«Nichts ist erhabener als das Studium der Natur»
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Zum 120. Todestag des großen Naturforschers
DCB zeigt Werke von Rudolph Amandus Philippi
Am 25. Juli weihte der Deutsch-Chilenische Bund in seinem von einem erwartungsvollen Publikum gefüllten Ausstellungssaal eine Sammlung von Dokumenten und Zeichnungen des Naturforschers Rudolph Amandus Philippi ein. Anlass dazu war der 120. Todestag des Wissenschaftlers, der am 23. Juli dieses Jahres begangen wurde.
Die 32 Exponate sind Teil des Bestands, den der Diplomat, Akademiker und Rechtsanwalt Julio Philippi Izquierdo, ein Urenkel des Forschers, seinerzeit dem Emil-Held-Archiv als Schenkung übergab. Es werden sowohl Originale als auch Reproduktionen gezeigt.
Die Schau beinhaltet die drei großen Bereiche im Wirken Philippis: seine Rolle in der wissenschaftlichen Forschung, seine Lehrtätigkeit (er war Professor an den Universitäten de Chile und Católica sowie am Instituto Nacional) und die Forschungsreisen, die er im Auftrag der chilenischen Regierung unternahm. Die Dokumente entstanden im Zeitraum von über einem halben Jahrhundert (!), was sich dadurch erklärt, dass Philippi relativ jung nach Chile kam und fast bis zu seinem Tod im 95. Lebensjahr aktiv war.
Philippis Feder ist ungemein präzise: Mit wissenschaftlicher Akkuratesse zeichnet er haarfein und bis ins kleinste Detail getreu zum Beispiel Muscheln und Krebse nach. Unter den Dokumenten sind Briefwechsel mit so prominenten
Zeitgenossen wie Charles Darwin, Ignacio Domeyko und Aníbal Pinto einsehbar sowie ein Faksimile-Abdruck der Chronik «Viaje al desierto de Atacama» (Reise in die Atacama-Wüste), die Philippi im Sommer 1853-54 unternahm.
Die Ausstellung kann bis zum 29. September im DCB, Vitacura 5875, besucht werden.
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Luz Philippi Irarrázaval hat mit der Archivarin Daniela Casanova «stundenlang das Material durchdrungen, das einst meinem Vater, Julio Philippi, gehörte und das später dem Emil-Held-Archiv zur Pflege und Klassifizierung übergeben wurde». Gemeinsam trug sie den mit Ignacia Rojas Philippi erstellten Vortrag über ihren Ururgroßvater Rudolph Amandus Philippi im DCB vor, den wir hier auszugsweise veröffentlichen. Die Ausstellung sei, so Luz Philippi, eine Einladung, «Rudolph mit neuen Augen zu sehen», um den Menschen hinter der bekannten Person kennenzulernen.
«Der Erste, der in Chile Naturgeschichte unterrichtete»
Oft hörten wir Berichte über seine Wanderungen und Entdeckungen, erzählt von sehr nahen Verwandten, sahen Bücher und Artikel, die von ihm oder über seine Arbeit als junger Mann veröffentlicht wurden, Fotos von seiner Familie und anderen deutschen Verwandten. Veröffentlichungen nach seinem Tod, Skizzen, Lithografien, Zeichnungen und Aquarelle von mediterranen Muscheln, chilenischer Flora oder Fauna, die gerahmt an den Wänden der Häuser unserer Großmütter, unserer Eltern, unserer Häuser hingen. Beobachtet von allen Nachkommen und Besuchern, die fasziniert nach einer Lupe suchten oder manchmal sogar danach fragten, um die feinen Linien, die ihre Augen sehen konnten, zu überprüfen. (…)
All diese Aufzeichnungen entstammen einem Ort, einer Umgebung, einer bestimmten Geografie, die er in der Regel auch mit Graphitstift oder Tinte in seinen unzähligen kleinen Reisetagebüchern und zahlreichen Briefen festhielt. Ein Tal, ein Gebirge, eine heiße Quelle, ein See, ein Fluss oder ein Bach. Eine Umgebung. Ein Umriss. Etwas Großes, Unermessliches und daneben etwas Winziges. Klein, aber vielleicht voll von potenziellem Leben. Alles wurde in seinen kleinen persönlichen Büchern verwoben. Zum Aufzeichnen und Assoziieren. Und dabei kreativ sein. Sich etwas vorstellen und erkennen, dass es von dem Existierenden übertroffen wurde. (…)
Alles war für ihn eine mögliche Goldmine, die es zu entdecken und zu heben galt, Schätze, die in Europa als wertvoll betrachtet wurden und die hier und in Europa die Vitrinen und Möbel mit Schubladen und kleinen Fächern füllten, die zum Sammeln geeignet waren und nach den
Regeln der Zeit geordnet wurden.
Es war nicht so, dass Don Rodulfo berühmt werden wollte. Er musste leben und seine Familie ernähren. Und das schmälert nicht seine Verdienste. Er hatte unbestreitbar eine Leidenschaft für die Natur und das Leben in der freien Natur.
«Ein glücklicher Zufall hat es mir ermöglicht, das Studium der Natur fortzusetzen, die einzige Leidenschaft in meinem Leben und seit meiner Kindheit und die mir erlaubt hat, der Wissenschaft und meiner geliebten zweiten Heimat einige Dienste zu leisten. Ich war der Erste, der in Chile Naturgeschichte unterrichtete, (…) und ich unterrichte sie seit 20 Jahren» schrieb er in seiner Rede anlässlich seines 90. Geburtstags.
«Ich hatte keine Matratze und nur eine Decke mitgebracht, was meiner Meinung nach bei der Hitze, die ich in der sogenannten Sandgegend und auf diesem geografischen Breitengrad erwartete, mehr als genug war; der Sattel diente als Matratze, das Kopfteil, die Decke und die Ponchos als Überzug; selten erlaubte es die Temperatur, dass wir nackt schliefen. Niemand würde behaupten, dass wir ein „cama sibarítica” hatten, aber wenn man müde ist, schläft man sehr gut.» Dies ist ein Auszug aus seinem Bericht über die Wüstenreise, dessen Original hier im DCB sehr gut aufbewahrt wird.
Ein faszinierender und facettenreicher Charakter
Er fühlte eine Verantwortung gegenüber der chilenischen Regierung, gegenüber der Quinta Normal und als Lehrer von Schülern und Studenten. Und eine andere, vielleicht noch größere Verantwortung gegenüber sich selbst. Mit den Lehren, die er von seiner Mutter, von Pestalozzi und von der Universität Berlin erhalten hatte. Persönliches Engagement für das, was er weitergegeben, bekannt machen wollte. Die Verantwortung desjenigen, der das Glück hatte, Zugang zu mehr Informationen zu haben und zu wissen, was sie bedeuten und wie man sie ordnet und erklärt.
Verantwortung gegenüber dem Kreis der europäischen Wissenschaftler und Naturforscher, die nicht nur seine unmittelbaren Bezugspersonen als Professoren an der Berliner Universität waren, Humboldt zum Beispiel, auch Mentoren wie Hegel, Rektor derselben Universität, oder Goethe, der in gewisser Weise in diesen Korridoren präsent war, und engen Freunden und Kollegen wie Darwin.
Er gehörte zu einer Bewegung von großen Denkern und Menschen in Europa um 1800, die das bis dahin Bekannte und die damals etablierten Denkweisen infrage stellten und darin lebten. Rudolph hatte sich darin entwickelt. Seine Mutter unterstützte ihn dabei und trieb ihn unermüdlich in seiner Suche nach «neuen» Erkenntnissen dieser Art von philosophischer, wissenschaftlicher und künstlerischer Renaissance an, die sich mitten in der enormen politischen Instabilität der alten Welt entfaltete. Diese zwang ihn dazu, auszuwandern und neue Länder zu suchen, in denen er sich niederlassen und seine Familie gründen konnte (er hatte zehn Kinder, von denen nur vier in Chile ankamen, die anderen starben im Kindesalter).
Dieser Naturforscher saugte all dieses wie ein Lebenselixier auf und verband es mit seiner Art, das Leben zu sehen, darüber nachzudenken und es zu leben. Wann immer er konnte, verließ er seinen Schreibtisch, um mit leichtem Gepäck kilometerweit zu laufen und alle Ecken zu erkunden. Er schlief im Freien. Um zu spüren, wie die Welt um ihn herum pulsiert. Um sie zu betrachten und unermüdlich zu staunen.
Es gibt so viel mehr über ihn zu sagen als über sein Werk, das für sich selbst spricht. Ein faszinierender und facettenreicher Charakter. Mit viel Humor und Selbstkritik…
Rudolph war weit davon entfernt, das Bild eines kultivierten Intellektuellen abzugeben, denn für ihn gab es nichts Lehrreicheres als einen Spaziergang in den Hügeln. So ermutigte er seine Medizinstudenten, die an seinem Botanikkurs für Pharmakologie teilnahmen, im Prolog des Vorlesungstextes:
«Ich kann diesen Prolog nicht beenden, ohne die Bedeutung botanischer Demonstrationen zu unterstreichen und die Studenten zu ermahnen, Botanik praktisch zu betreiben und sich nicht damit zu begnügen, den Text auswendig zu lernen. Pflanzen sollte man nicht nur auswendig lernen, sondern auch sehen, anfassen, riechen und sogar schmecken können.»