Ein Pionier in der Gehirnforschung
Der Chirurg, Neurologe und Anthropologe Paul Broca fand heraus, dass ein Areal im Gehirn bei der Bildung von Sprache entscheidend ist. Seine Entdeckung des Broca-Zentrums revolutionierte das wissenschaftliche Verständnis der Sprachproduktion, der Sprachverarbeitung und des Sprachverständnisses.
(PD, sik) Pierre Paul Broca kam am 28. Juni 1824 in Sainte-Foy-La-Grande, zwischen Bordeaux und Bergerac, als drittes Kind des Landarztes und Chirurgen Benjamin Broca und dessen Frau Annette, Tochter eines hugenottischen Pastors, zur Welt. Sein Vater war als «Arzt der Armen» in dieser ländlichen Kleinstadt bekannt und beliebt.
Der hochbegabte Junge ging mit acht Jahren in das Collège, mit 16 Jahren erhielt er den Bachelor in Literatur und Geschichte und bewarb sich an der Polytechnischen Schule von Paris, musste aber aufgrund seines Alters noch ein Jahr warten. Der Tod seiner Schwester Léontine führte ihn dann wohl zum Entschluss, doch Medizin zu studieren.
Broca wurde rasch Professor für Chirurgische Pathologie an der Pariser Universität. Mit 24 Jahren war er bereits berühmt und erhielt diverse Auszeichnungen und Preise.
Brocas Zeitgenossen beschreiben ihn als großzügig, einfühlsam und liebenswürdig. 1848 gründete er die Société des libres-penseurs (Freidenker-Gesellschaft). Der Mediziner wurde 1868 Mitglied der «Académie de Medicine» und erhielt schließlich den Lehrstuhl für klinische Chirurgie, den er bis zu seinem Tod innehatte.
Parallel zu seiner medizinischen Karriere beschäftigte er sich mit der Anthropologie, gründete 1859 die «Société d’antropologie de Paris» zur Forschung zum Menschen, 1872 die Zeitschrift «Revue d‘anthropologie» und vier Jahre später das Institut für Anthropologie. Dies brachte ihm viel Kritik seitens der Kirche und des Staats ein.
Broca schrieb hunderte von Büchern und Artikeln, allein 53 über das Gehirn. Er setzte sich für ein öffentliches Gesundheitswesen und die Bildung von Frauen ein. In seinen Arbeiten zur Neuroanatomie verbesserte er das Verständnis über das limbische System.
Was Broca aber einen Platz in der Medizingeschichte sicherte, war seine Entdeckung des Sprachzentrums im Gehirn, heute bekannt als Broca-Areal im Frontallappen der linken Gehirnhälfte. Seine Entdeckung verdankte er «Monsieur Tan», der in Wirklichkeit Louis Victor Leborgne hieß.
Broca studierte im Jahr 1860 Patienten mit einer Sprachstörung. Sein erster Patient konnte nur noch die Silbe «Tan» aussprechen. Das Sprachverständnis schien jedoch nicht beeinträchtigt zu sein, da er durchaus in der Lage war, Fragen zu verstehen. Durch Artikulation verschiedener Betonungen und Aneinanderreihungen dieser einen Silbe versuchte «Monsieur Tan» die Fragen zu beantworten. Die Autopsie ergab später, dass ein Teil der linken Gehirnhälfte eine Läsion aufwies. Broca folgerte daraus, dass diese Stelle maßgeblich an der Sprachproduktion beteiligt sein müsse.
Er machte seine Entdeckung 1861 in der «Sociéte d’anthropologie de Paris» bekannt und gilt als der Begründer der Gehirnchirurgie. 1870 wurde Broca Mitglied der Académie Française. Sechs Monate vor seinem Tod wurde er zum Senator auf Lebenszeit gewählt.
Paul Bronca starb am 8. Juli 1880 im Alter von 56 Jahren an den Folgen einer Gehirnblutung. Im Eiffelturm ist sein Name unter weiteren 71 Namen eingraviert. In Deutschland wird am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig die Forschung Brocas fortgeführt.
Quellen: Carl Sagan, Broca’s Brain: Reflections on the Romance of Science, New York: Random House 1979; Francis Schiller, Paul Broca: Founder of French Anthropology, Explorer oft the Brain, Berkeley, Los Angeles, London: University of California Press 1979 (Neue Ausgabe 2024)