Tierarzt
Die Neugierde als Türöffner
Er ist ein ebenso begeisterter Golfspieler wie Leser von Geschichtsstudien. Auch beruflich hat er immer wieder verschiedene Tätigkeiten ausgeübt wie die Gründung von Unternehmen, den Vertrieb von pharmazeutischen Produkten und die Lehrtätigkeit.
Vor einigen Jahren ist Eduardo Fiebig in Rente gegangen. Das gestattet ihm, seinen Freizeitbeschäftigungen mehr Zeit einzuräumen. Beruflich ist er jedoch weiterhin aktiv, in der Hauptsache als Vorstandsmitglied von Familienunternehmen im Agrar- und im kaufmännischen Sektor.
Auch vorher war er im Wirtschaftsbereich tätig: «Wie es Unternehmern normalerweise geschieht, hatten wir Erfolge, aber auch Ausrutscher.» Letzteres war eine Tierhandlung, für die Fiebig und sein Geschäftspartner sogar Vierbeiner importierten. «Das war ein vielversprechender Betrieb, aber wir fingen zu früh damit an», meint er, «denn der Markt war dafür noch nicht vorbereitet.» Auf jeden Fall «war es eine interessante Erfahrung, aus der wir Wertvolles gelernt haben».
Eduardo Fiebig ist in Temuco geboren und verbrachte seine ersten Lebensjahre in Nueva Imperial. Der Vater war als Buchhalter für eine Eisenwarenhandlung tätig. Später zog die Familie nach Osorno, wo Eduardo die Deutsche Schule besuchte, «die mir nicht nur die deutsche Sprache mitgab, sondern auch eine grundlegende Stütze in meiner persönlichen Entwicklung war».
Während der Schulferien luden ihn Freunde oft aufs Land ein, wo er die typischen Berufe, die auf den Agrarbetrieben ausgeübt werden, kennenlernte. So hatte er Gelegenheit, die Veterinäre bei ihrer Tätigkeit zu beobachten, wie sie die großen Tiere untersuchten und behandelten. «Das war interessant und das Fach Biologie hat mir immer Spaß gemacht», erinnert er sich, «sodass ich mich entschloss, an der Universidad de Chile in Santiago Tiermedizin zu studieren.» Zugleich trat Fiebig der Burschenschaft Araucania bei, mit der er bis heute eng verbunden ist.
Ein Jahr vorher reiste er als Austauschschüler in die USA. Es war für Eduardo eine Art «Erwachen», meint er. Von der chilenischen Provinz wagte er den Sprung nach Long Island bei New York, um vier Monate lang eine Schule zu besuchen, wo er nicht nur seine Englischkenntnisse aufpolieren konnte, sondern auch einen völlig neuen kulturellen Hintergrund erlebte. Seine Gastfamilie war jüdischen Ursprungs, was ihm ermöglichte, deren Brauchtum aus nächster Nähe zu erleben: «Als zum Beispiel einmal ein naher Verwandter von ihnen verstarb, hatte ich Gelegenheit, an den Ritualen der Totenwache teilzunehmen.»
Im ersten Studienjahr erkrankte Eduardo Fiebig schwer an Diphterie, sodass er monatelang ans Bett gefesselt war. Er hatte Glück, wurde völlig gesund und hatte keine Folgeerscheinungen.
Nachdem er sein Studium erfolgreich abgeschlossen hatte, kehrte er in seine Heimatstadt Osorno zurück. Mitte der 1970er Jahre war es äußerst schwierig, eine gute Stellung zu bekommen. Daher gründete der Tierarzt zusammen mit einem Kollegen eine Apotheke für Tierarzneimittel in Río Negro, einer Kleinstadt 36 Kilometer südlich von Osorno. Ein Fachgeschäft dieser Art gab es dort nicht und zudem hatte Fiebigs Kollege vor Ort unter seinen Bekannten potenzielle Kunden. Nebenbei unterrichtete Fiebig am Agrarinstitut Adolfo Matthei in Osorno Zoologie und Geflügelzucht. Eines Tages kam ein Handelsvertreter des Unternehmens Bayer vorbei, der ihm mitteilte, dass die deutsche Firma für ihre Niederlassung in Santiago einen Mitarbeiter für die Pharmavertriebsabteilung suchte. Eduardo Fiebig bekundete sein Interesse, bewarb sich und wurde engagiert.
Zusammen mit Dr. Carlos Günther hatte er die Aufgabe, die Abteilung aufzubauen: «Viele Produkte mussten neu vorgestellt werden, was sehr arbeitsaufwendig, aber auch sehr kurzweilig war.»
Fast 20 Jahre arbeitete Eduardo Fiebig für Bayer. «Wir hatten das große Glück, dass unsere Vorgesetzten uns freie Hand ließen», betont er und stellt daher fest: «Ich hatte dort eine sehr gute Zeit.» Entscheidend war dabei auch seine angeborene Neugierde und seine Geselligkeit, die ihm beim Kennenlernen von Kollegen zugute kamen, mit denen er einen regen Meinungsaustausch führen konnte.
Nach dieser erfolgreichen Periode lud die Bayer AG Eduardo Fiebig nach Deutschland ein. Das Unternehmen stellte eine Arbeitsgruppe zusammen, deren Mitglieder sowohl des Deutschen als auch des Spanischen mächtig waren, um als Berater in Lateinamerika zu fungieren. Außerdem kam damals Baytril auf den Markt, ein neues antibakterielles Medikament, dessen Markteinführung vorbereitet werden musste. Bei dieser Tätigkeit war das Thema Marketing von außerordentlicher Bedeutung: «Auch da habe ich eine Menge lernen können.»
Eduardo Fiebig hatte außerdem Gelegenheit, die meisten lateinamerikanischen Länder zu bereisen, weil er damit beauftragt war, das neue Pharmaprodukt persönlich vorzustellen. Sein nächster Auftrag war, von Guatemala aus die mittelamerikanischen Länder zu betreuen. Nach dieser letzten Bestimmung im Ausland kehrte er nach Santiago zurück, von wo aus er noch einige Jahre die Niederlassung in Peru leitete.
Nach dieser langen Zeit intensiver Beschäftigung genießt er jetzt zusammen mit seiner Frau Lili Köster das Golfspielen, «was uns übrigens ermöglicht hat, Leute aus ganz anderen Kreisen kennenzulernen». Dazu ist er ein begeisterter Leser von Geschichts- und Philosophiebüchern. Fasziniert war er etwa vom Angriff der spanischen Kriegsflotte, der «unbesiegbaren Armada», mit der Philipp II. England erobern und die Königin Elizabeth I. stürzen wollte, «die jedoch vom stürmischen Wetter besiegt und dann von der englischen Armee niedergestreckt wurde». Zurzeit beschäftigt er sich mit den Punischen Kriegen und mit Julius Cäsar. «Das Problem mit diesem Zeitvertreib ist», runzelt er die Stirn, «dass ich, jedesmal wenn ich eine Buchhandlung betrete, sie mit drei Büchern unter dem Arm verlasse».
Foto: privat