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sábado, 15. marzo 2025
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Zeiten des Widerstands

Zwingli, der Reformator von Zürich – Teil 2

Vor 500 Jahren wählte der Kirchenrat Huldrych Zwingli zum neuen Leutpriester des Großmünsters von Zürich. Am 1. Januar 1519 hielt er dort seine erste Messe.

Der Schweizer Pfarrer Huldrych Zwingli (1484 – 1531) wurde zum ersten Zürcher Reformator. Die zweiteilige Serie erzählt seine Geschichte.

Von Mateo Kubli

Wer sich an Luther erinnert, denkt vorerst an den 31. Oktober 1517 und an die 95 Thesen gegen den Ablass, der zündende Funke, der die Reformation ausgelöst hat. Auch in Zürich gab es ein markantes Ereignis, das die Gemüter der Bürger erregte. Am 9. März 1522, am ersten Sonntag der Fastenzeit, traf sich Pfarrer Huldrych Zwingli mit einigen Freunden und Bekannten im Haus des Buchdruckers Froschauer. Bei dieser Gelegenheit verspeisten zwölf Herren in Anspielung auf das letzte Abendmahl ohne die geringste Geheimnistuerei und Gewissensbisse einige Würste. 

Zwingli, der zwar die Wurst nicht anrührte, aber den eklatanten Fastenbruch billigte, wendete sich in Predigt und Flugblatt – bei Froschauer gedruckt – an die Zürcher: «Von allen menschlichen Geboten und Ordnungen sind die Christenmenschen freigestellt. Das Fastengebot ist solch eine menschliche, kirchliche Satzung. Und weil es keine göttliche Autorität, das heißt keine Autorität der Bibel hinter sich hat, muss man dem Fastengebot keine Folge leisten. Kurz und einfach gesagt: Willst du gerne fasten, dann tue es! Willst du dabei auf Fleisch verzichten, dann iss auch kein Fleisch. Lass mir aber dabei dem Christen die freie Wahl!»

Wider die Autorität der Kirche?

Freie Wahl? Wider die Autorität der Kirche? Wider die Gebote und Dogmen? Da schieden sich die Geister. Unter Zwinglis Weggefährten, die mit ihm das Evangelium studierten und diskutierten, gab es einige besonders eifrige, denen die Reformierung zu langsam ging. Sie lehnten nicht nur kirchliche Ordnungen, sondern auch Gesetze und Vorschriften der Regierung ab. Sie wollten so leben wie die christlichen Urgemeinden, ohne persönlichen Besitz, ohne Zäune und Schlösser an den Türen, aber auch ohne Obrigkeit, einig im Glauben und erleuchtet vom heiligen Geist. (Ihr Tun wurde von Gottfried Keller plastisch in seiner Novelle «Ursula» geschildert.)

Als Zeichen, um sich von den«lauen» Christen abzuheben, führten sie die Erwachsenentaufe ein. Damit hatten sie die kirchliche und politische Behörde gegen sich. Die Täufer,auch Wiedertäufer genannt, wurden geächtet, vertrieben und verfolgt. Zwingli wollte sich unter keinen Umständen gegen die Regierung stellen; die Kindertaufe war für ihn, obwohl nicht auf das Evangelium gründend, unabdingbar. Die Fronten verhärteten sich und es kam soweit, dass zwei Täufer, die nicht bereit waren zu widerrufen, mit Zwinglis Einwilligung in der Limmat ertränkt wurden.

Abendmahlsstreit

Landgraf Philipp der Großmütige sah mit Besorgnis, dass sich die beiden wichtigsten deutschsprachigen Reformatoren Luther und Zwingli in der Frage der Bedeutung des Abendmahls nicht einigen konnten, ja, sich gegenseitig schriftlich immer heftiger einer falschen «unchristlichen» Lehre bezeichneten. (Luther nannte den Zürcher Reformator einen Zwinglin, der die Schrift bezwingt.) Diese Auseinanderentwicklung schwächte die reformatorischen Bewegungen und stärkte anderseits die Zentralbestrebungen des Papstes und des Kaisers.

Deshalb lud der Landgraf die beiden Reformatoren zu einer Theologiekonferenz in Marburg ein. Dort standen sie sich vom 1. bis 4. Oktober 1529 das einzige Mal Auge in Auge gegenüber. Obwohl Luther Zwinglis Zürichdeutsch als schlecht verständlich bemängelte, konnte man sich in allen theologischen Fragen einigen, nur Sinn und Wesen des Abendmahls blieben unbefriedet auf dem Tisch liegen. Die Tatsache, dass das letzte Mahl, das Jesus mit seinen Jüngern teilte, in dem er durch die Gabe von Brot und Wein einen neuen Bund mit den Menschen knüpfte, zu einem grundsätzlichen theologischen Streit führte, ist für Nicht-Theologen schwer verständlich, sogar widersinnig und weckt heute, also 500 Jahre später und ganz leise, den Wunsch nach einer neuen Reformation.      

Zwinglis Tod

Die reformatorische Bewegung machte Zürich stark und reich und breitete sich nach den Städten Bern, Basel und Schaffhausen aus. Doch die ländlichen, innereidgenössischen Orte blieben dem alten Glauben und den alten Sitten treu. Anstatt von Handel und Gewerbe lebten sie vorwiegend von der Landwirtschaft, die bei wachsender Bevölkerung nicht alle Menschen ernähren konnte. Um der Armut und dem Hunger zu entgehen, waren die Bauern auf das Söldnerwesen angewiesen. Viele ihrer Söhne verdienten als begehrte Reisläufer in fremden Kriegsdiensten nicht nur ihren Unterhalt, sondern brachten auch den Gemeinden Einkünfte.

Vor der Wasserkirche in Zürich steht Zwinglis Denkmal, in der Rechten die Bibel, in der Linken das Schwert.

Diese politisch und religiös traditionelle Einstellung war Zwingli ein Dorn im Auge. Er wollte auch die ländliche Eidgenossenschaft zum modernen reformierten Leben führen – wenn nötig mit Gewalt – und brachte die Zürcher Regierung dazu, im Falle der Unnachgiebigkeit des Gegners einen Kampf nicht auszuschließen. Der erste «Kappeler Krieg», Juni 1529, kam gar nicht zustande. Zürcher und Innerschweizer standen sich gegenüber, aber da die Verhandlungen lange dauerten und alle Hunger bekamen, wurde eine Suppe gekocht und gemeinsam verspeist.  

Doch der Friede dauerte nur zwei Jahre. Die Zürcher Regierung verhängte eine Korn- und Lebensmittelsperre in Richtung Vierwaldstätten. Dies ließen sich die Innerschweizer nicht gefallen und rüsteten zum Krieg. Am 11. Oktober 1531, wieder bei Kappel, kam es nun tatsächlich zum Kampf. Ganz unerwartet zeigte sich die Truppe der alten Eidgenossen als  stärker und besser organisiert, der erhoffte Beistand aus Bern blieb aus – die (vernünftigeren) Berner wollten keinen Bruderkrieg aus Glaubensgründen – und die Zürcher erlitten eine vernichtende Niederlage. Zwingli wurde verletzt und gefangen genommen. Höhnisch wurde er zur Beichte aufgefordert, bevor man ihn köpfte. Der Hass gegen den Zürcher Reformator war so groß, dass man seine Leiche vierteilte, verbrannte und die Asche in alle Winde zerstreute.

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