Nach Mauerfall führte Matthias Sammer DDR-Mannschaft zum Sieg
Am 12. September vor 30 Jahren tritt letztmals die Fußball-Auswahl der DDR auf. Es ist bis heute ein ganz spezielles Kapitel in der deutsch-deutschen Wende-Geschichte. Da wunderten sich die 14 Aufrechten um den damaligen Neu-Stuttgarter Matthias Sammer und der knorrige Nationalcoach Eduard Geyer gewaltig. Gleich alle drei Strophen der Nationalhymne wurden im Anderlechter Constant-Vanden-Stock-Stadion im Bezirk Brüssel in voller Länge intoniert: «Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt, lass uns dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland.»
Zum 293. und letzten Mal traten die besten Fußballer, die es von der Ostsee bis zum Thüringer Wald gab, an jenem 12. September 1990 zu einem Länderspiel an. 21 Tage später war die Deutsche Demokratische Republik Vergangenheit. Ironie der Geschichte: Kurz davor wurden die DDR und die Bundesrepublik Deutschland in eine EM-Qualifikationsgruppe gelost. Zum zweiten offiziellen Duell nach dem 1:0-Sieg der DDR bei der WM 1974 kam es nicht mehr. Beide Fußball-Verbände hatten sich bereits auf den Zusammenschluss geeinigt, so dass die Partie beim eigentlichen Gruppengegner Belgien nur noch als Freundschaftsspiel ausgetragen wurde.
Rund 150 ehemalige DDR-Spieler wechselten bereits in den ersten fünf Jahren nach der Wende in die 1. oder 2. Bundesliga. Die besten wie Andreas Thom, Ulf Kisten, Thomas Doll, Rainer Ernst oder eben Sammer wurden quasi sofort verpflichtet – und das letzte Länderspiel der DDR wurde noch spezieller. Viele hatten keine Lust mehr, die Westclubs wollten ihre Ost-Profis für diesen Anlass nicht mehr freigeben. «Ich habe wie ein Blöder rumtelefoniert. Doch einer nach dem anderen gab mir einen Korb», beschrieb Trainer Geyer die Situation. 22 Spieler sagten schließlich ab.
Auch der gebürtige Dresdner Sammer, wäre um ein Haar nicht dabei gewesen. «Beim Treffpunkt waren nur 13 Spieler da. Eigentlich wollte ich nicht bleiben, aber es ging an dem Abend kein Flugzeug mehr», verriet der «Rote Baron», so genannt wegen seiner Haarfarbe. Schließlich stieg er als 14. Akteur am Morgen danach in den Flieger nach Brüssel. «Es war gut, dass er geblieben ist und sich so einen historischen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert hat», sagte Geyer, der später als Chefcoach des Underdogs Energie Cottbus die Bundesliga-Konkurrenz ärgerte. Die DDR-Elf bezwang Belgien durch zwei Sammer-Tore mit 2:0 vor 10.000 Zuschauern.
Sammer, einer der insgesamt 273 DDR-Nationalspieler von 1952 bis 1990, wurde zur Symbolfigur der Fußball-Einheit. Am 19. Dezember 1990 durfte er in seiner schwäbischen Wahlheimat im Spiel gegen die Schweiz (4:0) als erster «Ossi» wieder das Trikot mit dem Bundesadler überstreifen. 23 Spiele für die DDR, 51 für das wiedervereinte Deutschland, der Europameister-Titel 1996, drei deutsche Meisterschaften und ein Champions-League-Triumph mit Borussia Dortmund standen nach Karriereende in seiner Vita.
(dpa)