«Sprache ist wie wir, verrückt, verspielt, überraschend, schön»
Roland Kaehlbrandt hat den Nerv der Zeit getroffen: Sein Buch «Deutsch – eine Liebeserklärung. Die zehn großen Vorzüge unserer erstaunlichen Sprache» wurde bereits in der neunten Auflage gedruckt, wurden bisher 37.000 Exemplare verkauft und rund 120 Rezensionen in den deutschen Medien veröffentlicht. Warum ihn dieses Thema fasziniert, erklärt der Linguist im Cóndor-Interview.
Die deutsche Sprache spielte in Kaehlbrandts Leben von Kind an eine wichtige Rolle: «Meine deutschen Vorfahren sind vor rund 300 Jahren ins Baltikum ausgewandert. Es waren auch evangelisch-lutherische Pastoren dabei und bis heute heißt dort eine Kirche «Kaehlbrandt-Kirche».» Es sei üblich gewesen, dass die jungen Frauen der Familie Reisen ins Ausland unternahmen, um sich weiterzubilden. «Einige lernten dort ihre späteren Ehemänner kennen, sodass eine Reihe meiner Verwandten in verschiedenen Ländern der Welt zerstreut sind.» Bei Familienfeiern habe aber immer eine Gemeinsamkeit bestanden: «Die Kernsprache bei den Treffen war Deutsch, das verstanden alle und das verbindet uns.»
Gleichzeitig fiel ihm auf, dass sich seine Verwandten untereinander in unterschiedlichen Sprachen unterhielten wie Französisch, Italienisch oder Englisch. Das habe ihn unter anderem dazu bewogen, Linguistik und romanische Philologie zu studieren und Sprachwissenschaftler zu werden. Ein Jahr studierte er an der Universität Sorbonne in Paris. Später unterrichtete er fünf Jahre lang an der Sorbonne und leitete das Deutsche Haus in der Cité universitaire.
«Französisch hat für die Franzosen einen ganz hohen Stellenwert und sorgt insofern für einen Zusammenhalt und eine gemeinsame Identität», stellte Kaehlbrandt fest. In Frankreich herrschen ein ausgeprägtes Sprachbewusstsein und die Einstellung: «Die Sprache ist größer als wir.»
Roland Kaehlbrandt ist in Köln aufgewachsen, was auch sein Interesse an Sprachen geprägt hat: «Die Kölner sind sehr sprachverliebt.» Witz und Situationskomik finde man im Kölsch, einer Mundart, die ihn als aktiven Musiker selbst zum Songtexten für Bands seiner Heimatstadt inspirierte.
Es sind aber vor allem die auf der ganzen Welt verbreiteten Vorurteile, dass Deutsch eine schwierige, schwerfällige und harte Sprache sei, die ihn dazu bewogen, eine «Liebeserklärung» an das Deutsche zu verfassen. «Es ging mir darum, die Vorzüge der deutschen Sprache zu zeigen wie die leichte Wortbildung und den elastischen Satzbau.» Kaehlbrandt hat sich dafür auch mit der Umgangssprache beschäftigt. «Sie kann ausdrucksstark und einfühlsam sein, aber auch schnell und witzig.» Wie Luther habe er «den Menschen aufs Maul geschaut, sei es in der S-Bahn oder in den Einkaufsstraßen». Besonders junge Leute bewiesen mit neuen Ausdrücken, dass «humorvolle Lässigkeit» und «spontanes Geschwindigkeitsdeutsch» möglich seien: «Als ob!» statt: «Als ob ich so etwas tun würde!» Das sei vielleicht nicht immer schön, wohl aber kurz und schnell.
Ihn selbst beglücken vor allem die direkten Rückmeldungen der Leser während der über 60 Lesungen im In- und Ausland, auch an deutschen Auslandsschulen: «Es ist ein Fest der Sprache! Es wird viel gelacht, und ich erfahre immer wieder, dass sich die Leserinnen und Leser in dem Buch wiedererkennen. Sprache ist wie wir, verrückt, verspielt, überraschend, schön… » Gerne lässt er die Teilnehmer aktiv werden, um die Bandbreite der Möglichkeiten des Deutschen aufzuzeigen: «Deutsch ist eine Lego-Sprache – das ist eine ihrer genialen Vorzüge: Wir können ganz leicht neue zusammengesetzte Wörter bilden.» Darum ist er der Meinung, dass Anglizismen mit etwas Kreativität in deutsche Wörter umgewandelt werden können: «Beim Ideensammeln wurde statt Public Viewing «Rudelschauen» bei Happy Hour «Gunst- oder Glückstunde» vorgeschlagen.»
Dieses Thema hat Roland Kaehlbrandt aber noch lange nicht losgelassen: «Mein nächstes Buch ist schon fast fertig und wird sich mit den Schönheiten der deutschen Sprache beschäftigen. Es wird das Vorurteil widerlegen, dass Deutsch unmelodisch und unschön ist.» Auf eine neue Entdeckungsreise durch weitere, bislang unentdeckte Seiten der deutschen Sprache darf man gespannt sein.+