Interview mit dem Chefredakteur vom Cóndor
Nach 14 Jahren verlässt Cóndor-Chefredakteur Arne Dettmann Chile und kehrt mit seiner deutsch-chilenischen Familie in seine Heimatstadt Hamburg zurück. Der Hanseat war seit 2005 Redakteur bei unserer Zeitung und übernahm 2011 die Redaktionsleitung. Zum Abschied führten seine Kollegen mit ihm ein Interview.
Warum gehst du zurück nach Deutschland?
Ich wollte, dass unsere beiden Söhne Kai (9) und Aike (7) einmal das Land richtig kennen lernen, aus dem ich herkomme. Ich hoffe, dass sie dort gut die deutsche Sprache lernen und deutsche Kultur erfahren werden. Außerdem macht mein Vater gerade eine Chemotherapie durch. Da meine Mutter vor drei Jahren verstarb und ich Einzelkind bin, werde ich ihm dann näher sein und vielleicht helfen können.
Was sagt deine Familie zu den Plänen?
Die treibende Kraft hinter diesen Plänen war meine chilenische Ehefrau Valentina. Sie meinte, dass wir damit nicht noch länger warten dürften, sonst ist der Zug irgendwann abgefahren. Kai und Aike freuen sich. Die beiden haben Hamburg schon von Urlaubsreisen kennen gelernt. Und mein Vater ist froh, dass ich komme.
Was wirst du am meisten an Chile vermissen?
Alle meine Freunde und meine chilenische Familie, die Asados und den Wein, den Pazifik und den leckeren Fisch, und vor allem die tolle Landschaft. Ich bin sehr gerne mit meinen Kumpels vom Deutschen Andenverein (DAV) Santiago Bergsteigen gegangen und habe beim Campen mit meiner Familie die schönen Wälder, Seen und Flüsse des Südens genossen. Das war herrlich, Gott sei Dank.
Und was wirst du am wenigsten vermissen?
Mal positiv formuliert: Ich freue mich auf öffentliche Busse und Bahnen, ohne wie in einer Sardinenbüchse eingequetscht zu werden. Dazu gemäßigte, rücksichtsvolle Autofahrer. Außerdem eine frische Brise ohne Smog. Zudem will ich endlich mal wieder ausgiebig Fahrrad fahren.
Weshalb würdest du immer wieder nach Chile zurückkehren?
Diese 14 Jahre haben mich geprägt und chilenisiert. Ich bin wohl nicht mehr so sehr der preußische Arne Dettmann wie früher, sondern etwas entspannter, geduldiger geworden. Das sagt jedenfalls meine Frau. Andere meinen, ich hätte nicht nur die chilenische Aussprache, sondern auch den schrägen Humor gut übernommen. Offenbar habe ich mich also hier wohl gefühlt und eingelebt – das ist ein triftiger Grund, wieder hierher zurückzukehren.
Was sollte Chile anders machen?
Die Bildung reformieren. Es mag hart und arrogant klingen, aber es ist so: Weiterentwicklung beginnt im Kopf.
Wieso kamst du nach Chile?
Ich hatte Spanisch an der Universität Hamburg gelernt und ein Semester in Madrid studiert. Dort in der Wohngemeinschaft lernte ich einen Argentinier kennen, der mich 2003 zu seiner Hochzeit in Buenos Aires einlud. Als ich in Argentinien war, fragte ich bei der deutschsprachigen Zeitung «Argentinisches Tageblatt» an, ob ich ein Praktikum machen könnte. Es ging. Und in der Redaktion lag dort der «Cóndor» aus. Zurück in Deutschland bewarb ich mich. Als ich den Zuschlag erhielt und 2005 nach Chile kam, dachte ich: Das machst du für ein Jahr, wenn es gut läuft vielleicht auch zwei…
Worauf guckst du mit Stolz in deiner Zeit hier?
Die Cóndor-Zeitung lag mir sehr am Herzen. Ich habe mich – so glaube ich – aufrichtig bemüht, das Blatt inhaltlich und gestalterisch voranzubringen. Das Schönste war dabei, positive Rückmeldungen von der Leserschaft zu erhalten.
Erzähle uns bitte eine Anekdote aus deiner Cóndor-Zeit.
Spontan fallen mit zwei Erlebnisse aus der Kategorie Pleiten, Pech und Pannen ein: Ganz zu Anfang sollte ich Fotos vom Jahresgrillen beim Deutschen Ausflugsverein Valparaíso machen. Das war in Granizo beim Cerro La Campana. Doch ich unterschätzte die Fahrzeiten mit dem Bus, nahm zudem eine falsche Linie und musste dann den Rest laufen. Als ich ankam, war das Fest schon gelaufen. Mensch, war mir das peinlich.
Und die zweite Begebenheit?
Und dann gab es einmal eine Veranstaltung im Club La Unión. Anschließend gingen ein deutscher Freund und ich in die benachbarte Bar La Unión Chica. An dem Abend fand ein Fußballspiel mit Chile statt. Als wir schließlich nach Hause fahren wollten, herrschte in der Innenstadt Ausnahmezustand: kein Bus, keine Taxe, stattdessen grölende Menschenmassen. Chile hatte offenbar gewonnen. Wir gingen zu Fuß bis zur Bierstube und wollten dort ausharren, bis sich die Aufregung gelegt haben würde. – Eine fatale Fehlentscheidung. Als wir zur Plaza Baquedano marschierten, rannte uns auf einmal ein Mob entgegen, verfolgt von den Wasserwerfern der Polizei. Nun flüchteten auch wir – in Anzug und Krawatte. Über viele Umwege erreichte ich im Morgengrauen unser Haus in La Reina. Meine Frau öffnete die Tür, guckte mich missbilligend an und meinte nur, dass die wilde Studentenzeit eigentlich längst vorbei sei. Fazit: Man lernt immer noch dazu. Learning by doing.
Was wirst du als erstes tun, wenn du in Hamburg bist?
Fischbrötchen und Currywurst essen. Dazu ein Jever-Bier trinken.