Der «Vater» des Humanismus
Mit Dante Alighieri und Giovanni Boccaccio bildet Francesco Petrarca jenes Dreigestirn, das im italienischen Trecento im 14. Jahrhundert für eine literarische Blütezeit sorgte. Der Poet der frühen Renaissance verkörperte in besonderer Weise die Idee eines neuzeitlichen Menschen, die mit dem neuen humanistischen Lebensgefühl einherging. Er war stets ein Suchender, sei es nach der perfekten Liebe zu seiner Laura, sei es nach einer Heimat.
Francesco Petracco – später von ihm selbst zu Petrarca latinisiert – erblickte am 20. Juli 1304 im toskanischen Arezzo das Licht der Welt. Er war der erstgeborene Sohn des Notars Pietro di Parenzo (mit dem Beinamen Petracco) und dessen Frau Eletta Cangiani, die ursprünglich aus Florenz stammten, aber als Anhänger der «Weißen» – einer der beiden streitenden Fraktionen der Papsttreuen, die sich als kaiserfreundliche Guelfen für einen Kompromiss mit dem Kaiser aussprachen – 1302 ihre Heimatstadt mit der Machtübernahme der radikaleren «schwarzen» Guelfen verlassen mussten. Auch Dante teilte dasselbe Schicksal.
Petrarca prägte daher von Geburt an das Schicksal der Exilanten. So waren seine ersten Lebensjahre von Flucht und kurzzeitigen Aufenthaltsorten bestimmt. Die Familie geriet bei ihren Umzügen in manch gefährliche Situationen. Bei Marseille hätten sie beinahe Schiffbruch erlitten. Als sie Avignon erreichten, fand Petrarcas Vater eine Stelle als Notar am päpstlichen Hof.
Der passionierte Literat
Nach seinem ersten Unterricht in Carpentras bei Avignon schickte ihn sein Vater zum Jurastudium auf die Universität von Montpellier. Was dem päpstlichen Notar als standesgemäße Ausbildung für den Sohn erschien, war für den zwölfjährigen Petrarca ein verhasstes Pflichtstudium.
Statt zu studieren, widmete er seine Zeit damit, Bücher zu sammeln. So versuchte er Manuskripte zu erwerben, oder wenigstens sie auszuleihen oder zu erbetteln, um sie dann abzuschreiben. Seine erste bescheidene Handschriftensammlung endete dann tragischerweise im Feuer, als sein Vater sie dem Sohn entriss und verbrennen ließ, wohl in der Hoffnung, so Petrarca zum konzentrierten Jurastudium zurückzuführen.
Der Vater lenkte dann im letzten Moment noch ein, so dass zwei Bücher den Flammen entkamen. Eines war Ciceros Werk über die Rhetorik, da der Vater glaubte, dass dieses durchaus fürs Jurastudium nützlich sein könnte und ein Band mit Gedichten Vergils. Es sind diese beiden Autoren, die Petrarca besonders prägten und auch Klassiker für spätere Humanisten wurden. Vergil wurde aufgrund seines dichterisch schönen Stils zum Vorbild genommen und Cicero inspirierte mit seinen moralischen und politischen Überlegungen in einer eleganten, lateinischen Prosa verfasst die Leser der frühen Neuzeit.
Nach dem Tod seines Vaters 1326 brach der 22-Jährige sein Studium ab und kehrte nach Avignon zurück, um dort seinen Traum als Literat zu verwirklichen. Um diese Passion ausüben zu können, musste er, da er mittellos war, Tätigkeiten im Umfeld mächtiger Mäzene – Adlige oder auch kirchliche Würdenträger – ausüben, die ihm die finanzielle Sicherheit garantierten und ihm ein Haus zur Verfügung stellten.
Der Dichter und seine Laura
Seinem unsteten Leben, das von vielen Wohnortwechseln und Reisen geprägt war, entspricht ein vielgestaltiges Werk: Er verfasste Abhandlungen, Dialoge, persönliche Geschichten, Kurzbiografien berühmter antiker Persönlichkeiten, lateinische Gedichte und tröstende Betrachtungen.
Bis heute gilt als sein bedeutendstes Werk die Sammlung seiner 366 Liebesgedichte («Canzoniere») in der toskanischen Volkssprache. Die meisten sind Sonette, für die er eine Form entwickelte, die als Petrarca-Sonett bekannt wurde. Seine Verse richteten sich an eine idealisierte, wahrscheinlich tatsächlich existierende Person: Man vermutet, es handelte sich um Laura de Noves, die 1325 den Grafen Hugues II. de Sade heiratete – sie war «seine Laura».
Petrarca gibt an, sie am 6. April 1327 in einer Kirche in Avignon zum ersten Mal gesehen zu haben, wie er es auf seinem Vergil-Manuskript festhielt. Laura ist seine platonische Liebe, er ist gleichsam der mittelalterliche Minnesänger (Troubadour). Ihr Tod während der Pest am 6. April 1348 führte dann zur Fertigstellung seiner «Rime in vita e morta di Madonna Laura». Diese Liebeslyrik inspirierte Generationen von Dichtern nach ihm.
Seine «Einsiedeleien» in Vaucluse und in Arquá
Als er Mitte 30 war, kaufte er sich ein Haus im Dorf Vaucluse (das heutige Fontaine-de- Vaucluse) an der Quelle der Sorgue, in der Nähe von Avignon. Dort zog er sich gern zurück; es wurde seine Einsiedelei.
1336 unternahm er mit seinem Bruder eine Bergbesteigung zum Mont Vertoux – aus reiner Freude an der Natur, war somit einer der ersten selbsterklärten «Bergsteigertouristen», weshalb man ihn auch als «Begründer des Alpinismus» betrachtete.
Auf der Bergspitze angekommen, betrachtete er die Landschaft und schlug in den Konfessionen des Augustinus, die er mitgenommen hatte, eine Stelle auf, die ihn wohl tiefgreifend prägte: «Und es gehen die Menschen hin, zu bestaunen die Höhen der Berge, die ungeheuren Fluten des Meeres, die breit dahinfließenden Ströme, die Weite des Ozeans und die Bahnen der Gestirne und vergessen darüber sich selbst» (Konfessionen, X,8).
Unter seinen Freunden zirkulierten seine Schriften und manch einem gab er auch, wie etwa Giovanni dell’Incisa, Prior des Klosters San Marco in Florenz, eine «Einkaufsliste» seiner Bücherwünsche mit. Dell’Incisa sollte seinen Bekannten in der Toskana bitten, «Tuszien zu durchforschen, die Schränke der Mönche und auch diejenigen anderer Bildungsbesessener zu durchwühlen, ob irgendetwas auftauche, was geeignet wäre, meinen Durst zu stillen oder neu zu erregen».
Der Ruhm des Gelehrten
Petrarca wurde 1341 für sein Versepos «Africa» über den römischen Feldherrn Scipio Africanus in einer offiziellen Zeremonie in Rom der Lorbeerkranz überreicht. Diese Ehrung schmeichelte ihm sehr; er war eitel, liebte teils das Pompöse, obwohl er in seinem Werk stets die Bescheidenheit rühmt.
Er schuf sich einen großen Freundeskreis von gebildeten Männern, die den Leserkreis seiner Werke bildeten. Das Schreiben quälte ihn, war aber zugleich eine Sucht. Teils vervollständigte er die Fassung antiker Texte, indem er neue Handschriftenfunde heranzog, so etwa zu einer Ausgabe zur Geschichte Roms de Livius. Petrarca war sozusagen ein Pionier der «kritischen Ausgabe». So entdeckte Petrarca den vollständigen Text von Ciceros Rede «Pro Archia» in einem Kloster in Lüttich, als er die Gegend mit Freunden bereiste, und ließ seine Freunde so lange warten, bis er die Abschrift fertigstellt hatte.
Zwölf Jahre später stieß er in der Dombibliothek von Verona auf drei Abschriften von Ciceros Briefen, darunter jene an seinen lebenslangen Freund Atticus. Petrarca ließ sich von Ciceros Briefen inspirieren und legte selbst eine Sammlung eigener ausgewählter Briefe an, die er dann ordnete und daraus ein kohärentes literarisches Werk machte. In seinen «Espistolae familiares» («Vertrauliche Briefe») und den «Seniles» («Altersbriefe») wirft er Schlaglichter auf seine innere Gefühlswelt, vom Zorn und der Trauer.
1370 bezog er einen kleinen Landsitz im nahe gelegenen Ort Arquá. Dort fand er seine Ruhe in der Einsamkeit, wo er noch einige Jahre ein stilles Glück genießen konnte. Dort schrieb er seinen «Brief an die Nachwelt», den er jedoch nicht mehr zu vollenden vermochte. Aufgrund von Kriegsunruhen musste er im Herbst 1372 Schutz in den Mauern Paduas suchen, kehrte im folgenden Jahr aber zurück in seine «Einsiedelei» in Arquá. Am 18. Juli 1374 verstarb er an seinem Arbeitstisch.
Leseempfehlung: Sarah Bakewell, Wie man Mensch wird. Auf den Spuren der Humanisten Freies Denken, Neugierde und Glück, München: Beck 2023 (zu Petrarca, S. 31-41); Francesco Petrarca, Brief an die Nachwelt, Gespräche über die Weltverachtung, Von seiner und vieler Leute Unwissenheit, 1910 (zur Biografie bes. S. II-XIV).