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Vom Kristall und Lesestein zur Brille

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Spezialausgabe – Innovaciones Ópticas

Archimedes – der erste Forscher, der Linsen für eine verbesserte Sehkraft erfand (Domenico Fetti, 1620, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden).

Bereits knapp 300Jahre v.Chr. wurde die erste Sehhilfe erfunden. Rund 1.000 Jahre später konnte sich in Italien der erste Mensch eine Brille auf die Nase setzen. Viele technische Verfeinerungen folgten. Eine bedeutende Rolle für die Mode spielt heute die Fassung.

Archimedes, geboren 287 v. Chr., hatte bereits in der vorchristlichen Zeit die Brechungsgesetze von Linsen untersucht und einen am Kopf befestigten Kristall zur Sehkorrektur getragen. Seine Entdeckung fand in der Antike aber offenbar keine praktische Nachahmung. Kaiser Nero beobachtete die Gladiatorenkämpfe durch Gläser, die seine Augen vor der Sonneneinstrahlung schützten. Der römische Philosoph, Naturforscher und Politiker Seneca der Jüngere schrieb im 1. Jahrhundert nach Christus: «Kleine und undeutliche Buchstaben erscheinen schärfer und größer, wenn man sie durch eine mit Wasser gefüllte Kugel betrachtet.»

Optiker Alhazen und die Schrift 

In dem Buch «Schatz der Optik» beschreibt der arabische Mathematiker, Astronom und Optiker Alhazen um 1000 die vergrößernde Wirkung eines Glaskugelsegments, des späteren Lesesteins, ohne jedoch seine Erkenntnis praktisch zu nutzen. Die lange Zeit unbeachtet gebliebenen Untersuchungen Alhazens, die handwerklichen Fertigkeiten schreibender Mönche und der rapide anwachsende Gebrauch der Schrift im städtischen Bereich kamen zusammen: In einem Kloster wurde der erste Lesestein aus Bergkristall geschliffen. Um die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts folgten Leseglas und Brille.

Erfindung der Lesebrille

Die als Sehhilfe für beide Augen auf die Nase gesetzte Lesebrille wurde Ende des 13. Jahrhunderts in Norditalien erfunden. Um 1300 war die Brillenherstellung in Murano in der Lagune von Venedig bereits etabliert.  Die ersten Brillen hatten noch keine Bügel und besaßen konvex geschliffene Linsen, die sie nur für weit- oder alterssichtige Menschen geeignet machten. Während Mitte des 14. Jahrhunderts bereits Nahbrillen für alterssichtige Menschen gebräuchlich wurden, sind erst ab dem 16. Jahrhundert konkave Gläser als Hilfe für kurzsichtige Menschen allgemein verbreitet gewesen, und Zylindergläser wurden erst im 19. Jahrhundert hergestellt. Deren Vergrößerungseffekt wurde – zunächst allerdings nicht zum Lesen – schon lange ausgenutzt. 

Die Bifokalbrille

Der «Brillenapostel» in Bad Wildungen

Der Übergang zum Vergrößern von Schrift gilt als sehr naheliegend. Ein weiterer Schritt ist die Entwicklung der Bifokalbrille, als deren Erfinder Benjamin Franklin gilt. Ihm war es lästig, ständig seine Fernbrille gegen die Lesebrille auszutauschen. Um 1784 kam er auf die Idee, für das jeweils rechte und linke Auge zwei Brillenlinsen mit entsprechender optischer Wirkung zu montieren.

Der «Brillenapostel» im Altarbild der Stadtkirche von Bad Wildungen stammt von Conrad von Soes. Das 1403 gemalte Werk stellt die früheste bildliche Darstellung einer Brille nördlich der Alpen dar.

Brillenfassungen im Laufe der Zeit

Auch die Entwicklung der Brillenfassungen machte Fortschritte. Um 1727 warb der englische Optiker Edward Scarlett mit einer Schläfenbrille mit seitlichen Bügeln, die bis zur Schläfe reichten. Es folgte 1752 die Knick-Stangenbrille mit horizontal doppelt angelenkten Seitenteilen von James Ayscough – hier reichte erstmals der Bügel über das Ohr, und die Brille hatte ihren Halt am Hinterkopf. Nicht allzu lange später waren die horizontal abknickbaren hinteren Bügelstangen dann mit einem vertikalen Scharnier hinter das Ohr abwinkelbar. Diese Variante war bis Ende des 19. Jahrhunderts gebräuchlich. Parallel dazu gab es noch die Steckbügel-Variante ohne Mittelscharnier, die auch gerne als Damenbrille bezeichnet wurde. Um 1880 folgte der Gespinstbügel, und erst Anfang des 20. Jahrhunderts kam der heute noch gebräuchliche Golfbügel mit Cellhorn-Überzug. Neben den Bügelbrillen waren bügellose Alternativen in Form von Lorgnon, Monokel oder Zwicker teils bis ins 20. Jahrhundert weiterhin gefragt.

An die Fassung einer Brille werden sowohl funktionale als auch modische Anforderungen gestellt. Eine Brille soll für den Träger leicht und flexibel, dabei aber auch stabil und haltbar sein. Sie soll fest sitzen, ohne zu drücken. Darüber hinaus orientieren sich Fassungen äußerlich hinsichtlich ihres Designs und ihrer Form an regional und zeitlich variierenden Moden. Die Vielfältigkeit an Brillenfassungen hat im Laufe der Zeit ständig zugenommen.

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