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miércoles, 4. diciembre 2024
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Porträt – Murielle Ferrand Godoy

Physiotherapeutin

«Manche Chancen bieten sich nur einmal im Leben»

Wie kommt es, dass sich eine Chilenin auch ohne deutschsprachige Vorfahren in den Institutionen der deutschen Gemeinschaft begeistert engagiert? Es waren die Eltern der heute 25-jährigen Murielle Ferrand, die ihrer Tochter die Tür dazu öffneten, indem sie die ihrer Meinung nach beste Schule der Region für sie auswählten: die Deutsche Schule Osorno.

Murielle Ferrand wurde 1999 in Santiago geboren. Ihr Vater Pedro Ferrand ist Gynäkologe, ihre Mutter Patricia Godoy Kinderärztin und Endokrinologin. Nachdem die Eltern beschlossen hatten, nach Osorno zu ziehen, entschieden sie sich bei ihrer Schulwahl für die Deutsche Schule, obwohl die Familie keine deutschen Vorfahren hat – aber die Qualität der DS Osorno überzeugte sie.

«Mein liebstes Hobby war die Leichtathletik. Ich konnte an vielen Wettkämpfen teilnehmen – eine unglaubliche Zeit, während der ich viele Leute kennengelernt und Freunde gefunden habe. Ganz besonders erinnere ich mich an die nationalen Leichtathletik-Meisterschaften ‚Karsten Brodersen‘ der deutschen Schulen. Wir bereiteten uns das ganze Jahr über darauf vor und trainierten sehr viel, um einen der begehrten Teilnehmerplätze zu bekommen», erzählt sie. 

Auch der Schüleraustausch, der sie nach Deutschland führte, hat sie sehr geprägt. «Es war das erste Mal, dass ich in Europa war, und ich erinnere mich, dass ich wegen der Sprache ein bisschen Angst hatte. Am Ende habe ich mich aber gut zurechtgefunden, und meine Austauschfamilie war wunderbar. Alle meine Erwartungen wurden übertroffen. Ich habe vor, mit einer Freundin nochmals nach Deutschland zu reisen und dort hoffentlich das Oktoberfest zu erleben.» Ein weiteres Wunsch-Reiseziel ist Portugal. 

Nicht nur ihr eigenes Interesse an der deutschen Kultur und Sprache wuchs während ihrer Schulzeit an der DS Osorno. Sie steckte damit auch ihre jüngeren Brüder mit ihrer Begeisterung an: Der 23-jährige Nicolás und der 20-jährige Benjamín sprechen ebenso gut Deutsch wie Murielle und studieren derzeit Bauingenierwesen an der Universidad de Chile. «Wir mochten die deutsche Sprache und Kultur so sehr, dass ich, als ich zum Studium nach Santiago kam, der Mädchenschaft Erika Michaelsen beitrat, während meine Brüder sich der Burschenschaft Andinia anschlossen.»

 Eines der Ziele der Mädchenschaft sei es, allen Studentinnen, die in Santiago studieren wollen, ein Unterstützungsnetz zu bieten. «Es ist sehr schwierig, allein in eine so geschäftige und stressige Stadt wie Santiago zu kommen, wenn man erst 18 Jahre alt ist. Mir persönlich hat die Mädchenschaft hier in der Hauptstadt eine Familie gegeben, einen Ort, an dem ich Unterstützung, Freunde und Spaß gefunden habe und der mir bestimmte Werkzeuge für das Leben mitgegeben hat, wie zum Beispiel Teamwork, Engagement, Empathie und Führungsqualitäten. Ich wünsche mir, dass die Mädchenschaft in der deutsch-chilenischen Gesellschaft bekannter wird und immer weiter wachsen kann. Sie sollte weiterhin ein Zuhause und eine zweite Familie für viele Studentinnen sein und ihnen die Studienzeit noch angenehmer machen», so Murielle.

Nach ihrem Schulabschluss studierte Murielle zunächst ein Jahr lang Bauingenieurwesen an der Universidad de Concepción. Mit dieser Wahl war sie allerdings nicht zufrieden und stieg auf das Fach Physiotherapie um, das sie an der Pontificia Universidad Católica in Santiago studierte. 

«Ich habe mich für diesen Beruf entschieden, weil ich während meiner gesamten Schulzeit viel Sport getrieben habe. Beim Leichtathletiktraining habe ich mich oft verletzt und musste auch mehrmals selbst Krankengymnastik machen. Damals habe ich mich in diesen Beruf verliebt. Den gesamten Rehabilitationsprozess einer Person zu begleiten, ist unglaublich! Zu wissen, dass man der Person geholfen hat, ihre Einschränkungen zu überwinden und sie zu ihren täglichen Aktivitäten zurückzubringen, erfüllt mein Herz.» Dabei hatte auch ihre Studienzeit Höhen und Tiefen: «Die mit Abstand schwierigste und anstrengendste Zeit, die ich bisher erlebt habe, war das Fachpraktikum. Ich habe dabei sehr gute, aber auch sehr schlechte Erfahrungen gemacht, mit Betreuern, die mich schlecht behandelt und ständig gedemütigt haben. Mit der Unterstützung meiner Freunde, meiner Familie und meiner Psychologin habe ich es geschafft – es war allerdings wirklich sehr schwer.»

In der letzten Zeit hat Murielle mit dem Joggen begonnen, eine Sportart, die ihr früher gar nicht gefallen hat. Jetzt hat sie jedoch erkannt, dass sie damit Stress abbauen, gesund bleiben und sich selbst neue Ziele setzen kann. 

Abgesehen vom Sport schaut sie gern Serien und Filme und hat immer ein Buch bei der Hand, «auch wenn ich manchmal Monate brauche, um es zu beenden». Die Familie von Murielle ist gern unterwegs, es vergeht kaum ein Wochenende, an dem man zu Hause bleibt, auch wenn es nur darum geht, irgendwo etwas zu essen – am liebsten mag sie Sushi. Auβerdem hat sie viele Freunde, mit denen sie gemeinsam wandern geht, andere, mit denen sie gern einen Kaffee zusammen trinken und wieder andere, mit denen sie Partys besucht. «In der Mädchenschaft und in der Burschenschaft habe ich richtig gute Freunde gefunden, die sogar das Langweiligste, was man sich vorstellen kann, zu einem tollen Erlebnis machen können.»

«Chancen bieten sich nur einmal im Leben» – diesen Spruch, den ihre Tante in bestimmten Momenten ihrer Kindheit anbrachte, ist ihr bis heute bewusst. «Das klingt zwar wie ein Klischee, ist aber so etwas wie mein Lebensmotto –  die Augen aufhalten und die Chancen nutzen, die vielleicht nie wiederkommen.»

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