Recycling – «Deutschland ist für uns ein tolles Vorbild»
Fünf chilenische Gemeinderatsmitglieder besuchten vor kurzem Deutschland und informierten sich übers Recycling und Kriminalitätsbekämpfung. Die Reise wurde von der Hanns-Seidel-Stiftung finanziert. Über seine Eindrücke sprach Cristián Araya, Ratsmitglied (concejal) von Vitacura, mit Cóndor-Redaktionsleiter Arne Dettmann.
Cóndor: Herr Araya, eine Woche lang besuchten Sie Deutschland. Wie sah Ihr Programm aus?
Cristián Araya: Ein Ziel war die Abfallverwertungsanlage Augsburg, ein Abfallheizkraftwerk mit integrierter Krankenhausmüllverbrennung, Schlackenaufbereitung und einer Biogasvergärungsanlage. Zudem sprachen wir mit dem Umweltcluster Bayern, ein Netzwerk der bayerischen Umweltwirtschaft, und dem Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Augsburg. Hinzu kamen Gespräche mit dem bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie sowie dem Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Ich bin beeindruckt: Deutschland ist in Sachen Recycling und Abfallverwertung wirklich sehr weit entwickelt, während wir hier in Chile gerade einmal ein Verbot von Plastiktüten beschlossen haben und unseren Müll immer noch ungeordnet auf eine Deponie schütten. Zudem produziert meine Gemeinde Vitacura am meisten Abfall pro Einwohner. Das alles ist verantwortungslos und darf nicht so weitergehen.
Sie erhoffen sich Impulse für Chile?
Ja, unbedingt. Bisher werfen wir unseren Müll einfach nur weg. Wir müssen aber endlich wirtschaftlich und sozial integriert denken: Anreize fürs Recycling schaffen, die privaten Unternehmen auffordern sich zu beteiligen. Deutschland ist dabei ein unglaublich tolles Vorbild. Ihre Landsleute haben es geschafft, einen nachhaltigen Wertstoffkreislauf herzustellen. Das konnten wir beim Besuch des Abfallwirtschaftsbetriebs München sehen. Dazu zählen Verringerung der Müllmenge, Abfalltrennung, Recycling und zudem die Energiegewinnung. Die chilenische Politik muss diese Herausforderung endlich ernsthaft angehen.
Sie sprachen auch über das Thema Energie?
Eindrucksvoll war bei einem Besuch des Fahrzeugherstellers MAN zu sehen, wie ein privates Unternehmen in die Produktion von Elektro-Lastwagen investiert. Interessant fand ich zudem, dass es Deutschland gelungen ist, bei den Erneuerbaren Energien die Bürger selbst als Stromproduzenten zu beteiligen und damit faktisch eine Demokratisierung der Energieerzeugung herzustellen. Und natürlich ist Deutschland auch ein gutes Beispiel für Dezentralisierung.
Was stand noch auf dem Programm?
Bei einem Treffen mit der bayerischen Polizei informierten wir uns über Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung. Auf meine Frage dort, wo mehr der Schwerpunkt gesetzt würde, mehr auf Personal oder Technik, wurde dort ganz eindeutig die Präsenz von Polizisten bevorzugt. Das sollte uns zu denken geben: Drohnen zur Aufklärung sind zwar gut, doch wichtiger ist wohl, mehr Polizisten weg vom Schreibtisch und näher zu den Bürgern zu bringen.
Des Weiteren trafen wir uns mit dem Landratsamt Augsburg sowie München, Abgeordneten des bayerischen Landesparlaments, dem Bayerischen Gemeindetag sowie der Hanns-Seidel-Stiftung.
Wer waren Ihre Mitreisenden?
Jorge Acosta ist Gemeinderatsmitglied von Santiago mit 405.000 Einwohnern, während die Kommune Vitacura, die ich vertretete, 85.000 Einwohner zählt. Jovanka Collao ist Concejal von San Bernardo, Felipe Mancilla von La Florida und Viviana Nuñez von Quilpué. Es handelt sich also um höchst unterschiedliche Kommunen mit einer sehr unterschiedlichen Entwicklung. Das wurde wohl ganz bewusst von der Hanns-Seidel-Stiftung so ausgewählt. Zudem sind wir alle relativ junge Ratsmitglieder, ich bin mit 29 Jahren der jüngste Concejal von Vitacura.