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lunes, 9. septiembre 2024
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Anton Bruckner zum 200. Geburtstag

«Halb Genie, halb Trottel»

Der Österreicher Anton Bruckner war ein herausragender Organist. Seine Improvisationen versetzten die Kirchgänger in Erstaunen. Diese Fantasien schrieb er jedoch nie auf, weshalb sie der Nachwelt nicht erhalten blieben. Allerdings hat er etliche Einfälle in seinen Sinfonien verwendet, die zu den größten Werken der Spätromantik gezählt werden.  

Im Jahr 1886 war der österreichische Kaiser Franz Joseph I. von Anton Bruckners Te Deum derart beeindruckt, dass er dem Komponisten das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens verlieh. Bruckner war damals bereits 62 Jahre alt und hatte sein ganzes Leben um Anerkennung gekämpft. Die Auszeichnung von höchster Stelle bestätigte ihm sein Können und warf ein neues Licht auf seine Künstlerpersönlichkeit, die bis dahin als zwiespältig galt. Sein Hang zum Monumentalen in der Sinfonik, sicherlich durch das kirchenräumliche Denken und Fühlen des Organisten angeregt, wurde von einem Teil des Publikums bewundert, andere wiederum amüsierten sich über die lautstarken Ausbrüche der Blechbläser, die in diesen Werken oft vorkommen. Sie erinnern an den Stil Richard Wagners, den Bruckner bewunderte und dem er seine Partituren vorlegte, um sich Rat zu holen. Wagner gehörte zu denjenigen, die den Wert der Brucknerschen Werke früh erkannten, als er schrieb: «Wenn jemand nach Beethoven sinfonische Ideen hat, dann ist es Bruckner.»

Bruckners Vater war Lehrer in Ansfelden, wo er das Amt des Organisten in der Stadtkirche innehatte. Anton erhielt durch ihn die ersten Anweisungen im Orgelspiel, die für seine Entwicklung als Interpret wesentlich waren. Schon früh machte sich bei dem Jungen ein Hang zum Improvisieren bemerkbar, was sich negativ auswirkte, als er sich in Windhaag, wo sich der Jugendliche auf den Lehrerberuf vorbereitete, und sich mehr mit dem Fantasieren auf der Orgel als mit seinen Pflichten beschäftigte. 

Im Jahr 1845 schloss er seine Lehrerausbildung schließlich erfolgreich ab. In der folgenden Zeit übte er seinen Beruf aus, verschrieb sich jedoch in zunehmendem Maße der Musik. 

Bruckner, dessen 200. Geburtstag am 4. September begangen wird, galt als eigenwilliger Kauz. Der gläubige Katholik kniete vor der Messe jedes Mal vor der Orgel nieder und küsste die Tastatur. Seine Partituren revidierte und korrigierte er bis zur Hirnerweichung. Er hatte einen ausgeprägten Hang zum Sammeln und war gierig auf Orden und Ehrungen. Seine Neigung zum Makabren und Grauenhaften drückte sich in seiner Vorliebe, Friedhöfe und bestimmte Gräber zu besuchen, aus. Bruckner berührte und küsste die Schädel von Schubert und Beethoven nach deren Ausgrabung sowie Kaiser Maximilians, der in Mexiko erschossen worden war. Bei Kirchenbesuchen stieg er in den Glockenstuhl, um festzustellen, ob dort ein Kruzifix angebracht war und wenn er sein Haus verließ, ging er wiederholt ein und aus, um sicher zu sein, dass er alle Kerzen gelöscht hatte. 

Seine Zeitgenossen belächelten den Sonderling, respektierten jedoch die Qualität seiner Kompositionen. Der Dirigent Hans von Bülow apostrophierte ihn als «halb Genie, halb Trottel». Seine provinzlerische Art behielt er bis zuletzt bei, was ihm manche Türen verschloss. 

Heute gilt sein musikalischer Nachlass fraglos zum Kostbarsten, was im späten 19. Jahrhundert geschaffen wurde – insbesondere die letzten Sinfonien, mit denen er zukunftsweisend etliche Kollegen des 20. Jahrhunderts, von Gustav Mahler über Arnold Schönberg bis zu Jean Sibelius, beeinflusste.

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