«Ehrfurcht vor dem Leben»
Albert Schweitzer war nicht nur ein Intellektueller, der auf den Gebieten der Theologie und der Musik Großes leistete. Er war auch ein Mensch der Tat: Mit Mitte 30 studierte er Medizin, um seine christlichen Werte umzusetzen. Sein Krankenhaus in Lambarene in Afrika wurde sein Lebenswerk.

Albert Schweitzer wurde am 14. Januar 1875 in Kayersberg im Elsass geboren, das damals zu Deutschland gehörte. Seine Kindheit verbrachte er im Dorf Günsbach, wo sein Vater als evangelischer Pastor tätig war. Schon früh zeigte sich Schweitzers Begeisterung für Musik, insbesondere für die Orgel. Bereits mit neun Jahren durfte er erstmals in der Kirche Orgel spielen.
Dreifacher Doktor
Mit zehn Jahren zog er zu seinem Großonkel nach Mühlhausen, um das Gymnasium zu besuchen. Anfangs fühlte er sich fremd, doch fand er Trost in der Natur und seiner Musik. Sein Orgellehrer Eugen Münch brachte ihm Werke von Johann Sebastian Bach nahe, der zu Schweitzers musikalischem Vorbild wurde. Während er in naturwissenschaftlichen und geschichtlichen Fächern brillierte, tat er sich zunächst in Mathematik und Sprachen schwer. Nach seinem Abitur begann der 18-Jährige in Straßburg ein Theologiestudium.
Neben seinem Studium nahm Schweitzer Orgelunterricht bei Charles-Marie Widor in Paris, was seine musikalische Ausbildung weiter vertiefte. Mit 23 Jahren legte er sein erstes theologisches Examen ab und promovierte wenig später in Philosophie. Sein erstes Werk, «Kants Philosophie der Reli-gion», verschaffte ihm akademische Anerkennung. 1900 wurde er promovierter Theologe und erhielt eine Anstellung als Pastor in Straßburg. Seine Dozenten erkannten sein Potenzial und förderten ihn – es schien, dass er die Universitätslaufbahn einschlagen würde.
1904 las Schweitzer einen Artikel über die Not in Afrika und beschloss, sein Leben radikal zu ändern. Er begann 1905 ein Medizinstudium, um als Arzt nach Afrika zu gehen. Nebenbei hielt er Vorträge, um sein Studium zu finanzieren. Albert Schweitzer war mit nicht einmal 40 Jahren bereits Professor und dreifacher Doktor. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs, erhielt er 1912 eine Ausbildung für Missionsärzte in den Tropen. Im selben Jahr heiratete Albert Schweitzer die Deutsche Helene Bresslau. Sie ließ sich als Krankenschwester ausbilden, um ihren Mann in Afrika unterstützen zu können.
Aufbau des Krankenhauses in Lambarene
Als Deutscher und evangelischer Theologe musste er einige Hindernisse überwinden, erhielt aber schließlich von einer französischen katholischen Mission die Bewilligung für die erste Afrika-Reise. Die Bach-Gesellschaft schenkte ihm zu seiner großen Überraschung eine Orgel, die mit nach Afrika durfte.
Das Ehepaar Schweitzer reiste nach Lambarene in Französisch-Äquatorialafrika, wo sie unter schwierigsten Bedingungen eine Krankenstation errichteten. Sie begannen sofort mit der Behandlung von Patienten, zunächst in einem desinfizierten Hühnerstall. Trotz größter Schwierigkeiten in jeglicher Hinsicht arbeitete Schweitzer unermüdlich. Dabei kam ihm seine robuste Gesundheit, sein praktisches Geschick und sein Durchhaltevermögen zugute.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 wurden die Schweitzers als Deutsche zunächst unter Hausarrest gestellt und später nach Frankreich deportiert. Albert Schweitzers Mutter wurde im Krieg in Elsaß von deutschen Kavalleristen mit ihren Pferden zu Tode getrampelt.
Nach dem Krieg im Jahr 1918 war das Ehepaar am Rand der Verzweiflung, Helene wurde krank und litt ihr restliches Leben unter Tuberkulose und Ruhr, sodass sie nie mehr lange Zeit in Afrika mit ihrem Mann leben konnte. Als am 14. Januar 1919, an Albert Schweitzers Geburtstag, ihre Tochter Rhena zur Welt kam, schöpften sie Hoffnung. Albert Schweitzer veröffentlichte wieder Bücher, hielt Vorträge und gab Konzerte, um Geld für seine Rückreise nach Lambarene zu sammeln, diesmal allein ohne seine Frau Helene und seine Tochter Rhena.
Das alte Krankenhaus war verfallen, und Schweitzer baute eine neue, moderne Klinik an einem anderen Standort. Sie wurde 1927 fertiggestellt und bot erstmals menschenwürdige Bedingungen für die Patienten.
In den folgenden Jahren pendelte Schweitzer zwischen Europa und Afrika, um durch Konzerte, Vorträge und Bücher Geld für seine Arbeit zu sammeln. Während des Zweiten Weltkriegs blieb er in Lambarene, wo die Herausforderungen nicht kleiner wurden.
Einsatz für Frieden und Mitmenschlichkeit
Nach dem Krieg widmete er sich verstärkt dem Thema Frieden und sprach sich öffentlich gegen die Nutzung von Atomwaffen aus. 1953 erhielt Schweitzer den Friedensnobelpreis, dessen Preisgeld er für den Bau eines Lepra-Dorfes verwendete. Weitere Auszeichnungen folgten, darunter der «Order of Merit» von Königin Elisabeth II. Trotz seines Alters und persönlicher Verluste – seine Frau Helene starb 1957 – blieb Schweitzer bis zu seinem Tod im Jahr 1965 aktiv. Er wurde in Lambarene neben seiner Frau beigesetzt.
Das Lambarene-Spital ist heute eine moderne Poliklinik mit eigenem Forschungslabor, Kindergarten und Grundschule. Mit rund 5.000 stationären Aufnahmen und fast 24.000 ambulanten Behandlungen ist es ein wichtiger Teil des Gesundheitssystems in Gabun.
Schweitzers Lebensphilosophie, die er «Ehrfurcht vor dem Leben» nannte, war geprägt von gelebtem Christentum und Respekt vor jedem Lebewesen. Diese Überzeugung zeigte sich in seiner medizinischen Arbeit, seiner Tierliebe und seinem unermüdlichen Einsatz für Bedürftige. Er schrieb unzählige Briefe, um Spendern zu danken.
Später wurde seine Arbeit wegen fehlender moderner Ansätze wie «Hilfe zur Selbsthilfe» kritisiert. Doch sollte er im Kontext der damaligen Zeit und Bedingungen beurteilt werden. Albert Schweitzer war eine große Persönlichkeit, er ließ sich nicht vereinnahmen. Sein selbstloser Einsatz, sein Mut und seine visionären Ideen machen ihn auch heute noch zu einem Vorbild für viele. Nicht ohne Grund haben sich in Deutschland rund 200 Schulen nach ihm benannt. Albert Schweitzer ist ein Symbol für Mitmenschlichkeit und die Überzeugung, dass jeder einzelne die Welt ein Stück besser machen kann.
Quellen:www.albert-schweitzer-heute.de; www.albert-schweitzer.ch