Der Cóndor veröffentlicht in loser Reihenfolge Portraits über Frauen in Chile mit deutschsprachigen Vorfahren, die eine Pionierrolle spielten oder besondere Leistungen erbracht haben.
Von Walter Krumbach
Ihre berufliche Tätigkeit bewegte sich in zwei Kreisen, die sich oft durchkreuzen: Übersetzungen und Literatur. Hierbei kam ihr die von Haus aus erlernte Zweisprachigkeit zugute: Lieselotte Schwarzenberg, 1927 in Santiago als Tochter eines Valdivianers und einer Osorninerin geboren, kennt sich sowohl im Deutschen als auch im Spanischen bestens aus und besitzt daher die Fähigkeit, beide Sprachen mit der gleichen Kenntnis und Fertigkeit anzuwenden.
1952 – sie war gerade 25 – reiste sie zu Studienzwecken nach Deutschland. Drei Jahre später promovierte sie an der Universität München. Mit ihrer Arbeit über «Mariano Latorre, Chiles Erzähler» wurde sie zum Doktor der Philosophie promiviert. Nach ihrer Ausbildung als Spanisch- und Deutschlehrerin am Instituto Pedagógico in Santiago nahm Lieselotte Schwarzenberg die Gelegenheit wahr, an der Hamburger Universität eine Stelle als Lektor für Spanisch zu übernehmen. Hier assistierte sie Dr. Hans Schneider beim Erstellen eines Anhangs zum Wörterbuch der spanischen und deutschen Sprache von Rodolfo Slaby und Rodolfo Grossmann.
Der Schriftsteller Mariano Latorre sollte sie nach ihrer Rückreise nach Chile noch einmal beschäftigen: In der Zeitschrift «Atenea» der Universidad de Concepción veröffentlichte Lieselotte Schwarzenberg einen Artikel über «Tipos y personajes en el paisaje literario de Mariano Latorre» (Typen und Figuren in Mariano Latorres Literatur). Damals lehrte sie an der Universidad de Concepción und am Goethe-Institut Santiago.
Ab 1971 verbrachte sie mit ihrer Familie ein Dutzend Jahre im Ausland. In Honduras, den Vereinigten Staaten und Peru war sie als freischaffende Übersetzerin beschäftigt. Nach ihrer Rückkehr nach Chile fuhr sie mit dieser Tätigkeit fort. Im Jahr 1988 nahm sie mit ihrem Referat «Die Übersetzung als Kulturüberträger» am von der Pontificia Universidad Católica organisierten 1. Chilenisch-Argentinischen Kolloquium über literarische Übersetzung teil.
Eine ihrer herausragendsten Leistungen ist die Übersetzung von Goethes «Leiden des jungen Werther», die der Verlag Andrés Bello im Jahr 1983 herausbrachte. Ferner nahm sie an der bilingualen Ausgabe von «Das kastilische Huhn und andere Eier» von Delia Domínguez (Tacamó Ediciones) teil, bei der sie das Vorwort Pablo Nerudas und das Nachwort Ana María Cúneos ins Deutsche übertrug, sowie die Übersetzung des zweiten und des dritten Bandes von «Cuenta el pueblo mapuche» (Das Mapuche-Volk erzählt) der Autorin Bertha Koessler-Ilg (Verlag Mare Nostrum).
Lieselotte Schwarzenberg leitete ebenfalls zwischen 1988 und 1990 die deutsche Fassung der vom Außenministerium herausgegebenen Zeitschrift «Chile Ahora». 1991 war sie Mitgründerin und erste Vorsitzende der Asociación de Traductores de Santiago (AGTS).
Heute ist sie pensioniert und lebt im Seniorenheim in der Straße Tupungato.
Foto: Petra Wilken