Unermüdlich im Dienst für Bildung und Glauben
Die Ursulinenschulen in Santiago trauern um Schwester Angela, die am 15. April verstorben ist. Ihr Leben widmete sie der Bewahrung der deutschen Kultur, Sprache und Traditionen. Die Schulgemeinschaften erinnern sich an sie als mutige, prinzipientreue Ordensfrau mit tiefer Verbundenheit zu ihren deutschen Wurzeln. In einem Nachruf würdigen sie das Leben dieser außergewöhnlich engagierten Pädagogin, die mehr als 60 Jahre in Deutschland und Chile die Bildung junger Menschen prägte und deren Arbeit nachhaltige Früchte trug.

Ursula Maria Gandner Schneider wurde am 10. Mai 1939 in Fremersdorf im Saarland geboren. Sie wuchs in einer kinderreichen Familie auf, als sechstes von sieben Geschwistern. Die Familie musste die Härten des Zweiten Weltkrieges überwinden.
Im Saarland, laut ihr «das schönste Bundesland Deutschlands», besuchte sie von 1945 bis 1953 die katholische Volksschule in Fremersdorf.
Ihre Grundschullehrerausbildung, mit dem Wahlfach Mathematik, erhielt sie am Lehrerseminar in Blieskastel im Saarland. Im Juli 1964 wurde sie dann zur Beamtin ernannt. Ab Oktober 1964 war sie in der katholischen Volksschule in Bietzen tätig, ein Stadtteil der saarländischen Stadt Merzig.
Im Jahre 1967 wurde sie als Erziehungsexpertin für die Grundschule, die heute als Bundesprogrammlehrkraft bekannt ist, an die Deutsche Ursulinenschule in Santiago entsandt. Vier Jahre blieb sie in Chile. Zurück in Deutschland lehrte sie acht Jahre an einer Schule in Hamburg.
Im Jahre 1978 besuchte sie wieder unser Land. Zwei Jahre später trat sie in das Ursulinenkloster in Maipú ein, denn sie hatte dort ihre wahre Berufung gefunden. Seitdem kennen wir sie als Sor Ángela oder Schwester Angela.
Der Ursulinenorden widmet sich seit mehr als 400 Jahren der Frauenerziehung und Frauenbildung. In Chile wurde das Kloster im Jahr 1938 gegründet, als die Ursulinen aus Berlin nach Chile kamen. Das Kloster und die Schule in Berlin genossen großes Ansehen, doch während der nationalsozialistischen Diktatur wurde ihre Tätigkeit zunehmend erschwert. Dies bewog die Ursulinen nach Südamerika auszuwandern. Die deutschen Ursulinenschwestern haben in Chile in zwei Stadtteilen Santiagos jeweils eine Schule gegründet: 1939 in Vitacura und 1962 in Maipú. Sie haben viel dazu beigetragen, nicht nur die deutsche Kultur unter den chilenischen Familien zu verbreiten, sondern auch durch ihre Schülerinnen, die chilenischen und deutschen Familien einander näher zu bringen und einen Wandel in der Gesellschaft zu bewirken.
Die engagierte Schulleiterin und Pädagogin
Ab 1978 gab Schwester Angela Unterricht als Grundschul- und Deutschlehrerin und war auch als Klassenlehrerin für verschiedene Jahrgänge tätig. Von 1995 bis 2013 übernahm sie die Schulleitung der beiden Deutschen Ursulinenschulen in Vitacura und Maipú. Sie war eine unermüdliche, konsequente und immer fröhliche «Mutter», die stets mit einem Lächeln voranging. In der Schulleitung hat sie es verstanden, die Schülerinnen auf ihrem Bildungsweg zu führen und zu begleiten. Sie begann jeden Tag mit einem strahlenden «Guten Morgen», als sie die Mädchen bei ihrer Ankunft in der Schule begrüßte und sie aufforderte, das Beste von sich zu geben.

Besonderen Wert legte sie auf die Förderung der deutschen Sprache, Kultur und Traditionen. In Deutschlandkunde lernten die Schülerinnen deutsche Geschichte und Geografie. Außerdem fanden regelmäßig Aufführungen in deutscher Sprache statt, und die Schülerinnen nahmen an Vorlesewettbewerben teil, später bei «Deutsch lebendig». Sie lasen deutsche Märchen und unterhielten sich auf Deutsch über aktuelle Themen.
In der Schule feiert man bis heute noch viele Feste «auf deutsche Art» wie zum Beispiel Ostern, mit dem Bemalen der Ostereier und einem Osterbaum sowie Weihnachten mit Adventskalender und deutschen Weihnachtsliedern wie «Ihr Kinderlein kommet» oder «Oh, Tannenbaum».
Der 3. Oktober, der Tag der Deutschen Einheit, fängt feierlich mit einem offiziellen Festakt an, mit dem Hissen der deutschen Flagge und dem Singen der deutschen Nationalhymne. In dieser «Deutschen Woche» wird eine Messe in deutscher Sprache gefeiert. Jede Klasse bereitet Gedichte, Aufführungen oder Tänze auf Deutsch vor und Schwester Angela ist bei allem immer dabei gewesen.
Besonderen Wert wird auch auf das Oktoberfest gelegt, eine schöne Kirmes, bei der unsere Kindergarten- und Grundschulkinder, gekleidet mit deutschen Trachten, Volkstänze für die Ursulinenfamilien vorführen.
Außerdem wird das Laternenfest gefeiert, ein abendliches Fest im Herbst verbunden mit der Geschichte von Sankt Martin. Unsere Vorschulkinder mit ihren Eltern und Lehrern ziehen mit selbstgebastelten Laternen durch die Schule.

Diese Traditionen wurden von Schwester Angela weitergeführt. Sie betonte stets, wie wichtig Traditionen sind, um das Zugehörigkeitsgefühl zur Schule und zu Deutschland zu stärken
Vermittlung der deutschen Kultur und Sprache
Man sah sie oft mit ihren Schülerinnen auf Deutsch sprechen und es gab jedes Mal eines der Bonbons, die sie in ihrer Tasche trug, nach einem Austausch von Grüßen und Neuigkeiten von der Familie. Sie begrüßte jede einzelne mit ihrem Namen, wusste genau Bescheid über ihr Schulleben und hat interessiert nach ihren Freunden, Eltern und Geschwistern gefragt, alles auf Deutsch.
Besonders dem Erhalt der deutschen Sprache maß sie große Bedeutung bei und förderte bis zu ihrem Lebensende das Deutsche Sprachdiplom in beiden Schulen. Sie nahm jedes Jahr an der Vorbereitung und Durchführung der Prüfungen teil und hat interessiert die Resultate mit der Deutschfachschaft besprochen. Ganz besonders erinnern sich alle Schülerinnen daran, wie sie am Tag der schriftlichen Prüfung mit ihrem Korb voller Super8-Schokoladenriegel vorbeikam und an alle verteilte.
Eine weitere Verbindung zur deutschen Kultur ist die Teilnahme unserer Schüler am Deutschen Sportabzeichen, eine Sportveranstaltung, die bis zur Corona-Pandemie jedes Jahr im Club Manquehue stattfand.
Oft war auf Initiative von Schwester Angela die Ursulinenschule Austragungsort von Sportwettbewerben in Volleyball, Leichtathletik und Kunstturnen, insbesondere von den Wettbewerben, die von den deutschen Schulen in Chile organisiert wurden.

Musik ist ebenfalls ein wesentlicher Teil des Schullebens: Deutsche Volkslieder lernen alle Schülerinnen der Ursulinenschulen im Musikunterricht. Doch vor allem vom Schulchor werden diese und auch deutsche Kirchenlieder bei besonderen Feiern gesungen.
Öfters wurden auch in den Schulpausen deutsche Volkslieder, begleitet vom Akkordeon, gesungen. Später gab es sogenannte Musikpausen, bei denen Gesang mit Musikinstrumenten begleitet wurde und sie waren sehr beliebt unter den Schülerinnen.
All diese Aktivitäten, an denen unsere Schulgemeinschaft teilnimmt, wurden immer mit viel Begeisterung von unserer Schwester Angela gefördert und unterstützt. Bei Lehrern, Eltern und Schülerinnen war sie beliebt und wurde von allen sehr geschätzt. In der heutigen Welt des Individualismus fiel ihre persönliche und herzliche Art ganz besonders auf, denn sie stellte die Gemeinschaft immer in den Vordergrund.
Für die Armen und die Natur
Schwester Angela setzte sich stets für die Armen in unserem Land ein. So wünschte sie sich zu ihrem Geburtstag oft, dass die Schülerinnen ihr keine Geschenke machten, sondern Sachspenden für Kinder- oder Altersheime sammelten, die sie dann an verschiedene Institutionen weitergab.
Schwester Angela führte die karitative Arbeit der ersten Ordensschwestern fort, indem sie sich für das sogenannte ABC Solidario (verschiedene Hilfsaktionen der Schulen) und Missionen mit Schülerinnen in Santiago und Umgebung sowie auch im Süden von Chile einsetzte und teilnahm. Es war ihr sehr wichtig, dass ihre Schülerinnen ihr Umfeld und ihr Land gut kennen, dass sie wahrnehmen, wo Not ist und wo man helfen kann und dass sie sich dafür engagieren.
Sie bestand darauf, auf die Zeichen der Zeit zu achten und klar zu hören, was Gott und unser Umfeld von uns verlangt. So gründete sie die «Corporación Santa Ángela» zur Vergabe von Stipendien für Schülerinnen und arbeitete im «Refugio de Cristo», geleitet von Pfarrer Pianovi, mit Waisen, Armen und misshandelten Kindern und setzte sich für den Kinderschutz ein.

Schwester Angela hat auch sehr viel dazu beigetragen, bei den Schülerinnen die Liebe zur Natur zu wecken. Sie war die erste, die Wanderungen organisierte, um Berge zu besteigen. Sie wanderte so gerne, dass die kleinen Mädchen sie «Sor Cabra»nannten, da sie öfters sahen, wie sie mit ihrem Wanderstock, viel Enthusiasmus und Energie Berge und Hügel bestieg.
Weltjugendtag und Deutschland-Austausch
Als bekannt wurde, dass der Weltjugendtag 2005 mit Papst Benedikt XVI. in Köln stattfinden würde, hieß es gleich: Da machen wir mit! Schwester Angela nahm mit Freunden und Familien der verschiedenen Ursulinenschulen in Deutschland Kontakt auf und von den Schülerinnen wurden Aktivitäten organisiert, um Geld für die Reise zu sammeln. Zuerst ging es nach Köln, bekannt als Ort des Martyriums der heiligen Ursula und Austragungsort des Weltjugendtages. Danach besuchte man verschiedene Städte in Deutschland. Öfter hörte man die Schülerinnen auf den Dorfplätzen singen. Die treibende Kraft hinter dieser Reise, die sich dafür bei Eltern, Lehrern und Schülerinnen einsetzte, war Schwester Angela.
Alle zwei Jahre besuchte sie ihre Familie und die Ursulinenschwestern in Deutschland. So entstand der Kontakt zu verschiedenen Ursulinenschulen und der Austausch nahm zu. Bis heute verbringen Schülerinnen die zweimonatigen chilenischen Sommerferien in deutschsprachigen Ländern, an Sankt-Ursula-Schulen in Aachen, Mannheim, Würzburg, Hannover, Freiburg oder Salzburg. Immer bemüht, den Kontakt aufrechtzuerhalten, wurden auch Schülerinnen aus Deutschland in Chile empfangen. Die Freundschaften zwischen den Familien und den Austauschschülerinnen bleiben erhalten und werden an die nächste Generation weitergegeben.
Einsatz bei den deutschen Institutionen
Schwester Angela hielt die Verbindung zu anderen deutschen Institutionen immer aufrecht: Mit ihrer offenen und freundlichen Art pflegte sie den Kontakt zur deutschen Botschaft und dem Deutsch-Chilenischen Bund. Fachberater für das Fach Deutsch der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen wurden öfters zum Kaffee eingeladen und die neuen Bundesprogrammlehrkräfte von ihr in das Leben in Chile eingeführt und begleitet.
Im Jahr 1988 wurde das Deutsche Lehrerbildungsinstitut Wilhelm von Humboldt (heute Escuela de Pedagogías en Alemán) mit der Autorisierung des chilenischen Bildungsministeriums gegründet. Schwester Angela war viele Jahre im Vorstand und hat sich stets für die Ausbildung von Lehrern für den Deutschunterricht eingesetzt.
Unter der Leitung des Verband Deutscher Schulen in Chile (DS Chile) treffen sich zweimal im Jahr alle Schulleiter der 24 deutschsprachigen Schulen in Chile. Schwester Angela war immer dabei und stets besorgt, eine offene und freundliche Kommunikation zwischen den chilenischen Bildungsbehörden und den deutschen Schulen aufrechtzuerhalten, damit ein beidseitiges Verständnis für die unterschiedlichen Schulkulturen bestand und sich über verschiedene Auffassungen konstruktiv ausgetauscht wurde.
Eines der vielen Projekte, das von der Direktorenkonferenz und den Schulträgern ausgearbeitet wurde und an dem sie aktiv teilnahm, waren die Grundsätze der deutschsprachigen Schulen in Chile. Das ist bis heute noch ein aktuelles Dokument für alle Schulen.

Im Jahre 2001 wurde ihr vom Deutsch-Chilenischen Bund die Philippi-Medaille verliehen. In der Laudatio hieß es: «Sie haben sich speziell im Laufe Ihrer Amtszeit als Lehrerin und gegenwärtige Schulleiterin der Ursulinenschulen dafür eingesetzt, um die kulturellen Beziehungen zwischen den deutschsprachigen Chilenen sowie ihren Institutionen und der Bundesrepublik Deutschland zu fördern.»
Mit Klugheit, Mut und Zuversicht in Gott wie die ersten Ursulinenschwestern, die aus Berlin nach Chile kamen, hat Schwester Angela ihre Aufgabe ernst genommen und sich dafür eingesetzt, dass die deutsche Kultur erhalten bleibt. Sie hat vielen Generationen von Schülerinnen beigebracht, die Werte und Lebensweise ihres Heimatlandes zu schätzen.
Möge Schwester Angelas Hingabe an die Werte, die sie geprägt haben, uns weiterhin den Weg weisen und uns dazu anregen, unser diesjähriges Motto zu leben: «Lasst uns mutig auf dem Weg des Dienstes bleiben», indem wir das Evangelium mit Mut und Glauben verkörpern.
Quelle und Fotos:
Deutsche Ursulinenschulen Vitacura und Maipú