Spezialausgabe – Exponor 2024
Neue Technologien und Chancen für Nischenanbieter
Zur Person:
Karl Jockel arbeitet seit vier Jahren als Unternehmensberater der chilenischen Firma Frontera-Partners.com im Bereich Bergbau. Der Ingenieur promovierte an der Universität Hannover und leitete zwölf Jahre lang den Bereich Einkauf und Verträge, das heißt die Beschaffung aller Güter und Dienstleistungen bei BHP Minera Escondida, der weltweit größten Kupfer-Mine, und Antofagasta Minerals, dem größten chilenischen privaten Bergbaukornzern. In dieser Position hat er den Einsatz neuer Methoden und Technologien im Kupferbergbau gefördert und mitgestaltet.
Für die Energiewende ist Kupfer einer der entscheidenden Rohstoffe. Gleichzeitig wird in der Branche immer stärker auf eine umweltfreundliche Produktion sowie sicherere und gesündere Arbeitsplätze geachtet. Karl Jockel beschreibt im Cóndor-Interview, wie sich in Chile der Kupferbergbau auf eine nachhaltige Herstellung umstellt und welche Chancen Unternehmen in dieser Branche haben.
Welche neuen Technologien führen zu einer nachhaltigeren Produktion in Chile, insbesondere was den CO2-Ausstoß angeht?
Eine nachhaltigere Kupferproduktion ist möglich durch die Umstellung auf erneuerbare elektrische Energien – statt Strom aus fossilen Brennstoffen. Heutzutage haben praktisch alle relevanten Bergbaubetriebe Energieverträge mit 100 Prozent erneuerbaren Energiequellen. Chile ist nun in der Lage, riesige Energiemengen mit Sonne und Wind herzustellen.
Weiterhin nutzt der Kupferbergbau vermehrt Meerwasser mittels moderner Entsalzungsanlagen. Neue Bergbauprojekte, die Brunnenwasser benötigen, werden kaum noch von den Behörden zugelassen.
Dennoch stammt heutzutage der weitaus größte Teil des CO2-Ausstoßes aus den dieselbetriebenen LKWs, die das Kupfererz und erzarme Erde über viele Kilometer transportieren. Insgesamt sind es im Bergbau circa 21.000 Terakalorien Diesel pro Jahr, mit dem entsprechenden CO2 Ausstoß. LKW-Hersteller arbeiten an Lösungen mit Erdgas, Batterien oder Wasserstoff und Derivaten. Die erforderlichen Herstellerkapazitäten, Infrastruktur und Logistik für Wasserstoff sind jedoch nicht vorhanden. Es könnte in Zukunft Sinn machen, Wasserstoff und Derivate mit erneuerbaren Energien direkt vor Ort während der Betriebsabläufe herzustellen, zu lagern und zu nutzen. Hier könnte eine CSP-Anlage (Concentrated Solar Power) Einsatz finden. Ein mögliches Geschäfstmodell könnte BOT (Build Operate Transfer) eines Investors oder Anlagenherstellers sein.
Auch gibt es Geräte auf den LKWs, die Wasserstoff produzieren, das in die Verbrennung zusammen mit dem Diesel eingeleitet wird. Dies spart etwas an Diesel, ist jedoch keine vollständige Lösung.
Welche Innovationen wurden im chilenischen Kupferbergbau in den letzten Jahren umgesetzt?
Eine Vielzahl der letzten Innovationen beziehen sich auf Digitalisierung beziehungsweise Internet of Things (IoT): Das heißt, es werden Sensoren an strategischen Stellen von Maschinen und Anlagen platziert, die Signale oft über WIFI sammeln und mittels fortgeschrittener Algorithmen bearbeiten. Dies schafft messbare Daten und Erkenntnisse, sodass eine verbesserte Zuverlässigkeit, Produktivität und Energieeffizienz der Anlagen und Prozesse erzielt werden.
Damit verbunden wird vermehrt versucht, die Steuerung von Maschinen und Anlagen durch Fernsteuerung auf Städte zu verlagern. Mittlerweile betreiben große Kupferkonzerne Steuerzentralen in Antofagasta oder Santiago für Maschinen und Anlagen, die hunderte oder sogar tausende von Kilometern entfernt arbeiten. Dies schafft höher qualifizierte Arbeitsplätze und eine verbesserte Lebensqualität der Mitarbeiter im Vergleich zum Leben und Arbeiten in den Abbaustätten selbst.
Selbstfahrende LKWs, die nicht ferngesteuert, sondern selbstgesteuert (autonom) sind, sind zwar nicht neu, aber ihr Einsatz hat weltweit zugenommen.
Wie kann trotzdem eine effiziente Herstellung erreicht werden?
Der Weg hin zu einer höheren Effizienz und Nachhaltigkeit ist unausweichlich für die Akzeptanz bei der Bevölkerung, dass der Bergbau für die Gesellschaft nötig und positiv ist. Die sich mit der Zeit verringernden Erzqualitäten erzwingen effizientere Prozesse und die dafür nötigen Technologien.
Weltweit gibt es einen sehr großen Markt kaufkräftiger Kunden im Bergbau für die Anbieter der richtigen Lösungsansätze. Die Suche nach besserer Zuverlässigkeit der Anlagen und Maschinen ist überall im Bergbau ein großes Thema für höhere Anlagennutzung und Produktivität. Nichtsdestotrotz haben große Kupferkonzerne Margen (EBITDA) von 30 bis 50 Prozent. Auch mit der heutigen Produktivität kann es ein sehr gutes Geschäft sein.
Was raten Sie ausländischen Unternehmern, die in Chile investieren wollen?
Unternehmen, die als Inhaber oder Teilhaber von Berg-baubetrieben in den Markt einsteigen, sollten auf jeden Fall die besonderen Charakteristika des Bergbaus an sich und spezifisch in Chile sehr gut kennen – mit den Chancen und Schwierigkeiten, die manch einen Betrieb in die roten Zahlen geführt haben. Für die richtige wirtschaftliche Bewertung einer Investition in einer Kupfermine benötigt man eine Reihe von Experten für mehrere Disziplinen. Jeder dieser Bereiche kann das Geschäft unwirtschaftlich machen, wenn die Sachlage dagegenspricht.
Um als Lieferant oder Auftragnehmer im Bergbau in Chile zu starten, empfiehlt es sich, Produkte oder Dienstleistungen anzubieten, die es in der Form in Chile nicht gibt. Das heißt, die besondere eigene Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zur Konkurrenz sollte klar sein und diese spezifischen Vorteile des eigenen Angebots sollten hervorgehoben und verkauft werden.
Chile ist jedoch der größte Cluster für Kupferbergbau auf der Welt. Es gibt wenige Güter oder Dienstleistungen, die es woanders im Bergbau gibt, aber noch nicht hier.
Haben auch kleinere und mittlere Betriebe (KMU, «Pyme») in dieser Branche eine Chance?
Kleinere und mittlere Betriebe können eine gute Chance in Nischenbereichen haben. Spezialisierung ist das Zauberwort. Deutsche KMU können technisch sehr stark sein. Wenn sie eine Lösung für ein bestimmtes Thema im Bergbau haben, können sie einerseits direkt an die Bergbauunternehmen herangehen. Empfehlenswert könnte jedoch sein, mit passenden bestehenden Auftragnehmern im Bergbau zu kooperieren, um so den Zugang zu den Kunden zu erleichtern und über die lokalen Ressourcen des Partners zu verfügen.
Kleine Unternehmen haben es oft nicht einfach, die Erfordernisse großer Bergbauunternehmen zu erfüllen. Es kostet Energie und finanzielle Mittel ohne die Garantie eines Auftrags eines Kunden. Bestehende Auftragnehmer kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden und können attraktive, passende Lösungsangebote auf die Beine stellen, zusammen mit den Technologieherstellern.
Die Fragen stellte Silvia Kählert.