Kein großes Opernhaus verzichtet darauf, sie im Repertoire zu haben: «Die Fledermaus». Die schmissigen Walzer, die mitreißenden Arien und die bewegte Handlung, die sich an so verschiedenen Schauplätzen wie der hocheleganten Villa eines russischen Adligen und einem Gefängnis abspielt, füllen die Theater seit anderthalb Jahrhunderten.
Gabriel von Eisenstein, ein selbstbewusster Rentner der gehobenen Wiener Gesellschaft, hat einen Beamten beleidigt und muss deshalb eine achttägige Arreststrafe antreten. Sein Freund Falke überredet ihn, sich erst am nächsten Tag im Gefängnis zu melden und ihn zu einem Fest bei dem Prinzen Orlofsky zu begleiten. Hier flirtet Eisenstein mit einer maskierten Schönen und merkt, als es schon zu spät ist, dass es sich um Rosalinde, seine eigene Frau, handelt. Nach etlichen Irrtümern, die ein großes Durcheinander zur Folge haben, landet die gesamte Gesellschaft im Zuchthaus, wo der Wirrwarr sich schließlich aufklärt.
Das Werk kam bei Publikum und Kritik nach der Premiere 1874 im Theater an der Wien gut an und konnte sich, besonders nachdem Gustav Mahler es 1894 im Stadttheater Hamburg dirigierte, im Repertoire der großen Bühnen nicht nur halten, sondern zu ihrem festen Bestandteil entwickeln.
In mehreren renommierten Opernhäusern ist es seit Jahrzehnten Tradition, «Die Fledermaus» zu Silvester aufzuführen. Kenner unter dem Publikum sind bei jeder Neuinszenierung auf die Figur des Gerichtsdieners Frosch neugierig, eine Sprechrolle, die ihrem Darsteller im letzten Akt die Möglichkeit gibt, nach Belieben zu improvisieren. Eine Sensation war zum Beispiel der Tenor Leo Slezak, der für seinen Sinn für Humor und seine Schlagfertigkeit ebenso beliebt wie gefürchtet war. In einer Inszenierung der Wiener Staatsoper improvisierte er derart ungehemmt, dass das Stück nicht mehr zu erkennen war. Das Publikum bog sich vor Lachen, der Dirigent starrte entgeistert auf die Bühne, der Souffleur schlug das Buch zu und hielt sich den Bauch.
In Chile wurde das Stück bisher nicht oft, aber dafür umso erfolgreicher aufgeführt. In den 1970er Jahren ging im Santiaguiner Teatro Municipal eine Produktion über die Bühne, in der Fritz Uhl den Eisenstein sang. Dieser herausragende österreichische Tenor mit Bayreuth-Hintergrund hatte in der Schallplattenaufnahme von Wagners «Tristan und Isolde» unter Georg Solti die männliche Hauptrolle übernommen. Als Frosch wirkte Gerd Nast mit. Mit seiner knackigen vis comica zog der ehemalige Schauspieler der Deutschen Kammerspiele zum Ergötzen der Zuschauer die kürzlich eingeführte Mehrwertsteuer (IVA) gründlich durch den Kakao.
In den 1990er Jahren brachte das Municipal eine Neuproduktion der «Fledermaus» heraus. Diesmal spielte der beliebte Komiker Coco Legrand den Frosch. Seine Leistung wurde einstimmig gelobt, nicht so der Regieeinfall zu Beginn des Gefängnisakts, das Brummen eines Hubschraubers ertönen zu lassen – eine klare Anspielung auf die kurz davor erfolgte Flucht der Mörder Jaime Guzmáns aus dem Cárcel de Alta Seguridad von Santiago.
«Die Fledermaus» ist mit ihrem anspruchsvollen Notentext für Solisten, Chor und Orchester eine Herausforderung der besonderen Art. Johann Strauss ist es mit dieser Schöpfung gelungen, eine leichte Komödie derart gut zu gestalten, dass ihre Interpretation nur ersten Kräften vorbehalten ist, mitunter ein Grund, weshalb sie von den großen Bühnen und den verwöhntesten Opernliebhabern so geschätzt wird.