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lunes, 9. septiembre 2024
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Neue Entwicklungen in der chilenischen Regelung zur Bekämpfung der Lichtverschmutzung

Lichtverschmutzung ist für viele ein ungewohnter Begriff. Was hat Licht denn mit Schmutz zu tun? Verständlich wird es, wenn man erklärt, dass Licht manchmal ungewollt ist.

Von Sebastíán Fingerhuth

Zur Person:

Sebastián Fingerhuth ist als Professor an der Escuela de Ingeniería Eléctrica und als Direktor am Centro Interdisciplinario de Ingeniería der Facultad de Ingeniería der Pontificia Universidad Católica de Valparaíso tätig. Er forscht im Bereich der Sensoren und Messinstrumente. Der Ingeniero Civil Electrico (Pontificia Universidad Católica de Chile) hatte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Deutschland, seine Dissertation geschrieben.

Es ist bekannt, dass Chile einen der besten und dunkelsten Himmel der Welt besitzt. Die trockenen, wolkenfreien Nächte und die relativ geringe Einwohnerdichte im Norden Chiles haben schon seit Jahrzehnten Astronomen angezogen. Heutzutage befinden sich einige der größten Teleskope der Welt in Chile, darunter Eso – Noirlab, Giant Magellan Telescope und Alma. Das ist auch der Hauptgrund, warum Chile schon seit über 25 Jahren Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung ergreift. Technisch wird oft von künstlichem Licht in der Nacht oder Artificial Light at Night (ALAN) gesprochen.
Andererseits ist wissenschaftlich erwiesen, dass Lichtverschmutzung negative Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und das Verhalten vieler Tiere hat. Wir sollten jedoch nicht davon ausgehen, dass sämtliches künstliches Licht unnötig und schädlich ist. Licht ist wichtig, aber im Allgemeinen beleuchten wir zu viel.

Regelungen in Chile

1998 erhielt Chile seine erste Regelung zur Lichtverschmutzung vom Wirtschaftsministerium (damals gab es noch kein Umweltministerium in Chile), welches die Lichtquellen, das heißt hauptsächlich Lampen für die Straßenbeleuchtung, regelte. Die Leuchten dürfen nur Licht nach unten strahlen und das Farbspektrum wird begrenzt. Was das Farbspektrum beinhaltet, erklären wir weiter unten. 

Nach 14 Jahren wurde die Regelung überarbeitet, diesmal vom Umweltministerium. Das Farbspektrum, insbesondere der Anteil an blauem Licht, und die Lichtintensität für die Straßenbeleuchtung wurden weiter begrenzt. Außerdem erhielten Bildschirme und Leuchttafeln in der Öffentlichkeit Begrenzungen. Beide Gesetze galten nur für die Regionen Antofagasta, Calama und Coquimbo.
Diese Regelung wurde in den letzten Jahren überarbeitet, da Gesetze in regelmäßigen Abständen revidiert werden müssen. Ein neues Gesetz wird im Oktober in Kraft treten, mit dem Kennzeichen DS1/2023 MMA; es enthält einige wichtige Änderungen. Erstens fügt das Gesetz der Astronomie zwei weitere Aspekte hinzu, die geschützt werden: die Gesundheit der Personen und die Biodiversität. Zweitens ist es für ganz Chile gültig. Außerdem wird der erlaubte Blauanteil im Licht weiter reduziert.


Lichtverschmutzung und Astronomie

Dass heutzutage in den Städten fast keine Sterne mehr sichtbar sind, ist bekannt; viele Menschen haben noch nie eine «sternklare Nacht» gesehen. Eine bekannte Anekdote erzählt, dass während eines massiven nächtlichen Blackouts in Los Angeles, USA, Personen in Panik geraten sind, weil ein heller Fleck am Himmel zu sehen war; doch es war nichts weiter als die Milchstraße.

Die Lichtverschmutzung beeinträchtigt auch die As-tronomie; wenn der Himmel zu hell ist, sind die Himmelskörper nicht mehr gut sichtbar. Kritisch ist es zum Beispiel, wenn Teleskope den Himmel knapp über dem Horizont erforschen, in Richtung einer Stadt in der Ferne, wie zum Beispiel von Tololo aus in Richtung Nordwesten, wo La Serena und Coquimbo liegen.


Farbspektrum und Farbtemperatur

Das Licht der Sonne wird als weiß bezeichnet, denn es hat keine Farbe, es ist neutral. Doch weißes Licht ist eigentlich aus allen Farben zusammengesetzt. Denken wir an das Licht, das auf ein Prisma fällt und sich in die verschiedenen sichtbaren Farben aufspaltet, die Farben des Regenbogens. Eine Lichtquelle kann unterschiedliche Anteile der verschiedenen Farben haben. Ganz einfach ist das bei farbigen Lichtern, wie bei den drei Farben einer Ampel. 

Crédito: Gráfica: DarkSky.org

Deutlich wird es aber auch bei den unterschiedlichen LED-Leuchten, die man kaufen kann. Die Farbtemperatur kann kaltweiß (Blanco Frío) oder warmweiß (Blanco Cálido) sein. Beide erzeugen weißes Licht, unterscheiden sich aber hauptsächlich durch die Menge blauen Lichts in dieser Mischung von Farben. 

Und nun zum Blauanteil im Licht. Blaues Licht hat die kürzeste Wellenlänge im sichtbaren Spektrum und wird daher stärker gestreut, was bedeutet, dass es in viele Richtungen zerstreut wird, wenn es auf Partikel in der Atmosphäre trifft; darum könnte man behaupten, es gilt als das «schmutzigste» Licht, weil es die Lichtverschmutzung besonders stark verstärkt. 

Vielen wird auch bekannt sein, dass man bei einem Bildschirm wie beim Computer, Smartphone oder Fernseher auch einen Nachtmodus einstellen kann, der den Blauanteil reduziert. Doch warum, ist nicht so bekannt. Die Sonne regelt normalerweise unseren Wach-Schlaf-Zyklus. Der Blauanteil im Sonnenlicht unterdrückt die Produktion von Melatonin, dem Hormon, das uns für den Schlaf vorbereitet. Abends, mit dem Sonnenuntergang, sind wir dann nicht mehr so hellwach. Künstliches Licht, vor allem kaltweißes Licht, verlängert den Tag, denn es unterdrückt weiterhin die Produktion von Melatonin und kann deshalb das gute Einschlafen beeinträchtigen. Andererseits ist dieses Licht (kaltweiß) das richtige Licht für Orte im Inneren, wo es kein Licht gibt, zum Beispiel am Arbeitsplatz.

Details zur neuen Regelung

Die neue Regelung, wie schon oben erwähnt, begrenzt sich nicht nur auf den Norden Chiles, sondern auf das gesamte Land. Reguliert werden hauptsächlich die Straßenlampen und Werbeflächen (Bildschirme). Bei den Lampen wird die Lichtstärke (intensidad luminosa) und der Blauanteil begrenzt und auch die Richtung, in die das Licht strahlt: nur nach unten und weder nach oben noch in die Horizontale. 

Dekorative Beleuchtung, Sporteinrichtungen und einige andere Fälle haben dann noch einige Abweichungen und Sonderregelungen. Für Werbeflächen, leuchtende Bildschirme oder die beleuchtet sind, wie Schilder, Plakate und anderes, gibt es auch Grenzen. Wichtig: Nachts, zwischen 0 Uhr und 7 Uhr, muss die Werbung komplett ausgeschaltet werden. Dies gilt auch für die dekorative Beleuchtung. 

Am 18. Oktober 2024 tritt das neue Gesetz in Kraft – stufenweise. Nämlich in Abhängigkeit davon, ob es sich um bestehende Lichtquellen handelt oder neue Projekte betrachtet werden.


Interdisziplinäre Forschung zum Thema Lichtverschmutzung

Die Lichtverschmutzung ist selbstverständlich auch ein Forschungsthema und es ist sehr interdisziplinär. Wissenschaftler, zum Beispiel aus den Bereichen der Medizin, Physik, Biologie, Astronomie sowie den Ingenieur- und Umweltwissenschaften, bearbeiten diese Themen. Es geht um Verhaltensänderungen bei Tieren, Einfluss auf die Gesundheit, neue Technologien in der Beleuchtungsbranche, Sicherheit und einiges mehr.

Das Forschungsteam um Sebastián Fingerhuth (rechts)
Crédito: 
Sebastián Fingerhuth / PUCV

An der Pontificia Universidad Católica de Valparaíso (PUCV) besteht seit über 50 Jahren ein photometrisches Labor, das seit vielen Jahren auch die Zertifizierung von Straßenlampen durchführt. Das heißt, Leuchten, die in Chile benutzt und verkauft werden, müssen gewisse Standards erfüllen, die im Labor verifiziert werden. Seit vier Jahren arbeitet das Labor auch mit einem zweiten Labor der Escuela de Ingeniería Eléctrica der PUCV, LabSens, das sich mit unterschiedlichen Fragestellungen und Projekten auseinandersetzt, die mit Messtechnik und Sensorik zu tun haben. 

Aktuell werden an der PUCV hauptsächlich zwei Themen bearbeitet. Erstens die Entwicklung von Messtechnik und Messprotokollen, um die Himmelshelligkeit in der Nacht zu erfassen, und zweitens der Vergleich von Alternativen und Methoden, um starke Lichtquellen von oben zu erkennen und zu lokalisieren. Um gute und begründete Entscheidungen treffen zu können, brauchen die Entscheidungsträger Daten und Informationen. Bis jetzt gibt es in Chile kein Netzwerk von Messgeräten und auch nicht in anderen Ländern. Einen ersten Schritt in die Richtung zum Aufbau mehrerer Messstationen hat die PUCV in den letzten zwei Jahren gemacht. Mit einem Team von Forschern, Ingenieuren und Studenten wurde eine erste Version eines Produkts entwickelt, das zur Messung der Himmelhelligkeit dient. Die Daten werden gesammelt, in diesem Fall die Gesamthelligkeit, aber auch der Blauanteil, vor Ort gespeichert und auch über das Mobilfunknetz an zentrale Server gesendet. 

Wissenschaftliche Instrumente und Geräte des Forschungsteams
Crédito: 
Sebastián Fingerhuth / PUCV

Ein weiteres Projekt läuft mit der Superintendencia del Medio Ambiente. Die Superintendencia ist die Aufsichtsbehörde und führt die Vor-Ort-Inspektionen durch. Das Projekt vergleicht Alternativen, um starke Lichtquellen «von oben» zu erkennen und zu lokalisieren; dies soll die Arbeit der Superintendencia fokussieren. Verglichen werden Kameras auf einer Drohne, Wetterballons und Hubschrauber. Forschungspartner in diesem Projekt ist die Universität Padua, Italien. In den nächsten Monaten werden wahrscheinlich weitere Projekte zum Thema Lichtverschmutzung mit internationalen Partnern entstehen.

Was ist eine Dark Sky Zertifizierung?

Ein anderer Aspekt, in dem es um Lichtverschmutzung geht, sind die Zertifizierungen als Sternenpark. Regionen, Naturschutzparks und Gebiete können offiziell als «geschützt» anerkannt werden, das heißt, es ist ein Ort, der besonders dunkel ist oder vor Lichtverschmutzung geschützt wird. So ein Ort bietet der Öffentlichkeit einen wundervollen dunklen Sternhimmel zum Betrachten.

In Chile gibt es viele Orte, die ganz natürlich dunkel sind, wie die Wüste im Norden. Doch in Europa ist es zum Beispiel nicht so einfach, einen prachtvollen Sternhimmel zu finden. Zwei Organisationen erteilen solche Auszeichnungen: DarkSky und die Fundación Starlight. Dabei werden verschiedene Kriterien berücksichtigt, die eingehalten werden müssen und beinhalten auch Arbeit mit den Behörden und der Bevölkerung.


Empfehlungen und mehr Informationen

Schön bei der Lichtverschmutzung ist, dass man sie ganz einfach reduzieren kann: Licht aus! Doch das ist nicht unbedingt nötig; ein paar andere Maßnahmen sind auch sehr effektiv. So sollten nur die Bereiche beleuchtet werden, die beleuchtet werden müssen, zum Beispiel Wege und vor allem nicht nach oben und in die Horizontale. Die Leistung reduzieren auf Werte, die «hell genug» sind, aber auch nicht mehr, ist ebenfalls eine einfache Empfehlung. Dazu, wie oben schon gesagt, sollte das Licht einen geringen Blauanteil haben.

Was steht diesen Empfehlungen im Weg? Vor allem das Unwissen, dass das Licht schädlich sein kann und das Thema Sicherheit; doch eindeutige wissenschaftliche Beweise zum Motto «mehr Licht – mehr Sicherheit» gibt es nicht..

Mehr Informationen, Erklärungen und Tipps findet man auf folgenden Seiten:

www.darksky.org/
www.fundacionstarlight.org/
www.luminica.mma.gob.cl/
www.cieloschile.cl/

Oder bei weiteren Fragen an die Pontificia Universidad Católica de Valparaíso wenden:

sebastian.fingerhuth@pucv.cl

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