«Alles hängt irgendwie mit der Wirtschaft zusammen»
Von Nicole Erler
Der Weg von Constanza García führte sie von der Schweizer Schule Santiago direkt in die Schweiz. Ihr Schulabschluss, die Schweizer Matura, ermöglichte ihr den direkten Zugang zur Universität Basel und sie meint: «Die Schule hat mich für ein Studium im Ausland gefördert und gut vorbereitet.»
In der zehnten Klasse besuchte Constanza García das erste Mal die Schweiz. Damals war es der halbjährige Schüleraustausch organisiert von der Schweizer Schule Santiago, der den Rahmen ihres Aufenthaltes formte. Doch die ersten Wochen waren schmerzhaft: Sie hatte Heimweh, wohl auch, weil die Situation in ihrer Gastfamilie kompliziert war. Im Rückblick sieht die heute Neunzehnjährige die Situation mit anderen Augen: «Ich bin stolz darauf, dass ich die Probleme mit meiner Gastfamilie eigenständig gelöst habe und daran gewachsen bin.» Am Ende wechselte sie die Familie und konnte die verbleibende Austauschzeit genießen, denn die Erfahrung in dem neuen Familienverband war eine durch und durch gute, und der Kontakt ist über die darauf folgenden Jahre nicht abgebrochen.
Seit einigen Wochen ist Constanza nun wieder in der Schweiz. Zunächst musste sie für elf Tage in Quarantäne gehen, allein in einer fremden Wohnung, ohne Erlaubnis diese zu verlassen. Eine besondere Erfahrung, die sie jedoch aufgrund des regen Online-Austauschs mit Familie und Freunden gut bewältigt hat. Constanza lebt vorerst wieder bei ihrer damaligen Gastfamilie. Die junge Frau berichtet, dass sie schon seinerzeit während des Austauschs entschieden hatte, später in der Schweiz zu studieren.
Doch vor einigen Monaten entwickelte sie auch einen Plan B. Die Schulabgängerin hatte sich beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) um ein Stipendium für ein Studium an einer deutschen Universität beworben und es neben vier weiteren Chilenen schließlich erhalten. Beste Noten, Empfehlungen ihrer Lehrer, soziale Projekte während der Schulzeit: Die Schülerin hatte für ihre Bewerbung zur Stipendiatin alle Asse in der Tasche. Doch sie entschied sich letztlich für die Schweiz: «Vielleicht erscheint meine Entscheidung, das Stipendium nicht anzunehmen, auf den ersten Blick nicht vernünftig zu sein, aber ich finde, dass ich das Richtige getan habe.» Deutschland sei ein interessantes Land, doch ihr Herz schlage für die Schweiz. Es war trotzdem kein leichter Entschluss für sie.
Ihre gesamte Schulzeit verlebte die junge Chilenin an der Schweizer Schule. Ihr familiärer Hintergrund steht in keinem Zusammenhang mit Deutschland oder der Schweiz. Zur Einschulung in die Schweizer Schule in Santiago entschieden sich Constanzas Eltern, weil sie ihrer Tochter eine gute Schulbildung sichern wollten. Deutsch, Englisch, Französisch – das sprachliche Angebot der Schule ist umfangreich. Auch werden die Schüler im Laufe der Zeit immer wieder in soziale Projekte eingebunden. Zudem haben die Schulabgänger schon damals in der «Prueba de Selección Universitaria» sehr gut abgeschnitten. Der Interessenschwerpunkt der ehemaligen Schülerin lag zuletzt auf den Fächern Wirtschaft und Recht. Daher trat Constanza García Mitte September ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel an. «Alles hängt irgendwie mit der Wirtschaft zusammen, das fasziniert mich. In diesem weiten Feld der Wirtschaftswissenschaften werde ich mich auf die Suche nach dem Teilgebiet begeben, das für mich bestimmt ist. Besonders spannend finde ich das Thema Ressourcennutzung.»
Zum Beginn ihres Studentenlebens an der Universität in Basel wird die Neunzehnjährige zunächst mit Maske im Hörsaal sitzen müssen. Sie kommentiert: «Das Virus macht mir weniger Angst als die Tatsache, dass viele Länder aufgrund der Pandemie wirtschaftlich sehr leiden müssen. Die hohe Arbeitslosigkeit ist bedrohlich für die Stabilität vieler Familien. Das beunruhigt mich. In den vergangenen Monaten habe ich gelernt, dass wir nicht alles kontrollieren oder langfristig planen können. Nun müssen wir Geduld haben. Es ist seltsam, nicht zu wissen, wie lang die Krise anhalten wird.»
Die «Fiestas Patrias» möchte die angehende Studentin in jedem Fall gebührend feiern – das erste Mal im Ausland fern der Heimat. Eine ehemalige Schulkameradin der Schweizer Schule ist ebenfalls zum Studieren in Basel. Gemeinsam planen sie traditionell am 18. September den Grill anzuzünden, Empanadas zu backen und Cuecas zu hören. Schweizer Freunde werden vielleicht auch eingeladen, und so entsteht gleich die erste große Möglichkeit, eine wichtige Tradition der chilenischen Kultur gemeinsam zu erleben. Zuvor war es umgekehrt: Die Schulgemeinschaft feierte in Santiago die traditionellen Feiertage der Schweiz, wie beispielsweise den Bundesfeiertag am 1. August.
Constanza zeichnet gern und malt mit Wasserfarben Szenen aus ihrem Leben. Auch genießt sie es, ein gutes Buch zu lesen, zu kochen und zu backen, und in ihrem neuen Wohnort durch den nahegelegenen Wald zu joggen. «Es gibt so vieles zu entdecken und kennenzulernen. Ich habe das Gefühl, die Zeit zerrinnt mir zwischen den Fingern.» Sie erzählt, wie glücklich und lebendig sie sich fühlt, trotz Pandemie. Ein aufregender neuer Lebensabschnitt liegt vor ihr. Sie ist stolz darauf, in der Schweiz zu studieren.