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miércoles, 4. diciembre 2024
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Porträt – Karl Michael

Vikar an der Erlöserkirche

«Der Kirche und der Gesellschaft dienen»

Seit 2022 ist Karl Michael Vikar an der Erlöserkirche in Providencia. Die Teilnahme am Jugendkongress der lutherischen Kirche in Brasilien motivierte ihn zu einem Theologiestudium in diesem Land. Während seiner zwei Aufenthalte in Deutschland perfektionierte er nicht nur seine Sprachkenntnisse, sondern sammelte auch viele Erfahrungen, durch die er sich sowohl persönlich als auch auf seinem Berufsweg weiterentwickeln konnte.

Karl August Federico Michael Barría wurde 1992 in Puerto Varas geboren, verbrachte aber seine gesamte Kindheit und Jugend in Puerto Montt. Seine Großmutter hatte die Deutsche Schule in Frutillar und sein Vater die Deutsche Schule in Puerto Montt besucht – eine Tradition, die dann Karl und seine Geschwister fortführten. Nach seinem Schulabschluss 2010 zog der 18-Jährige zum Studium nach Santiago. Zwar hat Karl danach nicht mehr im Süden gelebt, «doch es ist ein Ort, den ich liebe. Meine Eltern wohnen in Frutillar in der Gegend von Punta Larga und meine Großmutter, Onkel, Tanten und Cousins in Puerto Montt». 

Als Teenager beschäftigte sich Karl Michael viel mit der Geschichte seiner Vorfahren. Väterlicherseits stammt die Familie aus Deutschland und ein kleinerer Teil aus Österreich: «Im Jahr 1852 wanderte die Familie Michael nach Chile aus und erhielt Land in der Gegend von Totoral am Ufer des Llanquihue-Sees. Der jüngste Sohn der Familie, mein Urururgroßvater, wurde Carl genannt. Daher gab mir mein Vater diesen Namen, wenn auch mit K.» Die Familie Michael stammt aus der Oberlausitz im heutigen Sachsen, aus dem kleinen Dorf Tetta. Diesen Ort besuchte er 2015 als DAAD-Stipendiat für einen Deutsch-Intensivkurs in Kassel, als er zum ersten Mal nach Deutschland reisen konnte. 

Das war für ihn eine sehr schöne Erfahrung: «Ich konnte sechs Wochen lang richtig in die deutsche Sprache eintauchen. Während meiner Schulzeit kam ich mit Deutsch nicht sehr gut zurecht und mit diesem Kurs machte mir das Deutschlernen viel Spaß.» Außerdem sammelte er «erste multikulturelle Erfahrung in einer Wohngemeinschaft mit Studenten aus Brasilien, Südafrika, Neuseeland, Australien, Argentinien, Indonesien, Kolumbien, Syrien und Iran.  Diese erweiterten meinen Horizont und halfen mir, andere Weltanschauungen zu verstehen». 

Nach seinem Bachelor-Abschluss in Geschichte an der Pontificia Universidad Católica nahm er 2016 an einem Jugendkongress der lutherischen Kirche in Brasilien teil. Karl Michael war einer der Vertreter von Chile. Es war für ihn das erste Mal, «dass ich eine andere lutherische Kirche in der Welt und vor allem so viele junge Lutheranerinnen und Lutheraner getroffen habe – es nahmen  1.800 junge Menschen teil. Es war etwas ganz Besonderes, all diese Energie an einem Ort zu erleben». Er besuchte auch soziale Projekte, die die lutherische Kirche in Brasilien durchführte. Diese seien sehr prägende Erfahrungen gewesen: «Sie ließen mich darüber nachdenken, ob meine Zukunft dort liegt.»

Tatsächlich entschied sich der junge Mann für ein Theologiestudium, «um der Kirche, aber auch der Gesellschaft zu dienen. Ich sehe die Kirche als eine Insti-
tution, die einen Beitrag zur Welt leisten kann». 2017 begann er sein Studium in São Leopoldo, in der Nähe von Porto Alegre: «Ich habe fast vier Jahre in Brasilien verbracht. Diese Jahre waren sehr wichtig für mich. Sie haben mich reifen lassen, meinen Blick geöffnet, ich habe neue Freunde gefunden und neue Interessen entwickelt.» 

Das zweite Mal war der Theologiestudent zehn Monate in den Jahren 2021 und 2022 in Deutschland. Vom Gustav-Adolf-Werks, eine deutsche Institution, die lutherische Kirchen im Ausland unterstützt, hatte er ein Stipendium für ein Austauschprogramm erhalten. Er studierte zwei Semester an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig und absolvierte ein einmonatiges Praktikum in einer evangelischen Gemeinde in Tübingen: «Es war wirklich eine wunderbare Zeit.» Er war oft mit dem Fahrrad unterwegs, lernte viele Menschen und Bereiche der kirchlichen Arbeit in Deutschland kennen. 

Seinen Berufsweg in der lutherischen Kirche begann Karl Michael im Oktober 2022 mit dem Vikariat an der Erlöserkirche. Durch seine beruflichen Erfahrungen weiß der Theologe heute, dass er im Bereich der Diakonie, im sozialen Dienst der Kirche, tätig sein möchte, um «einen Beitrag zur Welt und zum Leben anderer Menschen zu leisten». 

Es gefällt ihm in seinem Vikariat «die interessante Mischung» der Arbeit: «An einem Tag führt man eine Trauung durch und am nächsten Tag hält man eine Predigt.» Beim Religionsunterricht an der Deutschen Schule Santiago findet der Vikar gut, «dass ich nicht nur mit Menschen zu tun habe, die mit der Kirche verbunden sind, sondern auch mit Kindern und Jugendlichen, die nicht unbedingt am Gemeindeleben der Kirche teilnehmen».

Er empfinde es als «eine große Verantwortung, mit Menschen zu arbeiten, besonders in wichtigen Momenten ihres Lebens». Zu Beginn waren Beerdigungen für ihn eine Herausforderung: «Ich hatte noch nicht viele Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Tod gehabt, nur den meines Großvaters väterlicherseits im Jahr 2014. Deshalb hatte ich ein wenig Angst davor, wie ich auf die Angehörigen des Verstorbenen zugehen sollte. Mit der Zeit habe ich gelernt, mich dem Tod zu nähern und zu verstehen, was er bedeutet. Für mich ist es etwas ganz Besonderes, den Angehörigen zuhören zu können, wenn sie über den Verstorbenen sprechen. Selbst wenn man die Person nicht gekannt hat, ist man durch diejenigen, die sie gekannt haben, mit ihrem Leben verbunden.» 

Es sei für ihn «ein großes Geschenk, die verschiedenen Weltanschauungen der Menschen kennen zu lernen kann. Auch wenn es etwas klischeehaft klingt, ist ein Mensch eine einzigartige Welt, und es ist ein Privileg für mich, ein wenig in diese Welt eintauchen zu können».

foto: privat

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