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miércoles, 4. diciembre 2024
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Zum 90. Todestag von Joachim Ringelnatz

Tiefgründige Nonsens-Poesie

Kein einfaches, aber sehr bewegtes Leben hatte Joachim Ringelnatz. Er war einer der bedeutendsten deutschen Dichter der Epoche der Moderne und des Expressionismus, außerdem Kabarettist, Schriftsteller, Seemann, Offizier und Maler.

Ausgegrenzt

Geboren wurde er 1883 als jüngstes von drei Geschwistern in Wurzen bei Leipzig. Seine Eltern waren beide künstlerisch tätig: Sein Vater, Georg Bötticher, war Verfasser von humoristischen Versen und Kinderbüchern und gab seit 1901 Auerbachs Deutschen Kinderkalender heraus, in dem er seinem Sohn zu seinen ersten Veröffentlichungen verhalf. Seine Mutter, Rosa Marie, entwarf Muster für Perlstickereien und stellte Puppenbekleidung her. 

Die Schulzeit war schwer für Ringelnatz. Er wurde von den Mitschülern für sein ungewöhnliches Aussehen (auffallend lange, spitze Nase, vordrängendes Kinn, kleine Statur) gehänselt. Auch später noch führte Ringelnatz viele Schwierigkeiten auf sein ausgefallenes Aussehen zurück: «Ich bin überzeugt, dass mein Gesicht mein Schicksal bestimmt. Hätte ich ein anderes Gesicht, wäre mein Leben ganz anders, jedenfalls ruhiger verlaufen.» Der Junge flüchtete sich in Trotz, Rüpeleien und einsames Zeichnen und Schreiben. 1892 verfasste und illustrierte Joachim Ringelnatz sein frühestes erhaltenes Werk, die «Landpartie der Tiere».

Ein unerfüllter Traum

Ringelnatz’ sehnlichster Wunsch war, als Seemann ferne Länder zu bereisen. Von April bis September 1901 arbeitete er als Schiffsjunge auf dem Segelschiff Elli. Seine Erfahrungen waren ernüchternd: Der sächselnde, kleingewachsene Ringelnatz wurde Zielscheibe von Beleidigungen (der Kapitän nannte ihn «Nasenkönig»), Schikanen und körperlicher Gewalt. 

In Britisch Honduras riss er aus, verirrte sich im Urwald und wurde endlich ergriffen, um auf der Rückfahrt noch mehr durchzumachen. Zurück in Hamburg war er arbeitslos und litt Hunger. Ende des Jahres war er Aushilfe in Malferteiners Schlangenbude auf dem Hamburger Dom – er half, die Riesenschlangen zu tragen. Dies war nur einer der über 30 Nebenberufe, die Ringelnatz während seiner Seemannszeit ausübte. Heuerverträge als Leichtmatrose auf allen Weltmeeren wechselten immer wieder mit Phasen der Arbeitslosigkeit ab. Am Ende erfüllte sich sein Traum nicht – seine Augen taugten nicht für den Dienst auf See. 

Das Reisen sowie auch der Verzicht spielen eine Rolle in einem von Ringelnatz’ bekanntesten Gedichten:

Die Ameisen

In Hamburg lebten zwei Ameisen,

die wollten nach Australien reisen.

Bei Altona auf der Chaussee

da taten ihnen die Beine weh,

und da verzichteten sie weise

denn auf den letzten Teil der Reise.

So will man oft und kann doch nicht

und leistet dann recht gern Verzicht.

Ein entscheidendes Ereignis im Leben war 1909 der Beginn seiner Auftritte in der Münchner Künstlerkneipe «Simplicissimus». Rasch wurde der Unbekannte zum Hausdichter und damit quasi Angestellten der geschäftstüchtigen Wirtin Kathi Kobus und Freund und Kollege dort auftretender und verkehrender Künstler wie Frank Wedekind, Julius Beck, Ludwig Thoma und Max Reinhardt. Die Auftritte wurden jedoch sehr schlecht bezahlt – sein Honorar betrug zuerst nur ein Bier, dann schließlich ein Bier und zwei Mark. 

Unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlichte Ringelnatz in der angesehenen satirischen Zeitschrift Simplicissimus Gedichte und 1910 endlich seine ersten zwei Kinderbücher und einen Band Gedichte. Er hatte jedoch kaum nennenswerte Einnahmen durch seine Schriftstellerei. Von ständiger Geldnot geplagt, versuchte er sein Glück als Bibliothekar, Schaufensterdekorateur, Buchhalter und verkaufte einige selbstgemalte Landschaftsbilder.

Kriegs- und Nachkriegszeit

Direkt zu Kriegsbeginn 1914 meldete sich Ringelnatz freiwillig zur Marine. Zu seiner Enttäuschung durfte er aber nicht an Schlachten teilnehmen. Nur unter großen Anstrengungen schaffte Ringelnatz den Aufstieg zum Reserveoffizier, da der Chef der Lehrkompanie den «Kröpel» (niederdeutsch für Krüppel) nicht zur Beförderung zulassen wollte. 

Ab 1917 war Ringelnatz Leutnant zur See und Kommandant eines Minensuchbootes in Seeheim bei Cuxhaven, wo er Muße hatte, sich einem Terrarium voller Schlangen und Eidechsen zu widmen. Er erlebte ein entbehrungsreiches erstes Nachkriegsjahr voller Kälte und Hunger, zudem erblindete er durch die Spätfolgen einer Schlägerei auf einem Auge.

Schriftsteller und Kabarettist

Nachdem er 1920 die Lehrerin Leonharda Pieper geheiratet hatte, die ihm bald zur unentbehrlichen Assistentin bei all seinen Publikationen wurde, hatte er erste erfolgreiche Auftritte im Berliner Kabarett «Schall und Rauch». Damit begann sein Leben als reisender Vortragskünstler, das ihn mehrere Monate im Jahr auf Bühnen im gesamten deutschsprachigen Raum brachte. Ringelnatz, der stets im Matrosenanzug auftrat, wurde schnell bekannt und musste bald Aufträge ablehnen. Ab 1927 hatte Ringelnatz Auftritte im Rundfunk und es erschienen seine beiden erfolgreichsten Gedichtsammlungen: «Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid» und «Turngedichte.» Er veröffentlichte nun fast jedes Jahr Bücher, mit mehr oder weniger großem Erfolg.

1933 erteilten die an die Macht gekommenen Nationalsozialisten Ringelnatz Auftrittsverbote in Hamburg und München. Die meisten seiner Bücher wurden beschlagnahmt oder verbrannt. 

Ringelnatz und seine Frau verarmten, weil die Bühnenauftritte die Haupteinnahmequelle des Paares gewesen waren. Erste Symptome der Tuberkulose traten auf, an 

der Ringelnatz am 17. November 1934 im Alter von 51 Jahren starb.

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