Oberstleutnant des Veterinärwesens und Assistenzprofessor
Der Mediziner, der die Gesundheit des Militärs im Auge hat
Gegen welche Krankheiten muss ich mich schützen? Oder eventuell auch gegen welche Tiere? Diese Fragen sollte sich jeder stellen, der in eine für ihn unbekannte Region reist. Für die Gesundheit der Militärangehörigen in einer fremden Einsatzregion ist Alexander Betzhold als Oberstleutnant des Veterinärwesens zuständig. Der Mediziner berät seit fünf Jahren im Bereich der Medical Intelligence and Information die IV. Armee-Division in Coyhaique. Die Eingewöhnung in der südlichsten Region Chiles war für die aus Santiago stammende Familie nicht ganz einfach.
«Schnee im Juni ist normal, aber dieser tagelange Schneefall nicht – wir sind jetzt vom Rest der Welt abgeschnitten», erzählt Alexander Betzhold, der seit fünf Jahren in Coyhaique lebt. «Es geht seit drei Tagen kein Flieger mehr am Flughafen.»
Alexander und seine Frau sind in Santiago geboren und aufgewachsen. Für beide war die Umstellung, als sie 2019 nach Aysén gezogen sind, nicht einfach: «Die Kälte, die Ländlichkeit ohne Malls oder Kinos und natürlich auch erst mal die fehlenden sozialen Kontakte machten den Anfang nicht leicht.»
Inzwischen hat sich seine Frau Claudia einen Freundeskreis aufgebaut und arbeitet auch in ihrem Beruf der psychologischen Pädagogik. Für ihre Tochter Emma, die in Patagonien geboren wurde, und für Florencia, die beim Umzug acht Jahre alt war, war die Eingewöhnung durch das schnelle Schließen von Freundschaften einfacher. «Sie sind inzwischen aber richtige Patagonierinnen», meint Alexander lachend. Ab und zu in den Ferien bekommt die Familie auch Besuch von Alexanders Sohn Sebastian, der jüngste von seinen drei ersten Kindern, zu denen auch Martin und Isidora gehören.
Der Mediziner interessiert sich sehr für seine Vorfahren und hat intensiv nach seinem Ururgroßvater Gustav Betzhold recherchiert, was nicht einfach war. Über ihn hat er im DCB im vergangenen Jahr einen Vortrag gehalten: «Zum Beispiel hieß es im Bundesarchiv in Freiburg, dass viele Unterlagen im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Auch im Emil Held Archiv gab es kaum Dokumente. Das Meiste habe ich mithilfe eines Familienstammbaums aus dem Jahr 1930 herausgefunden und aus Dokumenten im Internet– es war wie ein Puzzle.» Er hat unter anderem erfahren, dass Major Gustav Betzhold in Krakau geboren ist, sein Vater aus Mecklenburg Strelitz stammte und die preußische Nationalität besaß. Er kam als Kommandeur des Ingenieurkorps der Königlich-Preußischen Armee im Ruhestand auf Empfehlung der Firma Krupp nach Chile. Dort war er von 1889 bis 1896 als Berater und technischer Leiter für die Planung und den Bau von Befestigungsanlagen an der Küste und die Erprobung von Artilleriegeschützen zuständig. Nach dem Bürgerkrieg setzte er seine Arbeit 1892 unter der Leitung des preußischen Generals Emil Körner fort. 1894 wurde der Vertrag verlängert und Gustav Betzhold zum Oberst ernannt.
Franz Wilhelm, der «Pancho» genannt wurde, war ein Enkel von Gustav Betzhold und Alexanders Großvater. Er war der erste der Familie, der in Chile geboren wurde. Franz Wilhelm besuchte die Escuela Militar und war Kapitän der Artillerie. Alexander hat zwar keine militärische Laufbahn nach dem Schulabschluss eingeschlagen, aber inzwischen ist er als Militär-Berater tätig. Er hat zunächst an der Universidad de Chile studiert: «Ich habe das Fach der Tiermedizin gewählt, weil es für den Beruf, den ich jetzt ausübe, kein Studium in Chile gab.» Anschließend hat er einen Master-Abschluss in Umweltmanagement und -planung sowie einen Postdoc in Arbeitshygiene an der Universidad de Chile gemacht.
Mit dem Dienstgrad des Oberstleutnants des Veterinärwesens arbeitet der Arzt für die öffentliche Gesundheit und den Bereich Medical Intelligence and Information des Sanitätsdienstes des chilenischen Militärs. «Meine Aufgabe ist es, Informationen hinsichtlich der Gesundheit oder Gefahren der Militärangehörigen in der Einsatzregion zu sammeln, zu analysieren und entsprechende Empfehlungen auszusprechen.» Als Assistenzprofessor ist er außerdem an der Universidad Andrés Bello tätig und gibt Seminare zum Thema biologische Risiken.
Für ihn als Militärberater sind zum Beispiel die geschützten Tierarten der Huemules, Pumas und Kondore ein Thema. Auch Insekten können eine Gefährdung darstellen. So hat Alexander kürzlich gemeinsam mit dem Labor des Instituto de Salud Pública herausgefunden, welche Arten von Rickettsia-Bakterien von Flöhen von wilden Nagetieren übertragen werden.
Zu seinem Bedauern gibt es keine Kontakte mehr zu Vorfahren seiner Familie in Deutschland: «Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es noch Verbindungen, aber wahrscheinlich sind unsere männlichen Nachfahren, die ja unseren Nachnamen tragen und so leichter bei der Ahnenforschung zu finden sind, gefallen. Sein Vater, er selbst und seine Kinder sowie sein Bruder Jürgen und dessen Sohn haben aber alle noch die deutsche Nationalität und den deutschen Reisepass.
Während des Studiums hat Alexander am
Goethe-Institut angefangen, Deutsch zu lernen: «Es gehört zu unseren Traditionen, dass wir versuchen die Sprache, die Bräuche und auch das Essen weiter zu pflegen.» Vor 20 Jahren konnte er seine Sprachkenntnisse das erste Mal in Deutschland anwenden. Er absolvierte einen Lehrgang an der Ausbildungseinrichtung der Bundeswehr für ABC-Abwehr in
Sonthofen, das heißt für Umwelt, Strahlen, Selbst- und Brandschutz sowie Arbeitssicherheit.
Zum Entspannen und für seine Interessen ist die Region um Coyhaique gerade nach Alexanders Geschmack: «Im Sommer gehe ich am Fluss oder an einem der Seen zum Angeln, vor allem von Forellen, und im Winter erhole ich mich beim Skifahren.» Außerdem habe er sich zu einem guten Parrillero entwickelt – besonders eines typischen patagonischen Asados mit einem ganzen Lamm am Spieß.
Foto: privat