Spezialausgabe – Cafés, Pastelería
Abrakadabra – Magie in der Backstube
Von Simon Reinle
Heutzutage interessieren sich immer mehr Menschen für die Herstellung der Lebensmittel, die sie essen. Das gilt auch für die Produkte der Bäckereien und Konditoreien. Sie werden in all ihren Facetten beleuchtet und es wird viel über innovative, traditionelle, handwerkliche oder sogar romantische und magische Backkunst gesprochen. Über diesen letzten dieser Ausdrücke wollen wir ein wenig mehr sprechen.
Backfähige Mehle und nicht backfähige Mehle
Mehl mag für manchen als etwas sehr Banales erscheinen -es ist nur Weizen, der gemahlen wird, um Standard-, Stärke- oder Vollkornmehl zu erhalten. Doch diese Vorstellung ist weit entfernt von der bedeutenden Rolle, die das Mehl spielt und der großen Vielfalt an Mehlen, ihren unterschiedlichen Eigenschaften und natürlich ihrer Magie, die wir uns in Bäckereien aneignen.
Roggen, Dinkel, Gerste, Buchweizen, Hafer, Reis und Mais sind nur einige der Getreidesorten, die wir neben Weizen zur Herstellung unserer Mehle und schließlich unserer Backwaren und Brote verwenden. In der Bäckersprache unterteilen wir sie in zwei Gruppen: backfähige Mehle und nicht backfähige Mehle. Das klingt ein wenig verwirrend, wenn man bedenkt, dass man natürlich mit allen diesen Mehlsorten backen kann.
Die sogenannten backfähigen Mehlen, hauptsächlich aus Weizen, Gerste, Dinkel und Roggen, enthalten das berühmte Gluten. Oder in den Worten der Bäcker: die Kombination der Proteine Gliadin und Glutenin. Gluten ist zweifellos ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Magie, denn es verleiht unseren Teigen Stabilität und zusammen mit der Gärung schließlich das Volumen und die Textur, die wir an unseren Broten so sehr schätzen. Glutenfreie Mehle wie Buchweizen, Hafer, Hirse, Amaranth, Quinoa, Mais, Reis und viele andere hingegen erhalten ohne äußere Unterstützung eine sehr kompakte Textur und kein Volumen.
Doch glutenfreie Mehle und ihre besonderen Eigenschaften sind für unsere Kreationen ebenso wichtig. In Kombination mit Backmehlen oder mit externen Helfern erreichen wir eine noch größere Vielfalt an Aromen, Texturen und anderen Eigenschaften – und natürlich eine Menge Magie.
Es besteht kein Zweifel, dass ein Kapitel nicht ausreicht, um über alle Getreidearten, ihre verschiedenen Mehltypen und ihre Magie zu sprechen, man könnte ein ganzes Buch darüber schreiben. Aber für dieses Mal lassen wir es dabei bewenden und fahren mit mehr Backmagie fort.
Das Triebmittel
Das Triebmittel oder Backtriebmittel ist im Grunde die Zutat, die wir in Bäckereien und Konditoreien verwenden, um unsere Teige aufzulockern, zu säuern und/oder zu gären, sodass unsere Produkte aufgehen und dadurch eine angenehmere Textur und einen besonderen Geschmack erhalten. Wir teilen sie im Allgemeinen in drei Gruppen ein: physikalische, chemische und biologische.
Bei der Herstellung von Kuchen und süßen Backwaren verwenden wir hauptsächlich die physikalische Gruppe, die mit Luft arbeitet, die sich unter Hitze ausdehnt, wie zum Beispiel in Biskuitkuchen, oder mit Dampf, zum Beispiel für die Butterschichten in Blätterteig.
Für das Backen von Keksen, Kuchen und Lebkuchen werden chemische Backtriebmittel verwendet, mit ihrem bekanntesten Bestandteil, dem Backpulver. In diesem Fall handelt es sich um eine chemische Reaktion zwischen Wärme, Wasser, Lauge und Säure, bei der Kohlendioxid entsteht, das unsere Teige auflockert und säuert.
Die dritte Gruppe sind die biologischen Triebmittel/Säuerungsmittel zur Herstellung unserer geliebten Brote in Bäckereien. Wie der Name schon sagt, übernehmen wir den natürlichen und ziemlich magischen Prozess der Gärung mit seinen zwei Hauptakteuren: Hefe (Saccharomyces cerevisiae) und Laktobazillen. Zusammen mit vielen anderen Akteuren der Mikroflora sind es diese beiden Stars, die die Eigenschaften der Zutaten verändern, indem sie zum Beispiel Zucker in Milchsäure, Essigsäure, Ethanol und schließlich in Kohlendioxid umwandeln, um den Teig zu säuern. Im Gegensatz zu physikalischen und chemischen Backtriebmitteln werden durch die Gärung nicht nur unsere Teige gesäuert und gelockert, sondern auch die ernährungsphysiologischen Eigenschaften und Qualitäten, der unverwechselbare Geschmack und die Haltbarkeit unserer Brote verändert und verbessert.
Trotz all dieser magischen Zutaten und Verfahren – ein großer Zauberer in der Backstube gehört auch dazu: Zweifellos sind Liebe und Leidenschaft für das Handwerk unerlässlich, aber noch wichtiger sind seine Kenntnisse und Fertigkeiten, die er durch eine gute Berufsausbildung, jahrelange Erfahrung und natürlich die große Backtradition erworben hat. Und nicht zuletzt die Käufer und Konsumenten, die uns ermutigen, jeden Tag mit magischen Tricks und neuen Köstlichkeiten in unseren Backstuben zu überraschen. Es gibt keine größere Befriedigung als das Lächeln und die leuchtenden Augen der Kinder, wenn sie unseren Bäckereizauber sehen und genießen.