Mit Hilfe innovativer Technologie überzeugt der nachhaltige und klimafreundliche Baustoff Holz erneut
Holz feiert derzeit sein weltweites Comeback als Baustoff in den Städten. Es ist umweltfreundlich, spart CO2-Emmissionen, sorgt für ein angenehmes Raumklima und ist von den Baukosten her konkurrenzfähig mit Betonkonstruktionen. Der neueste Trend: Holzgebäude schießen sogar in die Höhe.
Von Petra Wilken
Das höchste Holzhochhaus der Welt wird derzeit in Wien gebaut: Mit 24 Stockwerken wird es 84 Meter Höhe erreichen, es hat knapp 20.000 Quadratmeter Gewerbefläche, unter anderem werden ein Hotel und ein Restaurant einziehen. Im Frühjahr 2019 soll es bezugsfertig sein. Seinen Rekord wird «HoHo» jedoch nicht lange halten, denn unter Architekten und Bauherren ist es derzeit in, um das höchste Holzgebäude zu konkurrieren. Unter der Devise hoch, höher, am höchsten sollen die Grenzen des Holzbaus herausgefordert werden: In Chicago ist der River Beech Tower mit 242 Metern in Planung, in London der Oakwood Tower (300 Meter), und Japan will bis 2041 den Plyscraper W350 in 350 Meter Höhe schießen lassen.
Wenn auch weit entfernt von diesen Superlativen, geht auch Deutschland diesem Trend nach: In Heilbronn baut Züblin Timber in Holzhybridbauweise das zehngeschossige und 34 Meter hohe SKAIO, das zur Bundesgartenschau 2019 eingeweiht werden soll. 2021 wird ihm jedoch die Hamburger Hafencity den Rang ablaufen. Bis dahin soll dort die «Wildspitze» mit 64 Meter Höhe und 18 Stockwerken fertig sein. Auftraggeber ist die Deutsche Wildtierstiftung. Die Bauart in Hamburg und Heilbronn ist vergleichbar: Nur die Treppenhauskerne werden aus Beton gefertigt, tragende Bauteile und die Gebäudehülle sind aus Nadelholz.
Umweltfreundliche Lösungen
Doch nicht nur Hochhäuser aus Holz sind derzeit in den Schlagzeilen in Deutschland. Auch beim niedriggeschossigen Objektbau wie Bürogebäude, Schulen und Kindergärten oder beim Wohnungsbau setzen immer mehr Architekten auf umweltfreundliche Lösungen, bei denen Holz eingesetzt wird. Gerade im Fertigbau setzt es sich derzeit als konkurrenzfähige und nachhaltige Alternative durch. Die Konstruktion in Fertigbauweise und in der Kombination mit herkömmlichen Baumaterialien wie Stahlbeton gilt als innovative und effiziente Lösung. Laut dem Bundesverband Deutscher Fertigbau e.V. erfüllt sie außerdem die gestiegenen Anforderungen an Dämmung und werde der Einbindung technischer Gebäudeausrüstung bestens gerecht.
Das weitere Plus: Holz erfüllt auch ästhetische Ansprüche. Doch es sieht nicht nur schön aus, sondern ist auch ein leichterer Baustoff als Beton und Stahl, wodurch schon die Transportkosten verringert werden. Seine C02-Bilanz fällt positiv aus. So haben die Bauherren für das Wiener «HoHo» eine Einsparung von 300.000 Megawattstunden Primärenergie im Vergleich zu einer konventionellen Fertigung ausgerechnet.
Ein nachwachsender Rohstoff
Mit der erfreulichen Emissionsbilanz wirbt auch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald für den Bau mit Holz: Der nachwachsende Rohstoff binde während der Lebensdauer des Gebäudes das Treibhausgas Kohlendioxid. So könne durch die Verwendung von Holz anstelle von Stahlbeton der Kohlenstoff-Fußabdruck von Gebäuden um 60 bis 75 Prozent niedriger ausfallen. Das liegt daran, dass Holz CO2 auch dann noch bindet, wenn es als Baustoff verarbeitet wurde. Die Klimabilanz wird zusätzlich verbessert, wenn für jeden gefällten Baum ein neuer gepflanzt wird, der der Luft wiederum Kohlendioxid entzieht. Es brauche sich auch niemand um die Zerstörung von Wäldern Sorgen zu machen. Die Menge an Holz, die für den Bau des «HoHo» notwendig war, soll nach Angaben der Bauherren in etwas mehr als einer Stunde in den österreichischen Wäldern wieder nachgewachsen sein.
Selbst der Brandschutz sei wider allen Annahmen kein Problem. Brenne ein Bauteil, so bilde Holz eine schützende Kohleschicht, die ein weiteres Abrennen verhindere. Umfangreiche Grundlagenuntersuchungen hätten es geschafft, die Bedenken von Bauaufsicht und Feuerwehr auszuräumen, so die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA). Auch die Fraunhofer Gesellschaft arbeitet mit ihrem Institut WKI in Braunschweig eng mit der Industrie zusammen an der Weiterentwicklung von Holz als nachhaltigen Schlüsselwerkstoff an Themen wie statisch-konstruktive Eigenschaften oder bauphysikalische Effekte.
Der Baustoff, der in Europa am häufigsten verwendet wird, heißt Cross Laminated Tinder (CLT), zu Deutsch Kreuzlagenholz. Es ist ein Massivholz-Bauprodukt, das aus mindestens drei Lagen kreuzweise verklebter Einschichtplatten hergestellt wird und sich ebenso für Innen- wie für Außenwände sowie Decken und Dächer eignet. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es Fertigungswerke, die CLT aus ansprechend aussehender Kiefer, Tanne, Lärche oder Zirbe herstellen. Sie liefern exakt zugeschnittene Teile in unterschiedlicher Plattenstärke direkt an die Baustelle, wo sie nur noch montiert werden müssen.
Tendenzen im Forstland Chile
Der hiesige Holzverband Corma würde sich auch für das Forstland Chile ein CLT-Fertigungswerk wünschen. Eine derartige Firmengründung oder ausländische Investition ist jedoch bislang nicht geglückt. Diese Marktnische hat nun der Unternehmer Alejandro Leyton besetzt. Mit der Gründung der Firma Kaisulwood hat er sich die Nutzung von CLT vorgenommen. Der chilenische Bauingenieur hat von 1990 bis 1994 Aufbaustudien in Heidelberg absolviert. Nebenbei designte er Spielzeug aus den chilenischen Edelhölzern Roble, Raulí, Coigüe und Alerce für den deutschen Markt.
Anschließend arbeitete Leyton auf Ölpattformen in Brasilien, die mit Bauteilen aus Deutschland konstruiert wurden. «Die aus Deutschland gelieferten Teile passten immer alle haargenau», erzählt der Unternehmer über seine Zeit auf den Ölplattformen. Diese Erfahrung überträgt er nun auf das Geschäftsmodell von Kaisulwood: Es sieht vor, in Deutschland, Österreich oder der Schweiz hergestellte CLT-Bauteile nach Chile liefern zu lassen. «Wir entwerfen die Häuser hier, und die Bauteile kommen aus Europa», erklärt Leyton. Bei den Objekten sieht er keine Grenzen. Gebaut werden könnten Einfamilienhäuser genauso wie Wohngebäude, Schulen, Brücken oder Lagerhallen.
In einem Prototyp hat Leyton Energieeffizienz, Klima- und Ressourcenschutz vereint: Es ist eine gläserne Pyramide mit einer Struktur aus Kreuzlagenholz. Die Scheiben sind mit Fotovoltaik-Zellen besetzt, die das Haus mit Strom versorgen. Es ist ein Passivhaus, das keine Energie zukaufen muss. Selbst die Toilettenspülung ist ökologisch und funktioniert mit Brauchwasser.
Die zukünftigen Markterfahrungen von Kaisulwood sind auch interessant für Fraunhofer in Chile. So hat Fraunhofer Chile Research kürzlich ein Abkommen über die Erforschung und Entwicklung von Holzkonstruktionen mit Leyton abgeschlossen. Zukunftsmusik vielleicht auch für die chilenische Forstindustrie, die immerhin zu den bedeutendsten Wirtschaftszweigen des Landes zählt. Während hierzulande nur 18 Prozent aller Wohngebäude aus Holz gebaut werden, liegt der Anteil in anderen waldreichen Ländern wie Kanada oder den USA bei rund 90 Prozent.