Spezialausgabe Navidad
Jeder hat andere Erinnerungen an diese besondere Zeit im Jahr. Doch viele Bräuche wiederholen sich auch. Die Österreicherin Sabine Vallant, Macarena Gallardo Popp aus Santiago und der Schweizer Kurt Gysel erzählen von ihren persönlichen Kindheitserinnerungen an die Weihnachtszeit in der Familie.
«Der Duft von Tannengrün erfüllte das Haus»
Weihnachten war für mich schon immer die schönste Zeit des Jahres. Die Erinnerungen an meine Kindheit voller Zauber und Traditionen habe ich an meine Kinder weitergegeben. Meine Mutter und meine Großmutter haben Bräuche geschaffen, die heute zwar anders gefeiert werden, aber mein Herz immer noch mit denselben Gefühlen berühren.
Einer der am meisten erwarteten Momente war, wenn meine Großmutter begann, den Baum aufzustellen. Der Duft von Tannengrün erfüllte das Haus, wie eine Vorahnung, dass Weihnachten nahte. Wir Kinder waren immer für das Schmücken des Baumes zuständig, auch wenn es manchmal nicht perfekt war.
Meine Mutter hat immer einen Adventskranz mit vier Kerzen aufgestellt. Jeden Sonntag zündeten wir eine an, während Weihnachtslieder erklangen und wir Weihnachtsbrot und Lebkuchen aßen. Diese Abende waren voller Wärme, und die Tradition war das Band, das uns zusammenhielt.
Der Adventskalender gehörte auch unbedingt zur Vorweihnachtszeit. Täglich öffneten wir ein kleines Fensterchen und zählten die Tage bis Weihnachten. Danach schlossen wir die 24 kleinen Fensterchen wieder sorgfältig und verwahrten den Kalender bis zum nächsten Weinachtsmonat. Ich habe immer versucht, mir die Bilder in den Fensterchen einzuprägen und mich auf das Wunder des nächsten Jahres zu freuen.
Am 6. Dezember, dem Nikolaustag, stellten wir unsere Schuhe ins Fenster, zusammen mit unserem Brief an den Weihnachtsmann, der auf Deutsch geschrieben war, denn meine Großmutter sagte: «Wenn er nicht auf Deutsch ist, versteht ihn der Weihnachtsmann nicht.» Der Nikolaus nahm den Brief mit und hinterließ als Antwort Süßigkeiten, um uns zu versichern, dass wir uns gut benommen hatten.
Zauberhaft war auch die Teilnahme am Krippenspiel vor Heiligabend in der Kirche. Ich liebte es, in die Rolle des Engels Gabriel oder der Maria zu schlüpfen und auch die Flöte zu spielen. Die Aufregung, all die anderen Kinder zu sehen und die Vorfreude auf Weihnachten zu teilen, ist eine unvergessliche Erinnerung.
Und – Überraschung! Wir wurden zum Einkaufen geschickt, und als wir zurückkamen, war das Haus wie verwandelt: Geschenke waren wie von Zauberhand erschienen, am Baum leuchteten die «echten» Kerzen, Weihnachtsmusik erfüllte die Luft und hüllte das Haus in eine verzauberte Atmosphäre.
Wir haben nie bis Mitternacht gewartet, um die Geschenke zu öffnen! Danach aßen wir gemeinsam zu Abend, und das war auch immer ein Höhepunkt des am meisten erwarteten Tages im Jahr.
Ich schätze mich sehr glücklich, eine so wunderbare Kindheit gehabt zu haben, und ich hoffe, dass diese Traditionen in unserer Familie weiterleben werden. Heute steht in unserem Haus ein Schild mit der Aufschrift: «An Heiligabend darfst du nie die Illusion verlieren, in den Himmel zu schauen, um den Weihnachtsmann zu suchen».
«Wenn das Christkind dann klingelt»
Die Adventzeit in Österreich finde ich besonders stimmungsvoll: der Duft von Kekserln und Tees, die Christkindlmärkte, weiße Winterlandschaft, winterliche Temperaturen. Ich kann mich an mein erstes Weihnachten in Chile erinnern: Bei Sonnenschein und Temperaturen um die 30 Grad plus wurde am Heiligen Abend gegrillt. Nicht wie sonst in Österreich ein gemütliches Beisammensein in der warmen Stube um den leuchtenden – «echten» – Christbaum herum. Wenn das Christkind dann klingelt und die großen Kinderaugen im hellen Kerzenschein noch einmal mehr strahlen lässt.
Der ganze Advent steckt voller Aufregung und lässt vor allem die Kinderherzen höher schlagen, wenn es 24 Türchen vom Adventskalender zu öffnen gilt. Wenn abends ein Kekserl und Milch für den Nikolo hergerichtet wird und am Nikolotag nur mehr ein Bröserl auf dem Tellerchen ist, dafür ein Sackerl mit Mandarinen und Nüssen daneben steht. Keksebacken, Schlittenfahren, Schneeballschlachten. Nicht zu vergessen die vier Adventsonntage, an denen wir jeden Sonntag ein Kerzerl am – selbstgebastelten – Adventskranz anzünden und Adventsgeschichten und -gedichte erzählen. Was für eine wundervolle Zeit im Jahr! Fröhliche Weihnachten!
«Ich steh an deiner Krippen hier»
So weit ich mich zurück erinnern kann, habe ich an Krippenspielen teilgenommen. Sehr verschwommen tauchen Bilder des ersten «Auftritts» in Münchenbuchsee bei Bern auf, allerdings mehr an die Örtlichkeit als an den Inhalt.
Später, im nahe bei Bern gelegenen Ort Iffwil, übernahm mein Vater die Verantwortung für die Vorbereitungen und für die Durchführung der Krippenspiele. Zur Feier gehörte das Spielen der Weihnachtslieder auf der Blockflöte, also hatten wir Kinder, zusammen mit den anderen Spielern und Spielerinnen, eine Doppelrolle als Musikanten und Schauspieler unter der strengen und stets korrigierenden Hand meines Vaters. An eine Szene aus jener Zeit erinnere ich mich haargenau: Ich spielte einen der drei Könige; beim gemeinsamen Einzug durch den Mittelgang sangen wir zu dritt das Lied: «Wir sind die heiligen drei Könige genannt! Wir kommen daher aus dem Morgenland. Wir kommen daher aus weiter Fern, wir folgen dem hellen, dem leuchtenden Stern!» Nie mehr habe ich diese Strophe vergessen.
Auf allen Weihnachtsfeiern haben wir gesungen: Mein Vater hatte eine sehr gute und ausgebildete Stimme, auf unserem wohlklingenden Klavier spielte er die Choräle und Weihnachtslieder vom Blatt. Advent und Weihnachten ohne Lieder wäre nie denkbar gewesen. Nicht nur die ganz vertrauten und schlichten Weihnachtslieder standen auf dem Programm, sondern auch schwierigere, wie «Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben.» Und die Weihnachtsgeschichte der Geburt aus Lukas 2 oder des Besuchs der Könige in Bethlehem aus Matthäus 1 und 2 wurde an jeder Weihnachtsfeier gelesen.
Nun haben Birgit und ich uns dem Kirchenchor in Valdivia angeschlossen, in dem wir uns auf die Weihnachtsfeiern im Gottesdienst, in Heimen und Krankenhäusern vorbereiten. Beim letzten Treffen haben wir ein Lied einstudiert, das schon damals mit zu den Liedern gehörte, die, wie schon erwähnt, mein Vater jedes Jahr mit uns gesungen hat: «Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben.» Es war für mich ein bewegendes Erlebnis: Erinnerungen an unsere damaligen Advents- und Weihnachtsfeiern in der Schweiz in der geheizten und warmen Stube tauchten spontan auf.