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domingo, 26. enero 2025
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Weihnachten – Gott wird Mensch!

Von Pastor Kurt Gysel

Foto: José Cobo

Er, der das Wort ist, wurde ein Mensch von Fleisch und Blut und lebte unter uns]. Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit, wie nur er als der einzige Sohn sie besitzt, er, der vom Vater kommt. Johannes 1,14

Während unserer Europareise sind wir von Jegenstorf aus, wo ich zur Schule gegangen bin, über Felder und durch Wälder nach Iffwil spaziert, wo ich einen Großteil meiner Jugend verbracht habe. Mein Blick fiel auf die Straße, auf der wir Kinder auf dem Fahrrad zur Schule und zurück nach Hause gefahren sind. Am frühen Morgen um 6.45 Uhr häufig unter Zeitdruck in rasendem Tempo, zurück nach Hause leicht bergauf, manchmal sehr gemütlich, andere Male jedoch vom Ehrgeiz gepackt, einen neuen Streckenrekord aufzustellen, mit rasendem Herzschlag und unter Aufwand aller Kräfte! 

Beim Anblick dieser mir so vertrauten Strecke dachte ich: «Wie hat sich der Blick auf mein Leben damals und heute verändert! Vor Jahrzehnten hatte ich es vor mir. Wie werden die kommenden Jahre? Ein Schleier lag über der Zukunft Nun schaue ich zurück!» An viele Ereignisse und Erlebnisse erinnerte ich mich, zum Beispiel an die Weihnachtsfeiern: Wir wohnten in einem geräumigen Haus; im Erdgeschoss befand sich ein großer Versammlungssaal, in dem Gottesdienst gefeiert wurde. Dort hielten meine Eltern auch Sonntagsschule. In dem kleinen Dorf war es fast selbstverständlich, dass die Kinder sich am Sonntagmorgen um neun Uhr zum Kindergottesdienst auf den Weg begaben. 

Für Weihnachten bereiteten sie alle ein Krippenspiel vor, mit Liedern und Blockflöten. Das Einüben und Einstudieren sowohl des Krippenspiels als auch des musikalischen Teils lag in den Händen meines Vaters. Der Gottesdienst selbst, einige Tage vor Heiligabend, war ein Dorfereignis. Die große Weihnachtstanne, wunderbar geschmückt, wurde bestaunt, der Saal war brechend voll. Wir Kinder waren aufgeregt. Bis heute erinnere ich mich an das Lied, das wir «Heiligen drei Könige» bei unserem Auftritt vorsingen durften: «Wir sind die heiligen drei Könige genannt und kommen daher aus dem Morgenland…». Zum Schluss erhielt jedes Kind ein schlichtes Weihnachtsgeschenk. 

An Heiligabend feierten wir mit der Familie. Unser Vater war sehr musikalisch und begleitete unser gemeinsames Singen auf dem Klavier. Jedes Jahr wählte er eine passende Weihnachtserzählung aus, die er uns vorlas. Die bekannte Weihnachtsgeschichte durfte nie fehlen! Erst dann wurden die Geschenke geöffnet. Einige Geschenke habe ich bis heute gegenwärtig: Mein erstes Schweizer Taschenmesser, eine Schachtel herrlich mundender Pralinés, ich spüre jetzt noch den Geschmack, wenn sie auf der Zunge vergingen. Aber all das ist Vergangenheit! 

So wie sich meine Perspektive auf das Leben damals und heute verändert hat, so habe ich ein anderes Verständnis von Weihnachten. Zwischen damals und heute liegen viele, viele Weihnachtsfeiern, die ich in Santiago mitgestaltet habe. Beim Vorbereiten der Predigten war ich herausgefordert, intensiv über Weihnachten nachzudenken: Wie kann ich den Gottesdienstbesuchern, die jeweils am Heiligabend sowohl die Erlöser- als auch die Pauluskirche bis zum allerletzten Platz füllten, das Geschehen von Weihnachten nahebringen? Welche Worte, welche Beispiele verwende ich, die sich einprägen und Spuren hinterlassen und Glauben wecken oder stärken?

Einige Stichworte habe ich gegenwärtig: In den Weihnachtsabschnitten der Evangelien ist «sehen» ein zentraler Ausdruck. So gestaltete ich eine Predigt zum Thema «Richtig sehen!». Einmal predigte ich über vertraute Weihnachtslieder. In einem anderen Jahr verglich ich die Rettungsaktion Gottes durch Jesus mit einer Bergrettungsaktion. Wenn ich am Heiligabendgottesdienst in der Erlöserkirche predigte, griff ich den Hauptgedanken des Krippenspiels auf, das Birgit während vieler Jahre mit den Kindern eingeübt hatte. Im Laufe der vierzig Jahre versuchte ich, mich mehr und mehr auf einen Hauptgedanken zu konzentrieren.

Das unfassbare Wunder, dass Jesus, der Sohn Gottes, Mensch wird, kann man jedes Jahr unter einem anderen Aspekt betrachten. Aber das Wesentliche bleibt gleich: Gott lässt unsere Welt nicht achtlos links liegen. Keiner von uns, auch nicht einer, ist ihm gleichgültig! 

Gott tritt aus seiner für uns Menschen völlig unbegreiflichen und unfassbaren Welt heraus, hinein in unsere irdische Wirklichkeit, weil er sich für uns interessiert und weil er sich um uns kümmert. Indem er Mensch wird, klein und unscheinbar, ein Baby mit dem Namen Jesus, können wir erahnen, wer Gott ist.

Mehr noch: Jesus verlässt die Herrlichkeit Gottes, alles Schöne, alles Gute, alles Wundervolle, eben den Himmel, und wird Mensch und lebt dann über 30 Jahre auf dieser Welt. Dieses unscheinbare Geschehen vor mehr als 2.000 Jahren hat die gesamte Welt so beeinflusst wie kein zweites: Gott wird Mensch! Zivilisationen, Kulturen, Nationen und Völker sind dadurch geprägt worden. Einzelne Menschen, Ehen und Familien haben mit Jesus einen Neuanfang gewagt und haben neue, segensreiche Wege des Zusammenlebens gefunden. In Jesus hat Gott uns seinen Rettungsring zugeworfen!

Wie schön ist es, miteinander als Gemeinde und als Familie Weihnachten zu feiern! Aber wichtiger ist es allemal, seinen Alltag vom Weihnachtsgeschehen her zu gestalten, also von der Liebe Gottes, vom Vertrauen auf Jesus und von der Hoffnung, die der Heilige Geist schenkt.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen frohe und gesegnete Weihnachten!

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