75-jähriges Jubiläum
Vivat, crescat, floreat, Burschenschaft Ripuaria!
«Vor vielen Jahren, im Jahr 1949, versammelten sich kluge Köpfe in Valparaíso. Ihr Ziel: eine Burschenschaft zu gründen, die durch die Zeit geht und das Leben junger Männer prägt.» So heißt es in der Einladung der Burschenschaft Ripuaria zu ihrer Jubiläumsfeier vom 31. Oktober bis 2. November. Die Geschichte der Studentenverbindung zeigt, dass ihre Mitglieder den Wahlspruch der Burschenschaft «Zucht, Arbeit und Freude» besonders in schwierigen Momenten beherzigt haben.
In den 1940er Jahren entwickelte sich Valparaíso durch die Universidad Santa María, die Universidad Católica und die Universidad de Chile immer mehr zu einer Studentenstadt. Da viele der Studenten deutscher Abstammung waren, kam die Idee der Gründung einer deutschen Studentenverbindung auf. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die harten Kriegs- und Nachkriegsjahre auch die Deutschstämmigen in Chile trafen, sodass man sich in dieser Zeit kaum eine neue Studentenverbindung vorstellen konnte.
«Wohlan, die Zeit ist gekommen»
Erst 1949 gab Artur Junge den Anstoß zur Gründung einer neuen deutschen Studentenverbindung. In einer ersten Versammlung, die am 9. Juni 1949 im Deutschen Verein stattfand, überzeugte er eine kleine Gruppe von deutschstämmigen Studenten davon, dass eine Verbindung als Zentrum für ihren geistigen Austausch gegründet werden sollte. Bei der Versammlung am 23. Juni, bezeichnenderweise nach dem Lied «Wohlan, die Zeit ist gekommen», gab es eine Diskussion über verschiedene Punkte wie den Bierparagrafen oder die Exklusivität. Diese endete damit, dass der Bursche der Burschenschaft Araucania, Erwin Ramdohr, über die Ziele der Burschenschaft berichtete.
Zunächst erhielt die Verbindung den Namen Burschenschaft Gaudeamus; später wurde sie in Burschenschaft Ripuria umgetauft, gemäß ihrer lokalen Lage (Ripuaria bedeutet Uferbewohner). Am gleichen Abend wurde über den ersten Vorstand dieser jungen Verbindung abgestimmt: Erster Sprecher wurde Harro Friederichs, zweiter Sprecher Max von Brand, Schriftwart Helmut Hiller und Kassenwart Gerd Friederichs.
Bei der ersten Hauptversammlung am 30. Juni 1949 nahmen als Gäste Artur Junge und die Burschen Erwin Ramdohr und Rudolf Walther der Burschenschaft Araucania teil. Der erste Sprecher verlas die vom Vorstand entworfene Gründungsakte, die von der Mehrheit angenommen wurde.
Die Farben Schwarz, Weiß und Rot
In den schwierigen Aufbaujahren der Ripuaria galt es zunächst, Kontakt mit den deutschen Institutionen in Chile aufzubauen, da man gemeinsam aktiv sein wollte. Intern arbeiteten die Mitglieder die Grundbestimmungen, Satzungen und Bierkommentare aus, womit sie im Jahre 1951 endgültig fertig waren.
Über die Auswahl der Farben wurde gleich im ersten Jahr entschieden: Schwarz, Weiß und Rot. Schwarz steht für Tradition und verpflichtet die Burschenschafter, aufrichtige Menschen zu sein. Weiß soll die Reinheit der Taten symbolisieren, und Rot die Flamme, die Energie und Engagement bedeutet, gute Staatsbürger zu sein. Es sind die Farben des von Otto von Bismarck am 18. Juni 1871 gegründeten Deutschen Reichs, in dem die deutschen Staaten zusammengeführt wurden. Mit den Farben übernahm die Ripuaria die Tradition des deutschen Kulturguts und die Verantwortung, sich am geistigen und kulturellen Wiederaufbau zu beteiligen, und die gesetzten Ziele, dem auserwählten Wahlspruch getreu, durch Arbeit und mit viel Freude zu erreichen: Vivat, crescat, floreat, Burschenschaft Ripuaria!
Am 7. August 1950 schritten die Mitglieder zur Reifeprüfung: In einem feierlichen «Burschungsakt» legten sie das Gelöbnis ab, sich lebenslänglich der Verbindung zu verpflichten. Schon einen Monat danach nahm man die ersten zwei «Fuchsen» in die Verbindung auf: Manfred Busch und Arno Müller. In den nächsten Jahren stieg die Zahl zusehends an.
Anfang 1953 erhielt die Burschenschaft einen Raum im Keller des Deutschen Vereins, der dann in gemeinsamer Arbeit von allen Mitgliedern zum Versammlungssaal umgebaut wurde. Am 25. Juli wurde die offizielle Einweihung gefeiert, und Curt Finster wurde zum ersten Ehrenmitglied ernannt. Er stand immer allen mit Rat und Tat zur Seite, und die Ripuaria-Hymne hat die Burschenschaft ihm zu verdanken.
Am 17. November 1954 starb nach einem Flugzeugunglück Rudolf Heldt. Die Ripuaria gedenkt jedes Jahr mit einem Trauerkommers ihm und allen verstorbenen Mitgliedern. Mitte des Jahres 1956 wurde «Alter Herr» Gerd Friederichs für seinen Einsatz zum Ehrenmitglied ernannt.
Heim in der Paseo Goñi und später in der Calle Quito
Durch viel Engagement konnte ein eigenes Haus in der Paseo Goñi gemietet und eingerichtet werden. Es wurde 1961 als offizielles Heim eingeweiht. Bis zum Jahr 1978 hatte die Burschenschaft Ripuaria ihren Sitz in den Häusern 45 und 52 im Paseo Almirante Goñi. Das erste gehörte der Burschenschaft, und das andere wurde gemietet.
Anfang des Jahres 1978 erfuhr man nun, dass das gemietete Haus (Goñi 52) von der Eigentümerin verkauft werden sollte. Schließlich wurde das Haus in der Straße Quito 272 als neues Heim ausgewählt und erworben. Vier «Alte Herren», die in Viña oder in der Umgebung lebten, bildeten die Hauskaufs-Kommission: Pedro Roth, Gerd Reinke, Günther Hoppe und Carlos Winkler.
Am 3. März 1985 wurde ein großer Teil des Hauses durch ein Erdbeben zerstört. Nach Jahren der Renovierung entstand ein modern ausgestattetes Heim für die Aktivitas, zum Beispiel gab es ein Studierzimmer und ein Computerzimmer. Im Jahr 1990 gehörten zur Burschenschaft bereits mehr als 100 «Alte Herren» und die Zahl der Mitglieder war groß.
Anfang 1998 wohnten im Heim nur drei Burschen, zwei Fuchsen und ein Alter Herr. Ehemalige Mitglieder, die die Burschenschaft verlassen hatten, wurden kontaktiert und ohne größere Anforderungen wieder im Heim aufgenommen, um die schwierige Lage zu verbessern.
50-jähriges Bestehen, Tag der Chilenischen Burschenschaften und Ripuariastipendium
Im Jahr 1999 feierte die Burschenschaft Ripuaria ihr 50. Jubiläum mit dem bis dahin größten Stiftungsfest. Im gleichen Jahr bewarben sich 13 neue Keilfüchse und konnten so tatkräftig an der Organisation des Stiftungsfestes helfen. Der Festball fand im zweiten Stock des Deutschen Vereins statt, an dem mehr als 300 geladene Korporierte, Mitglieder der Mädchenschaften, Begleitungen und Gäste teilnahmen.
Am Tag danach fuhren alle in einem gemieteten Bus nach Limache, wo ein Grill vorbereitet worden war.
Im März 2004 wurde der Tag der Chilenischen Burschenschaften im Deutschen Verein organisiert. Ein gemeinsamer Kommers mit den Verbandsbrüdern der anderen Burschenschaften wurde gefeiert. Im Juni desselben Jahres wurde die Hauptversammlung Nummer 1000 im Heim zelebriert.
Nach vielen Diskussionen und Sitzungen sowie mit der Hilfe der «Alten Herren» wurde 2007 erstmals das Ripuariastipendium vergeben. Diese Initiative gewährt den Aktiven eine schöne und wichtige Möglichkeit, nach Deutschland zu fliegen, um die deutschen Burschenschaften kennenzulernen, die Traditionen zu erleben und natürlich die deutsche Sprache zu verbessern.
Der Erhalt und die Modernisierung des Verbindungshauses waren immer eine Priorität für die Ripuaria, waren aber nicht einfach. In den Jahren 2009 und 2010 wurde nach großen Anstrengungen das Haus gestrichen, der Boden und die Fenster ausgewechselt, und im Jahr 2012 wurde die Terrasse renoviert.
Nachwuchsgewinnung und deutsche Sprache
Zurzeit hat die Ripuaria elf aktive Mitglieder und insgesamt 150 Mitglieder. Der Vorstand besteht aus Felipe Gómez (Präsident), Ignacio Ríos (Vizepräsident), Rudolf Hartmann (Sekretär) und Rolf Moller-Holtkamp (Schatzmeister). Bei den aktiven Mitgliedern sind der Präsident Nicolás Flores, der Vizepräsident José Tomás López sowie der Sekretär und Schatzmeister Juan Pablo Eickenrodt.
Zu den regelmäßigen Aktivitäten gehören die Hauptversammlungen, bei denen die aktiven Mitglieder zusammenkommen, um die Diskussion und den Diskurs in deutscher Sprache durch Vorträge und Debatten über aktuelle Themen zu fördern, manchmal zusammen mit anderen Burschenschaften und Mädchenschaften.
Die größte Herausforderung, vor der die Ripuaria steht, ist die Gewinnung neuer Mitglieder, die die deutsche Sprache fließend beherrschen, da nur wenige deutschsprachige Schulabgänger zum Studium nach Viña del Mar oder Valparaíso gehen.
Text: Alex Schwaner im Jahr 1990; Juan Pablo Eickenrodt, Schriftwart und Kassenwart der Burschenschaft Ripuaria zu Valparaíso
Fotos: Burschenschaft Ripuaria