Der «Schneetiger»
Tenzing Norgay war ein nepalesisch-indischer Bergsteiger. Berühmt wurde der Angehörige des Volkes der Sherpa, als er zusammen mit dem Neuseeländer Edmund Hillary 1953 als erster Mensch auf den Gipfel des Mount Everest stieg.
In den letzten Jahren erlebt der Mount Everest einen starken Bergsteigertourismus, und immer neue Rekorde werden angestrebt, doch ohne Sherpas, jene einheimischen Bergführer oder «Hochträger», kommen keine Expeditionen aus. Dem Sherpa Tenzing Norgay gelang es 1953, erstmals zusammen mit dem Neuseeländer Edmund Hillary den «Gipfel der Welt» zu erklimmen, womit beide zu Bergsteigerhelden wurden und Tenzing zudem zur Symbolfigur der Sherpas.
Aufstieg zum Bergführer
Tenzing Norgay, der zunächst Namgyal Wangdis hieß, wurde wahrscheinlich im Frühjahr 1914, vor 110 Jahren, als elftes Kind von 13 Kindern der tibetischen Yakhirten Ghang La Mingma und seiner Frau Doko geboren. Seinen Geburtstag feierte er später am Tag der erfolgreichen Besteigung des Everest, am 29. Mai. Seine Eltern wollten ihn im Kloster zu einem Lama (Lehrer) ausbilden lassen, aber Tenzing verließ das Kloster und kehrte zu seiner Familie zurück, wo er die Yakherde hütete.
Später arbeitete er mehrere Jahre für eine wohlhabende Sherpa-Familie in Khunjung, flüchtete dann aber mit 18 Jahren mit der Tochter des Hauses nach Darjeeling in Westbengalen (Indien). Mit 19 wurde er als Träger in einer ersten Expedition zum Mount Everest ausgewählt und begleitete 1935 den Briten Eric Shipton in einer Aufklärungsexpedition in Nepal zum Everest. In den nächsten Jahren nahm er an mehreren Everest-Expeditionen teil, mehr als jeder andere Bergsteiger zuvor.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Tenzing ein Sirdar, Organisator von Trägern und Hauptbergführer, und begleitete eine Reihe von Expeditionen zum Everest und anderen hohen Bergen des Himalayas. 1952 wurde er Sirdar und Vollmitglied bei zwei Schweizer Expeditionen auf der Südroute zum Everest.
Als Erster auf dem «Dach der Welt»
Als Sirdar nahm er dann auch an der britischen Everest-Expedition von 1953 teil und bildete mit dem Neuseeländer Edmund Hillary das zweite Bergsteigerteam. Nachdem das erste Team seinen Versuch abbrechen musste, kam die Stunde für Tenzing und Hillary. Sie begannen am Morgen des 29. Mai ihren letzten Aufstieg von ihrem Zelt in 8.500 Meter Höhe aus und erreichten um 11.30 Uhr den Gipfel. Dort verbrachten sie 15 Minuten, machten ein Foto vom Gipfel und Tenzing hinterließ ein Speiseopfer für die Götter.
Vom Helden zum «Verräter»
Nach dieser Leistung wurde er von vielen Nepalesen und Indern als legendärer Held gefeiert und verehrt. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die britische George-Medaille und den «Stern von Nepal».
Als er aber dann 1954 die Leitung des neu gegründeten «Himalayan Mountaineering Institute» (HMI) in Darjeeling übernahm, nahmen ihm die Nepalesen dies übel und er wurde sogar bei seiner Abreise nach Indien bespuckt. Er blieb bis 1964 Direktor des Bergsteigerausbildungsinstituts, wurde dann zum Inspekteur abgestuft, blieb aber bis zur Pensionierung 1972 im Institut tätig. Danach arbeitete er als Reiseleiter weltweit für US-amerikanische Agenturen.
Tenzing Norgay starb am 9. Mai 1986 im Alter von 71 oder 72 Jahren in Darjeeling, was nur von wenigen europäischen Zeitungen vermeldet wurde. Bei seiner Beerdigung war der Trauerzug über einen Kilometer lang, womit ihm zuletzt doch noch ein Zeichen des Respekts entgegengebracht wurde.
Sein Sohn Jamling Tenzing Norgay erreichte 1996 ebenfalls den Everest, und im folgenden Jahr auch sein Neffe, Tashi Tenzing.
Deutsche, österreichische und chilenische Bergsteiger
In Deutschland ist vor allem der Südtiroler Reinhold Messner bekannt, der 1978 mit dem Österreicher Peter Habeler als Erster den Everest-Gipfel ohne Sauerstoffgeräte erreichte. Im selben Jahr war der Student Reinhard Karl aus Heidelberg als erster Deutscher auf dem «Dach der Welt», nur drei Tage nach Habeler und Messner. 1992 war Cristián García-Huidobro der erste Chilene auf dem Everest. 1999 konnte die deutsche Bergsteigerin Helga Hengge den Titel als erste deutsche Frau auf dem höchsten Berg der Welt erringen, nachdem der Versuch von Hannelore Schmatz von 1979 mit deren Tod beim Abstieg endete und daher nicht als erfolgreiche Besteigung anerkannt wird. Als erste Chilenin kam Patricia Soto 2001 zum Gipfel.
Mittlerweile leidet der Mount Everest am Klettertourismus und den dabei hinterlassenen Müllbergen. Man denkt nun an eine Beschränkung des Zugangs, auch aufgrund von zahlreichen Unfällen.
Lesenswert sind: Jamling Tenzing Norgay, «Touching My Father’s Soul. In the Footsteps of Sherpa Tenzing» 2001; 2023 (Dt.:«Auf den Spuren meines Vaters. Die Sherpas und der Everest», im Heyne-Verlag 2003; 2008) und die Autobiografie von Tenzing Norgays, «Man of Everest» von 1955.