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viernes, 19. abril 2024
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Zwingli, der Reformator von Zürich

Vor 500 Jahren trat er seinen Dienst im Großmünster an – Teil 1

Zwingli
Der Schweizer Reformator Huldrych Zwingli (auch Huldreych, Huldreich und Ulrich Zwingli). Porträt von Hans Asper, etwa 1531

Der Schweizer Pfarrer Huldrych Zwingli (1484 – 1531) wurde zum ersten Zürcher Reformator. Die zweiteilige Serie erzählt seine Geschichte.

Von Mateo Kubli

Vor 500 Jahren, am 1. Januar 1519, war das Großmünster in Zürich trotz der beißenden Kälte voll besetzt: man wollte den neu gewählten Leutpriester hören und kennen lernen. Er heiße Zwingli, wurde gemunkelt, sei aus dem Toggenburg und habe zehn Jahre in Glarus als Pfarrer gearbeitet, sehr beliebt bei den Leuten, aber am Schluss habe es Unstimmigkeiten mit den Behörden gegeben. Warum wusste niemand so ganz genau.

Niemand? Doch, die Ratsherren wussten es. Der Kirchenrat hatte Zwingli im Dezember 1518 zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Der redegewandte und selbstsicher wirkende Kandidat gefiel, vor allem beeindruckte, dass er zweimal die Glarner Söldner in Kriegsdiensten als Feldprediger begleitet hatte. Warum er Glarus verlassen habe, wollte ein Ratsherr wissen. Heikle Frage, Zwingli überlegte sich die Antwort gut. Die Glarner seien immer papsttreu gewesen und hätten ihre Soldaten an dessen Heer verkauft. Doch auf einmal habe die Stimmung umgeschlagen, die Mehrheit wollte vom Papst nichts mehr wissen, vermutlich, weil der französische König besser bezahlte. Das habe er, Huldrych Zwingli, als Priester dem Papst unterstellt, nicht geschluckt und sei gegangen.

Der Kirchenrat wählte Huldrych Zwingli einstimmig und beauftragte ihn, am 1. Januar 1519 die Messe im Großmünster zu zelebrieren. Zwingli freute sich – der erste Gottesdienst in Zürich fiel auf seinen 35. Geburtstag.

Der schwarze Tod

Der neue Leutpriester wird seinem Titel gerecht, er geht unter die Leute, spricht nicht nur mit den hohen Herren der Stadt, sondern auch mit Handwerkern und Kaufleuten, Männer und Frauen aus dem Volk. Wir haben einen guten Pfarrer, heißt es, er versteht uns.

Im Sommer, ein halbes Jahr später, urplötzlich, wie ein Blitz aus heiterhellem Himmel ist sie da, die schreckliche, gnadenlos und blind zuschlagende Pest. Wer fliehen kann, verlässt die Stadt – der Leutpriester muss bleiben, Kranke und Sterbende besuchen und Hinterbliebene trösten. Tapfer und zuversichtlich erfüllt Zwingli seine Aufgabe, bis zum Moment, als es ihn selber erwischt. Zuerst ist es nur ein schwaches Frösteln, wächst jedoch in kürzester Zeit zu hohem Fieber, wirft ihn ins Bett. Der Tod steht an der Tür. Kyrie eleison.

«Gott wollte nicht, dass ich sterbe. Er hat mir ein neues Leben geschenkt, damit ich meine Aufgabe erfüllen kann, Ihm zu Diensten.» So hat Zwingli seine lebensgefährliche Krankheit und anschließende langwierige Genesung empfunden und gedeutet. Er hat die Gnade Gottes am eigenen Leib erfahren.

Vom Priester zum Reformator

Bevor Zwingli in Zürich angestellt wurde, arbeitete er drei Jahre lang als Priester in Einsiedeln und lebte wie ein Mönch im Kloster. Es war ein Innehalten, ein Zurücktreten nach den bewegten Jahren in Glarus. Zwingli fand Zeit nachzudenken und seine Erinnerungsbilder zu ordnen. Viele Stunden verbrachte er in der Bibliothek des Klosters; Zeugnis davon geben uns seine Randbemerkungen in einigen Büchern und sein reger Briefwechsel. Was heißt es, ein freier Christ zu sein? Wie sollen die Christen ihr Leben gestalten? Wie kann das Evangelium in den Alltag einfließen? Was kann die Kirche besser machen?

Im Unterschied zu Luther, der sich in schweren Anfechtungen mit der Frage quälte, wie er vor Gott gerecht bestehen könne, ging es Zwingli nicht um seine Person, sondern um den Aufbau einer gerechten christlichen Gemeinde in Stadt und Land und um den praktischen Beitrag, den Kirche und Staat dazu leisten konnte. Himmlische versus irdische Gerechtigkeit. Dazu drei Beispiele, die in Zürich zum Zug kamen:

– Die Erinnerung an die Schlachten von Marignano und Novarro, in denen Eidgenossen gegen Eidgenossen kämpften, beschäftigten Zwingli und machten ihn später zum entschiedenen Kämpfer gegen das Söldnerwesen. Wie ist es möglich, dass wir für Geld unsere jungen Männer im Krieg fremder Mächte verbluten lassen?

– Zwingli weiß aus Erfahrung um die schwer bezwingbare Macht des Geschlechtstriebs. In der Ehe wird er gezügelt und findet moralisch gerechtfertigte Befriedigung. Kirche und Staat helfen mit in Predigt und Gesetzen (Ehegerichtsbarkeit), aber auch mit Strafen, Familie und Ehe zu schützen und Ausschweifungen zu verhindern. 

– In einem Schreiben an den Bischoff von Konstanz setzt sich Zwingli für die Abschaffung des Zölibats der Geistlichen ein. (Der Zürcher Reformator heiratete 1524 die Witwe Anna Reinhart. Sie hatte ihn nach seiner Pest-Erkrankung gepflegt und lebte mit ihm zwei Jahre in geheimer Ehe zusammen.)

Konzept eines christlichen Lebens

Zwingli hatte jetzt das Konzept eines christlichen Lebens im Kopf, doch er schritt vorsichtig zur Tat, wollte – vorerst – Streit vermeiden und vor allem Neuerungen nur mit der Einwilligung der politischen Obrigkeit in Gang setzen. Wie schon in Einsiedeln brach er mit der Tradition der vorgeschriebenen Sonntagslesungen (Perikopenordnung) und legte fortlaufend ganze biblische Bücher aus. Auch beanstandete er, was ihm in seinen Augen «unbiblisch» erschien. Er stellte sich eine nüchterne Kirche vor, ohne Schmuck und Bilder, auch ohne Orgel und Musik. Verehrung von Heiligen und deren Reliquien fördere den Aberglauben. Im Zentrum des Gottesdienstes sollte die biblische Lesung und ihre Auslegung stehen, alles auf Deutsch, klar und verständlich.

Nach den zwei ausführlichen Zürcher-Disputationen, in denen der Reformator und katholische Geistliche zu Wort kamen, schaffte der Zürcher Regierungsrat kurzerhand die katholische heilige Messe ab und ersetzte sie durch einen nüchternen Wortgottesdienst. Mit revolutionärer Kraft wurden die Bilder aus den Kirchen entfernt, Klöster aufgehoben, säkularisiert und ihr Besitz verstaatlicht. Die Anweisung des erzürnten Papstes, Zwingli das Priesteramt zu entziehen, missachteten die selbstbewussten Ratsherren.

Sein berühmtes Wort: «Christ sein heißt nicht nur von Christus schwätzen, sondern ein Leben zu führen, wie Christus geführt ha», war Zwinglis Leitlinie, die er nicht nur in Zürich, sondern in der ganzen Eidgenossenschaft verwirklichen wollte. Dieser Wunsch und Wille wurde ihm zum Verhängnis.

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