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Thursday, 9. October 2025
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70 Jahre Dachverband der deutsch-argentinischen Vereinigungen 

«Wir sehen uns als Brücke»

En conversación con el Cóndor, Germán Lehrke, presidente de la Federación de Asociaciones Argentino-Germanas (FAAG), habla con motivo del 70.º aniversario sobre la historia y el futuro de la comunidad alemana en Argentina. Este año se celebra, además, el 200.º aniversario de la amistad entre Alemania y Argentina.

Germán Lehrke ist seit 2022 an der Spitze der FAAG. Der 72-jährige Maschinenbauingenieur ist in Argentinien aufgewachsen (zweite Generation).

Sehr geehrter Herr Lehrke, die FAAG, der Dachverband der deutsch-argentinischen Vereinigungen in Argentinien, kann in diesem Jahr auf ein 70-jähriges Bestehen zurückblicken. Was passiert im Jubiläumsjahr?

In diesem Jahr steht tatsächlich alles im Zeichen eines anderen Jubiläums: der 200-jährigen Freundschaft zwischen Deutschland und Argentinien. Die Idee dazu kam vom deutschen Botschafter Dieter Lamlé. Alle deutschen Vereine sind aufgerufen, anlässlich dieser zwei Jahrhunderte etwas zu machen. Die FAAG will am Tag der Deutschen Einheit auf der Plaza Alemania in Buenos Aires symbolisch einen Baum pflanzen: Die Wurzeln zeigen die Verankerung der deutschen Einwanderung mit dem argentinischen «Boden». Die Sprossen stehen für die treibende Kraft und Zukunftsgestaltung dieser Einwanderung. Die Botschaft hat eine Webseite eingerichtet, auf der die Veranstaltungen der verschiedenen Vereine in einem Kalender erfasst werden. Botschafter Lamlé bemüht sich, so oft wie möglich vor Ort mit dabei zu sein.

Was ist der historische Hintergrund?

Das Datum nimmt Bezug auf die ersten organisierten Einwanderungen aus dem deutschsprachigen Raum, die durch den späteren argentinischen Präsidenten Bernardino Rivadavia gefördert wurde.1825 machte sich eine erste Gruppe von 20 Personen auf den Weg. Es handelte sich dabei um Winzer aus dem Rheingau, die sich hauptsächlich südlich der Stadt Buenos Aires niederließen. Kurz danach unterzeichnete der Einwanderungsbeauftragte Carl Heine einen Kolonisationskontrakt mit 67 Familien, die aus Hessen und Württemberg stammten. Dabei geht die deutsche Geschichte im heutigen Argentinien sogar noch deutlich weiter zurück. Bereits im 16. Jahrhundert hinterließ der bayerische Landsknecht Utz Schmidl seine Spuren. Er gilt als erster Geschichtsschreiber am Río de la Plata. Später waren Händler und Jesuiten aus Deutschland hier.

Für sein langjähriges Engagement bei der FAAG erhielt Germán Lehrke (Vierter Stehender von links) in diesem Jahr das Bundesverdienstkreuz aus den Händen von Botschafter Dieter Lamlé (rechts neben Germán Lehrke). Der FAAG-Ehrenvorsitzende Rudolf Hepe (vorne, Mitte, im Rollstuhl) leitete viele Jahre den Dachverband.

Angesichts dieser Historie erscheint die Gründung der FAAG im Jahr 1955 relativ spät. Wie kam es dazu?

Die Sache ist geschichtlich so: Ende März 1945 erklärte Argentinien dem Deutschen Reich den Krieg. Daraufhin wurde das Eigentum der deutschen Vereine, Schulen oder auch Firmen konfisziert und ihnen die rechtliche Grundlage entzogen. Sie konnten nicht weiter agieren. Anfang der 1950er Jahre verbesserten sich die Beziehungen wieder. Präsident Juan Domingo Perón persönlich soll vorgeschlagen haben, dass die deutschen Vereinigungen einen Dachverband gründen, um ihre Rückgabeansprüche voranzutreiben. Trotz einiger Verzögerungen konnten viele Verhandlungen bis Mitte der 1960er Jahre erfolgreich abgeschlossen werden.

Die FAAG blieb aber über diesen Auftrag hinaus bestehen. Wie änderten sich ihre Aufgaben im Laufe der Zeit?

Es gab größere Projekte wie die Errichtung einer Utz-Schmidl-Statue in Buenos Aires, die Verzierung des deutschen Brunnens mit den Wappen der Bundesländer auf der Plaza Alemania oder die Organisation eines Denkmals des argentinischen Nationalhelden San Martín vor dem Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin.

Und heute?

Heute sehen wir uns vor allem als ein Netzwerk, als eine Art Brücke zwischen den beinahe 200 deutsch-argentinischen Schul-, Sport- und Kulturvereinen und -gruppen, von denen insgesamt 66 aktive Mitglieder bei uns sind. Wir führen ein Büro in Buenos Aires, um die Arbeit zu koordinieren. Wir haben aber auch Vertreter in verschiedenen Provinzen. Von Deutschland aus hilft uns die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland. Durch die Möglichkeiten der modernen Kommunikation können wir heute viel überregionaler agieren als früher. Einmal im Monat gibt es einen Newsletter, in dem über die Veranstaltungen der verschiedenen Vereine berichtet wird.

Wichtig sind aber auch persönliche Treffen und der damit verbundene direkte Erfahrungsaustausch. Inhaltlich wollen wir die jüngere Generation für Werte interessieren, für die das heutige Deutschland steht. Also Demokratie, Gleichberechtigung und den Geist des Grundgesetzes. Es geht um ein modernes Deutschlandbild, wobei aber die alten Bräuche nicht über Bord geworfen werden sollen. Man muss sehen: Die Einwanderung endete vor 60 Jahren. Aber da die Einstellung sehr konservativ ist, darf der Wandel nicht abrupt erfolgen. Es soll auch weiterhin Feste mit Sauerkraut und Bier geben – aus Traditions- und Kulturgründen, aber auch, da das zum wirtschaftlichen Erhalt der Vereine beiträgt.

Durch die Betonung der gemeinsamen Werte als vereinigendem Band tragen Sie auch dem Umstand Rechnung, dass die deutsche Sprache im Alltag an Bedeutung eingebüßt hat?

Ja, das wird mittlerweile immer weniger gesprochen. An den deutschen Schulen gibt es unter den Schülern kaum noch Muttersprachler. Auch bei uns in der FAAG finden die Vorstandssitzungen seit einigen Jahren nur noch auf Spanisch statt. Bei Veranstaltungen deutscher Vereine ergeben sich selten Situa-
tionen, wo man Deutsch spricht. Gleichwohl bemühen wir uns als FAAG, landesweit Deutschkurse zu fördern. Ein Problem ist hier der Mangel geeigneter Lehrerinnen und Lehrer. Aber es ist wichtig, junge Menschen an die deutsche Sprache und Kultur heranzuführen, auch wenn sie nicht deutscher Abstammung sein sollten. In vielen Vereinen erreicht man das – und später könnte diese Prägung ausschlaggebend für Entscheidungen zugunsten einer Kooperation mit deutschen Unternehmen oder Einrichtungen sein.

Wo sehen Sie Potenziale?

Also, wir öffnen uns heute landesweit und versuchen, an möglichst viele Vereine heranzukommen, damit diese sich bei uns integrieren. Ich selbst setze mich sehr dafür ein, die Wolgadeutschen stärker mit ins Boot zu holen. Sie sind zahlenmäßig die größte Gruppe der deutschen Einwanderung in Argentinien. Sie kamen Ende des 19. Jahrhunderts hierher, wurden jedoch lange Zeit nicht voll wahrgenommen. Aber ich sage: Wir sind alle deutscher Abstammung. Es gibt nur eine deutsche Kultur, die den gleichen Ursprung hat. Die Unterschiede sind dann eher kleine, sagen wir mal, Zusätze. Welche Begeisterung seitens der Wolgadeutschen besteht, konnte man zuletzt auch bei Besuchen des Botschafters erleben. Auch bei den Jungen, besonders unter den Wolgadeutschen, gibt es großes Interesse, die Sprache ihrer Vorfahren zu lernen.

Als letzte Frage: Gibt es Verbindungen zur deutschen Gemeinschaft in Chile?

Die deutsche Gemeinschaft in Chile ist sehr stark und vielleicht sogar noch älter als die in Argentinien. Verbindungen gibt es, aber sie sind persönlicher Art. Auf institutioneller Ebene fehlen sie leider. Das sollte man ändern.

Herr Lehrke, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Marcus Christoph, der 14 Jahre beim Argentinischen Tageblatt als Redakteur tätig war.

Fotos: privat

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