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Albert Schweitzer – unsere Inspiration gestern und heute

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 Von  Sabine Köhler

Die Albert-Schweitzer-Schule wurde im Jahr 2003 in Puente Alto gegründet. Ziel der Gründer war es, Kindern aus den schwierigsten Verhältnissen eine Chance im Leben zu geben. Ihr Namenspatron war in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für sie und dient als Leitbild der Schule. 

Mitte der 1990er Jahre arbeitete ich als Psychologin in einem Kinderheim in Macul. Damals hatte ich ein Schlüsselerlebnis. Ein Junge, der in die achte Klasse ging, nennen wir ihn Francisco, bat mich um Hilfe bei seinen Hausaufgaben. Er musste mathematische Gleichungen mit Brüchen lösen. Als ich versuchte Francisco zu helfen, merkte ich, dass er das Einmaleins nicht beherrschte und somit überhaupt keine Chance bestand, dass er mit Brüchen arbeiten konnte. Frustriert und traurig stellte ich fest, dass ich ihm eigentlich nicht helfen konnte, weil seine Vorkenntnisse so mangelhaft waren, dass ich etliche Wochen gebraucht hätte, um ihm alles beizubringen, was er benötigte, um diese Hausaufgabe zu lösen. Mit Bestürzung bemerkte ich, dass meine Kinder, die damals die zweite und vierte Klasse besuchten, besser rechnen konnten als dieser Junge, der in der achten Schulklasse war.

Eine Schule für alle Kinder

Im Kinderheim suchten wir häufig für unsere Kinder Schulen, die ihnen helfen konnten, aus der pädagogischen Falle, in der sich auch Francisco befand, herauszukommen. Wir fanden keine. Diese pädagogische 

Falle besteht darin, dass ein Kind aus irgendwelchen Gründen, meistens familiären und sozialen Ursprungs, den Anschluss an den Unterricht verliert und somit auch die Möglichkeit zu lernen. Diese Kinder sind für die meisten Schulen ein «Problem», weil sie in den landesweiten Tests (Simce) die Resultate der Schule verschlechtern. Deshalb wollte niemand diese Kinder aufnehmen. Außerdem entwickeln die Kinder, die den Anschluss an den Unterricht verloren haben, meistens Verhaltensauffälligkeiten. Sie können dem Unterricht nicht mehr folgen, ihre Leistungen verschlechtern sich und ihr Selbstwertgefühl beginnt darunter zu leiden. 

Das heißt, selbst wenn sie in einer Schule aufgenommen wurden, wurden sie oft wieder von dieser verwiesen oder blieben mehrere Male sitzen.

Damals beschloss eine Gruppe von Mitgliedern der lutherischen Erlöserkirche – Walter Brien, damals Vorstandsvorsitzender, Renate Binder und ich – mit Unterstützung einiger Lehrer, eine Schule zu gründen, die diesen Kindern und ihren Bedürfnissen gerecht werden könnte. Die  Idee war, dass diese Schule alle Kinder aufnimmt, unabhängig von ihren pädagogischen Voraussetzungen, sie dort abholt, wo sie stehen, und sie auf ihrem Weg weiter begleitet. Und dies in einem liebevollen und kreativen Umfeld, mit einem ganzheitlichen Ansatz.

Es begann die Suche nach einem Grundstück und auch nach einem Namen der Schule, ein Name, der uns inspirieren und als Leitbild dienen könnte. In einem Gespräch mit dem Pastor Pedro Puentes, der damals in der Kirche tätig war, schlug er den Namen Albert Schweitzer vor. Wir begannen mehr über ihn zu lesen, da wir eigentlich nicht viel von ihm wussten. Je mehr wir über ihn erfuhren, desto mehr machte sein Name Sinn. Er hatte spät im Leben, nach seiner Theologieausbildung Medizin studiert, um seinem Wunsch anderen zu helfen, eine konkrete Form zu geben, um nicht nur über Nächstenliebe zu sprechen, sondern sie zu verkörpern. Dann beschloss er nach Afrika zu gehen, an einen Ort, wo es praktisch keine medizinische Versorgung gab. Die Parallele ergab sich fast vollständig. Es gab zwar damals in Bajos de Mena, Puente Alto, einige Schulen, aber diese waren weit von den Bedürfnissen vieler Kinder, die dort wohnten, entfernt, also für viele der Kinder in Bajos de Mena gab es eigentlich keine Schulen. 

Ein sozialer Entrepreneur

Albert Schweitzer war außerdem ein vielseitiger Mensch, der sich für beinahe alles interessierte. Neben seinen 

theologischen Schriften beschäftigte er sich mit der Natur, war einer der besten Organisten seiner Zeit, schrieb über Johann Sebastian Bach, dachte über Atomkraft und Weltfrieden nach und baute die Krankenhäuser in Gabun selbst auf.

Das bedeutet, er wollte alles lernen. Wenn er etwas nicht konnte oder wusste – zum Beispiel im medizinischen Bereich oder beim Bauen – sah er darin keine unüberwindliche Hürde, sondern lernte es eben einfach. Das schien uns genau das richtige Vorbild für eine Schule zu sein: ein Ort, an dem wir Lehrer und Schüler uns für alles interessieren, ganzheitlich und mit Hingabe lehren und lernen, uns körperlich, künstlerisch, intellektuell und spirituell entwickeln können. Wenn wir etwas nicht wissen, können wir es lernen – genau dafür sind Schulen da.

Nach heutigen Maßstäben würden wir sagen, dass Schweitzer ein sozialer Entrepreneur war. Er identifizierte die Bedürfnisse der Menschen, suchte nach Lösungen, betrieb Fundraising und eignete sich das nötige Wissen an. Das erscheint uns auch heute noch als ein inspirierendes Vorbild. Nichts ist unmöglich. Wir können alles lernen, und irgendwie findet sich immer ein Weg.

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