Ein weiterer wichtiger Meilenstein für die Errichtung des Extremely Large Telescope: Alle Rohlinge der Segmente des 39-Meter-Hauptspiegels des weltweit größten optischen und Infrarotteleskops sind laut Pressemitteilung der Eso am 27. Juni fertiggestellt. Das letzte der 949 Einzelelemente hat die Firma Schott in Mainz verlassen (M1) und befindet sich nun zur Weiterverarbeitung auf dem Weg zur nächsten Station.
Aufgrund seiner Größe kann der M1 nicht aus einem einzigen Stück Glas gefertigt werden. Er besteht aus 798 sechseckigen Segmenten, die jeweils etwa fünf Zentimeter dick und 1,5 Meter breit sind und zusammen zehn Millionen Mal mehr Licht sammeln als das menschliche Auge. Weitere 133 Segmente wurden hergestellt, um die Wartung und Neubeschichtung der Segmente zu erleichtern, sobald das Teleskop in Betrieb ist. Eso hat außerdem 18 Ersatzsegmente beschafft, sodass die Gesamtzahl nun 949 beträgt.
Die M1-Rohlinge, geformte Werkstücke, die später zu Spiegelsegmenten poliert werden, bestehen aus Zerodur, einem von Schott entwickelten Glaskeramikmaterial mit geringer Ausdehnung, das für die extremen Temperaturbereiche am Standort des ELT in der Atacama-Wüste optimiert wurde. Dieses Unternehmen hat auch die Rohlinge von drei weiteren ELT-Spiegeln – M2, M3 und M4 – in seinen Werken in Mainz hergestellt.
Marc Cayrel, Leiter der ELT-Optomechanik bei Eso, erklärt, dass Eso mit der Firma Schott eng kooperiert und «jeden einzelnen Produktionsschritt optimiert und das Produkt so angepasst» hat. Er betont; «Die hervorragende Qualität der Rohlinge wurde während der Massenproduktion von mehr als 230 Tonnen dieses Hochleistungsmaterials beibehalten.»
Für Schott war dies der bisher größte Einzelauftrag in der Unternehmensgeschichte. Dazu Thomas Werner, Projektleiter bei Schott: «Für dieses Projekt haben wir die Serienproduktion von Hunderten von Zerodur-Spiegelsubstraten erfolgreich abgeschlossen, während wir normalerweise nur Einzelstücke herstellen.»
Nach dem Guss durchlaufen alle Segmente ein mehrstufiges, internationales Verfahren. Nach einer langsamen Abkühlungs- und Wärmebehandlungsphase wird die Oberfläche jedes Rohlings bei Schott durch ultrapräzises Schleifen geformt. Anschließend werden die Rohlinge an das französische Unternehmen Safran Reosc geliefert, wo jeder Rohling in eine sechseckige Form geschnitten und auf einer optischen Fläche mit einer Genauigkeit von 10 Nanometern poliert wird. Das bedeutet, dass die Oberflächenunregelmäßigkeiten des Spiegels weniger als ein Tausendstel der Breite eines menschlichen Haares betragen.
An der Arbeit an den M1-Segmentbaugruppen sind außerdem noch weitere Firmen beteiligt: das niederländische Unternehmen VDL ETG Projects BV, das die Segmentstützen herstellt; das deutsch-französische FAMES-Konsortium, das die 4.500 nanometergenauen Sensoren zur Überwachung der relativen Position jedes Segments entwickelt hat und deren Herstellung abschließt; das deutsche Unternehmen Physik Instrumente, das die 2.500 Stellmotoren entwickelt hat, die das Segment nanometergenau positionieren können, und das dänische Unternehmen DSV, das für den Transport der Segmente nach Chile zuständig ist.
Nach dem Polieren und Zusammenbau wird jedes M1-Segment über den Ozean zur technischen Einrichtung des ELT am Paranal-Observatorium der Eso in der Atacama-Wüste transportiert – eine 10.000 Kilometer lange Reise, die bereits über 70 M1-Segmente hinter sich haben. Am Paranal, nur wenige Kilometer von der Baustelle des ELT entfernt, wird jedes Segment mit einer reflektierenden Silberschicht überzogen und anschließend sorgfältig gelagert, bis die Hauptstruktur des Teleskops bereit ist, sie aufzunehmen.
Es ist geplant, dass das ELT als «das größte Auge am Himmel» der Eso noch in diesem Jahrzehnt in Betrieb genommen wird, um weitere Entdeckungen zu ermöglichen