta Vendée Globe tritt der Skipper im Alleingang gegen 32 Konkurrenten an, jeder will als Schnellster den gesamten Globus einmal umrundet haben. Nur 86 Segler haben dieses Kunststück in der 30-jährigen Geschichte des Wettbewerbs überhaupt vollbracht; viele scheiterten an Sturm und Wellen.

Das härteste Nonstop-Rennen für Einhandsegler führt um das Kap der Guten Hoffnung in den Südpazifik, die Antarktis immer an Steuerbord lassend, bis zur Südspitze Amerikas, das berühmte Kap Hoorn umsegelnd, zurück zum Ausgangspunkt. Ein ähnliches Bravourstück – in umgekehrter Richtung – gelang dem portugiesischen Seefahrer Fernando Magellan bereits vor 500 Jahren. Heute wie damals eine Reise voller Gefahren und Entbehrungen.

«Am Mittwoch, den 28. November 1520, entkamen wir der erwähnten Meerenge und segelten weit auf das Pazifische Meer hinaus», berichtet Antonio Pigafetta von der Flotte, die 1519 vom spanischen Sevilla in See gestochen war, eine westliche Seeroute zu den legendären Gewürzinseln der Molukken ausfindig zu machen. Die Expedition unter Fernando Magellan hatte schließlich in Patagonien nördlich von Feuerland eine Passage – die Magellanstraße – entdeckt. Nun lag der gewaltige Ozean vor ihnen.

«Auf ihm fuhren wir drei Monate und 20 Tage, ohne irgendwelchen frischen Proviant aufzunehmen. Wir aßen Zwieback, der kein Zwieback mehr war, sondern nur mehr aus Krümeln bestand, darin Hände voller Würmer, die das Beste aufgefressen hatten. Er stank entsetzlich nach Urin und Ratten. Wir tranken gelbes, bereits seit vielen Tagen fauliges Wasser und aßen gewisse Stücke Rindsleder, mit denen die Großrahe überzogen war, damit die Großrahe nicht das Tauwerk beschädigte. Sie waren steinhart von der Sonne, dem Regen und den Wind. Wir weichten sie vier oder fünf Tage im Meer ein, legten sie dann kurz über die Glut, und so aßen wir sie. Oft genug aßen wir auch Sägespäne. Die Ratten wurden für einen halben Dukaten das Stück gehandelt, und selbst dafür waren sie kaum zu bekommen!»

Darstellung der Patagonischen Meerenge, heute Magellan- straße: Links befindet sich der Atlantik (Süden ist auf der Karte oben), rechts der Pazifik. Im Buch befinden sich insgesamt 23 farbige Miniaturen, mit denen der Autor Antonio Pigafetta sein Werk illustriert hat. Foto: akg-images

So schaut sie aus, die Beschreibung der ersten Umrundung der Welt, die niemals als solche geplant war, wie Christian Jostmann betont. Der Historiker und Hispanist hatte im vergangenen Jahr – dem 500. Jahrestag des Aufbruchs der Expedition – das Buch «Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde» herausgebracht (C.H.Beck-Verlag; der Cóndor berichtete). Nun hat sich der Autor den Bericht des italienischen Chronisten Antonio Pigafetta vorgenommen und laut dem Herausgeber, der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, die erste vollständige und originalgetreue deutsche Übersetzung des Reiseberichts vorgelegt.

Mit der Behauptung, sein Kapitän habe mit Einfallsreichtum und Wagemut die erste Weltumsegelung vollbracht, schuf Pigafetta den Mythos Magellan. Christian Jostmann legt dar, dass es wohl eher Sachzwänge und pure Not waren, die schließlich dazu führten, dass nur eines von fünf Schiffen am 6. September 1522 nach Spanien zurückkehrte. Von einst 240 Mann sahen am Ende 18 Mann nach knapp drei Jahren Strapazen die Heimat wieder.

Bereits nach der Überquerung des gigantischen Pazifiks hatte Antonio Pigafetta in seinem Logbuch festgehalten: «Ich glaube wahrlich nicht, dass man jemals wieder eine solche Reise unternehmen wird.» – Der 39-jährige Boris Herrmann wagt es dennoch. Seine High-Tech-Yacht «Seaexplorer» ist ausgestattet mit Satellitentelefon und GPS-Gerät, an Bord befinden sich 80 Packungen gefriergetrockneter Nahrung – Szenen wie bei Magellan wird es wohl nicht geben.

Doch das Risiko damals wie heute bleibt: Eine Havarie irgendwo in den Weiten des Pazifiks südlich der Osterinsel bedeutet wahrscheinlich das Aus. Ein Rettungsschiff bräuchte zwei Wochen zu einer 2.000 Kilometer vom Land entfernten Stelle. Selbst die Internationale Raumstation ISS befindet sich mit 408 Kilometern Höhe oftmals näher an der Zivilisation statt der tollkühnen Seefahrer.

Als es dann schließlich doch zum Kontakt mit anderen Menschen kam, lief er für beide Seiten nicht gerade glimpflich ab. Am 6. März 1521 erreichte Magellans Expedition den Marianen-Archipel im Westpazifik. Als einige Ureinwohner der Insel Guam ein Beiboot stehlen wollen, werden sie von den europäischen Glücksrittern getötet. Ihre Häuser gehen zudem in Flammen auf. Später auf den Philippinen findet Fernando Magellan bei einem missglückten Angriff selbst den Tod. Laut dem Bericht des Chronisten Pigafetta kämpfte der Kapitän im Wasser stehend bis zum Äußersten, um seiner Mannschaft den Rückzug zu ermöglichen. Wirklich Wahrheit oder mehr Hymne auf einen fiktiven Helden?

In Pigafettas Bericht vermischen sich Fakten und Fiktionen, gibt Christian Jostmann zu bedenken. Die Aufzeichnungen des Italieners seien nicht nur geschichtliches Dokument, sondern immer auch literarisches Werk. Bei manchen Schilderungen flossen Wissen und Legenden von bereits publizierten Reiseberichten mit ein. Jostmann: «Folglich ist nicht alles, was Pigafetta erzählt, auf eigenem Mist gewachsen, und man darf auch nicht alles für bare Münze nehmen.» Das Dokument sei dennoch eine informative und reizvolle Lektüre.

Weniger anziehend, dafür aber umso abstoßender fallen die Beschreibungen über die Christianisierung der Ureinwohner aus. Pathetisch schreibt Pigafetta, wie die Heiden auf der Insel Cebu angeblich aus freiem Willen zum christlichen Glauben «bekehrt» werden und sich treuherzig dem spanischen König unterordnen. Die Eindringlinge errichten ein Christus-Kreuz, alle zur Taufe bitte! Wer nicht gehorcht, dessen Dorf wird niedergebrannt. Die Königin ist angesichts eines Madonnenbildes zu Tränen gerührt, ein Kranker wird durch die «Gnade unseres Herrn» wieder gesund. Halleluja! Doch so einfältig selig, wie der Italiener es suggeriert, ist es wohl dann doch nicht abgelaufen: Der Fürst von Cebu sagt sich schließlich vom Christentum los und lockt die Konquistadoren in eine Falle. Von den Europäern werden 35 getötet, der Rest der Truppe flieht Hals über Kopf. Eine Erklärung für das Desaster liefert der Chronist nicht.

Die Faszination des Reiseberichts liegt vor allem in der detailreichen Schilderung der exotischen Tier- und Pflanzenwelt, die Beschreibung fremder Welten und deren Ureinwohner wie zum Beispiel Patagoniens, die längst ausgestorben sind. Der Autor erlebte den Alltag an Bord eines Segelschiffes der Frühen Neuzeit hautnah mit, beobachtete aber auch die Bräuche entfernter Kulturen Südostasiens.

Und mitunter muss sich der heutige Leser wohl seinen Teil denken, was Antonio Pigafetta geflissentlich verschwieg: «Diese Mädchen waren sehr schön und fast so weiß wie unsere und ebenso groß. Sie waren nackt, außer dass sie Baum-Stoff von der Hüfte bis zum Knie trugen. Einige waren auch völlig nackt; sie hatten ein großes Ohrloch mit einem Ring aus Holz darin, der es rund und weiß hält, lange schwarze Haare und einen kleinen Flor um den Kopf, gingen dabei stets barfuß. Der Kronprinz ließ uns mit drei gänzlich Nackten tanzen. Wir speisten und kehrten danach zu den Schiffen zurück.»

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