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Porträt – Doris Stange

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Vorsitzende der Südgemeinde

Organisation ist alles

Beruflich hat die gelernte Buchhalterin einen ausgefüllten Stundenplan. Das ist für sie durchaus kein Grund, ihre Freizeit einzig zum Ausruhen und für ihr Familienleben zu nutzen. Im Gegenteil: Doris Stange engagiert sich seit Jahrzehnten ununterbrochen für die chilenisch-deutsche Gemeinschaft.

Die Evangelische Kirche in Puerto Montt hat mehrere Teilgemeinden, die sich in der Umgebung der Hauptstadt der X. Region auf die Ortschaften Puerto Montt, Puerto Varas, La Laja, La Fábrica, Los Muermos und Ancud verteilen. Sie nennt sich Comunidad del Sur – die Südgemeinde – und Doris Stange ist ihre Vorsitzende. Die dynamische Frau übt diesen Posten selbstverständlich ehrenamtlich aus. 

Auf die Frage, welches zurzeit ihre größten Herausforderungen seien, antwortet sie spontan und ohne lange zu überlegen: «Ruhe bewahren!» Damit bezieht sie sich auf die angespannte Lage im Weltgeschehen, über die eine Gemeinschaft, die sich in der Hauptsache mit geistigen Dingen beschäftigt, nicht hinwegsehen kann. Daher: «Man muss schon viel Geduld und Taktgefühl aufbringen, um heutzutage mit Menschen umzugehen», stellt sie fest. Dabei ist ihr Hauptwunsch, «die Südgemeinde als juristische Person zu etablieren, die über die Zeit bestehen bleibt». 

Demnächst wird Doris Stange ihre zweite und letzte Amtszeit beenden, weshalb «es nötig ist, einen Nachfolger an der Hand zu haben, der sich zudem auf juristischem Gebiet auskennt», betont sie, denn sonst «könnte das Gleiche wie nach meinem ersten Zeitabschnitt passieren, als ich das Amt abgegeben hatte und es daraufhin aufgelöst wurde». Nach kurzer Zeit erhielt sie damals einen Anruf, dass die Teilgemeinden ohne einen Kopf, der die Entscheidungen treffe und die Aufgaben der Vereinigungen koordinierte, nicht funktionieren könnte und ob sie der Gemeinde nicht behilflich sein könne. Doris Stange erklärte sich daraufhin bereit, wieder einzusteigen und ist seitdem bis heute weiterhin aktiv. Dies bedeutet zum Beispiel, die verschiedenen Ortschaften zu  besuchen, um sich mit den Gemeindemitgliedern über ihre Bedürfnisse zu besprechen, um sie gemeinsam mit ihnen in Angriff zu nehmen. «Kürzlich bin ich übers Wochenende nach Ancud gereist», erzählt sie. «Ich hatte zwei Begleiter, einer kam aus Los Muermos und der andere aus Puerto Montt. Wir haben das Treffen einberufen, die Leute kamen, und es war sehr angenehm und fruchtbar.»  

Es mag wenig bekannt sein, dass in Ancud Nachkommen von deutschen Einwanderern leben, die ebenso wie die anderen Gemeinschaften geistig betreut werden müssen. Dieser Umstand, dass die Gemeinde auf etliche, zum Teil voneinander relativ weit entfernte Orte verteilt ist, hat Doris Stange auf den Gedanken gebracht, «einen Pfarrer einzusetzen, der die verschiedenen Gebiete missionarisch abfahren kann». Das ist für Andreas Handstein, den Pastor der Südgemeinde nicht möglich, da er terminlich an Puerto Montt gebunden ist, wo er in der Schule unterrichtet, Konfirmanden vorbereitet und Kranke betreut. Daher möchte sie gerne einen zweiten Geistlichen anstellen.

Von großer Wichtigkeit ist für sie auch die Jugendarbeit. «Ich denke, dass man den Jugendlichen bisher nicht ihren Platz gegeben hat», sagt sie voll Überzeugung. «Sie brauchen einen Raum, der ihnen gehört, wo sie ihre Probleme an die Wand heften, wo sie kochen und ihren Interessen nachgehen können – kurz: wo sie fühlen, dass der Platz ihnen gehört, ohne dass dann plötzlich jemand protestiert, dass die Jungen nicht kommen dürfen, weil sie alles dreckig machen.» Dabei sollte eine Persönlichkeit das Sagen haben: «Erfahrungsgemäß hat es hier mit Jugendgruppen immer geklappt, wenn einer von ihnen die Leitung und Verantwortung übernimmt, weil man ihnen einen Platz eingeräumt hat.» Die Jugend hat bekanntlich ein großes Musikinteresse: «Sie singen gerne und es macht ihnen Spaß, Krach zu machen. Das sollen sie auch, aber sie können dann nicht neben den 70-jährigen Damen sitzen, die gerade ein Treffen abhalten.» Und schmunzelnd fügt sie hinzu: «Ich bin auch über 70, und das Geschrei neben mir würde ich natürlich nicht gerne haben.» 

Und was den Raum betrifft, hat die Gemeinde feststellen können, dass «uns auf dem alljährlichen Lager in Puerto Fonck der Platz fehlt – wir können nicht alle annehmen, die sich einschreiben!»

Doris Stange ist in Puerto Montt geboren. Die Eltern waren Landwirte und die Großeltern väterlicherseits betrieben eine Brauerei. Sie besuchte die Deutsche Schule und danach das Instituto Comercial, wo sie sich als Buchhalterin ausbilden ließ.

Damit nicht genug, machte sie, medizinbegeistert wie sie ist, beim Roten Kreuz eine zweijährige Ausbildung als Krankenschwester. Mit diesen Kenntnissen ausgestattet, war sie später im Hospital Regional de Puerto Montt in der Kinderheilkunde und in den OP-Sälen tätig. Außerdem verwaltete sie eine zeitlang Bauernhöfe, «wo ich übrigens Tiere verarztet habe», verrät sie. Eines dieser Landgüter gehörte ihrem Onkel Rodolfo Stange, dem ehemaligen Oberbefehlshaber und General der Carabineros.

Doris Stange arbeitet seit dem 19. Lebensjahr und unterhält seit Jahrzehnten in Puerto Montt ein Büro mit sechs Mitarbeitern. Auf diese kann sie sich ganz und gar verlassen, versichert sie stolz, weshalb sie es sich erlauben kann, schwierigen Aufgaben wie dem Vorsitz des Kirchenvorstands einen Großteil ihrer Zeit zu überlassen. Überdies amtiert sie als Vorstandsmitglied des Seniorenheims der Süd- und der Seegemeinde. So kommt es, dass ihr Telefon selten still steht: «Heute fing es um 8 Uhr an zu bimmeln und ich führte ein Gespräch nach dem anderen, bis kurz vor halb 11», was sie nicht im geringsten aufregte, denn «es ist ja nur eine Frage der Organisation». Und seelenruhig zieht sie den Schluss: «Ich werde mich nie pensionieren lassen.»

Foto: privat

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