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miércoles, 4. diciembre 2024
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Buch über die deutsche Sprache

«Ganz ehrlich: Das geht so was von»

Kennen wir nur Negativurteile über die deutsche Sprache? Viele fühlen sich wohl bei dieser Frage im Vorwort von Roland Kaehlbrandts Buch «Deutsch – eine Liebeserklärung» ertappt. Eins jedoch ist sicher. Die Sprachbegeisterung des Autors ist ansteckend.

Roland Kaehlbrandt: «Deutsch – eine Liebeserklärung. Die zehn großen Vorzüge unserer erstaunlichen Sprache». 
Seiten: 255. 
Verlag: Piper. 
Erscheinungsjahr: 2023. 
Das Buch ist auch als E-Book und als Hörbuch erhältlich.

Gleich im ersten Kapitel beschreibt Kaehlbrandt die deutsche Sprache als «freundlich, einfühlsam und ausdrucksstark». Dies gelingt ihr durch die oftmals im  Deutschunterricht kritisierten Füllwörter wie zum Beispiel bloß, denn und doch: Wie geht das bloß? Was soll das denn? Das musst du doch wissen. Diese «Fülle kleiner liebenswürdiger kleiner Wörter» kann mehr, als nur den Satz verlängern. Sie trägt dazu bei, «unser Verhalten positiv zu beeinflussen und den Kontakt zu anderen zu erleichtern». 

Kurz und geschmeidig 

Der Autor findet auch in der deutschen Jugendsprache bereichernde Elemente, die «erfrischende Neuzugänge» liefern, etwa in der Redewendung: Ganz ehrlich: Das geht sowas von. Kaehlbrandt beschreibt «ganz ehrlich» als eine «Kurzformel für alltägliche Aufgeregtheiten aller Art», die der «Gesprächskultur» zugutekommt, besonders wenn es «voll ums Gefühl» geht.

Wie kann eine Sprache aufnahmewillig und integrationsfähig sein – und gerade das Deutsche? Kaehlbrandt unterscheidet zwischen Lehnwort und Fremdwort. Lehnwörter wie Dame oder Koffer wurden so in die deutsche Sprache integriert, dass ihre Herkunft kaum noch auffällt. Anders bei den Fremdwörtern, die aber auch ohne Probleme eingedeutscht werden können. Diese Flexibilität ist dank dem«Arsenal von Anpassungsinstrumenten» möglich. Das Wort Frustration kommt vom lateinischen Adverb «frustra», das vergeblich heißt. Hängt man die Endung tion an, wird es zu einem deutschen Substantiv, die Frustration, und daraus wird das Verb frustrieren abgeleitet.

Die Anglizismen machen 80 Prozent aller Wortimporte ins Deutsche aus – Tendenz steigend. Dabei werde allerdings oft übersehen, dass ein großer Teil aus englischen Begriffen und einem deutschen Wort gebildet werden: Kamerateam und Babykost sind solche sogenannten Hybride. Diese offenbaren wiederum die Geschmeidigkeit des Deutschen.

Ob das Deutsche allerdings so «elastisch» ist, dass es dauerhaft im Sinne der gendergerechten Sprache umgebaut werden kann, lässt der Autor offen. Das Gendersternchen macht die Sprache in jedem Fall komplizierter. Die Erarbeitung von praktikableren Lösungen durch eine Gruppe von Sprachexperten, aber auch
ausländischen Sprachlernern kann sich der Wissenschaftler durchaus vorstellen.

«Innere Vielfalt» und «aus der Mitte der Gesellschaft»

«Dialekt ist Heimat, ist Nähe. Der Dialekt schafft auch in heutiger globaler Zeit nachweislich Vertrauen», stellt Kaehlbrandt fest. Die Dialekte der deutschen Sprache zeugen von einer «inneren Vielfalt». 

Mit seinem Sprachatlas hat der Sprachforscher Georg Wenker im 19. Jahrhundert ein Gesamtbild der deutschen Dialekte und damit die Grundlage zur Erforschung erstellt, die in ihrem Ausmaß weltweit einzigartig ist. Daraus ergibt sich, dass in der Schweiz immer noch fast nur «Schwyzerdütsch» gesprochen wird, genauso wie die Bayern und Österreicher im Alltag ihren Dialekt verwenden. Die sprachliche Vielfalt sei «ein zu pflegender Reichtum», der davon abhängt, dass die Eltern den Dialekt an ihre Kinder weitergeben, wie es zum Beispiel in den nördlichen Regionen wie Nordhessen oder Mecklenburg-Vorpommern zunehmend weniger geschieht. Im zehnten Kapitel beschreibt Kaehlbrandt den Vorzug des Deutschen, «aus der Mitte der Gesellschaft geschaffen» worden zu sein. Es ist der Bibelübersetzung Luthers und der Erfindung des Buchdrucks zu verdanken, dass sich ein «Deutsch für jedermann» entwickelte und verbreitete. Denn Luthers Ziel war bekanntlich, dass möglichst viele Menschen die Bibel lesen und verstehen können. 

Im Kreis der großen Kultursprachen

Ab dem 16. Jahrhundert schufen Sprachgelehrte und Literaten eine einheitliche «wohlgeformte deutsche Hochsprache». Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung in der Klassik, als das Deutsche zur Bildungssprache wurde. Die Erforschung und die bahnbrechende Wortschatzarbeit der Brüder Grimm – das Deutsche Wörterbuch – bezeugten, dass die deutsche Sprache im Kreise der großen Kultursprachen angekommen war. Eine Besonderheit ist, dass der Staat dabei kaum eine Rolle spielte, also nicht wie zum Beispiel in Spanien und Frankreich, wo die Könige die Real Academia Española beziehungsweise die Académie française gründen ließen, um Regeln für die Sprache festzulegen. 

«Letztlich ist die Lebensfähigkeit des Deutschen vom Sprachbewusstsein der Sprachgemeinschaft abhängig», resümiert Roland Kaehlbrandt. Die Lektüre des Buchs öffnet dafür die Augen: Jedes der zehn Kapitel beleuchtet positive Eigenschaften des Deutschen. Beispiele und Erkenntnisse aus der Sprachforschung sorgen bei Laien und auch Lehrern für Aha-Effekte – und oft auch für Bewunderung, was diese Sprache alles kann. 

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