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martes, 15. octubre 2024
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Porträt – Verena Kulenkampff

Präsidentin der Stiftung Red Inmigrante

«Die Realität der Migranten besser verstehen»

«Wenn ich heute in einem anderen Land wäre, würde ich dann alle Gesetze dieses Landes kennen? Würde ich wissen, wie alles funktioniert?» Verena Kulenkampff hat sich aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit der Situation zunächst der Haitianer, dann aber auch anderer Immigranten in Chile auseinandergesetzt. Um ihnen zu helfen, gründete sie vor acht Jahren die Stiftung Red Inmigrante, die bereits 10.000 Menschen geholfen hat. Für ihren Einsatz wurde sie unter anderem 2023 vom Mercurio als eine der 100 Young Leaders of Chile ausgezeichnet.

Verena Kulenkampff ist 1991 in Santiago geboren und hat dort die Schweizer Schule besucht. Mit neun Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Los Ángeles, wo sie Schülerin der Deutschen Schule wurde: «Ich hatte an der Schweizer Schule nur Deutsch gesprochen. Daher musste meine Mutter mir die Matheaufgaben für den Aufnahmetest für die DS Los Ángeles auf Deutsch übersetzen, weil ich die Zahlen nicht auf Spanisch kannte.» Eine besonders eindrückliche Erfahrung sei in der Schulzeit der Schüleraustausch nach München für sie gewesen.

Im Rückblick meint Verena, dass ihr deutscher Hintergrund sie «auf verschiedene Weise beeinflusst habe. Ich denke, dass das Erlernen von mehr als einer Sprache und Kultur seit meiner Kindheit mir geholfen hat, der Profi zu werden, der ich heute bin. Es hat mir ermöglicht, die Realität der Migranten, mit denen ich arbeite, besser zu verstehen, mich besser an verschiedene Kulturen anzupassen, und ich glaube auch, dass ich dadurch leichter andere Sprachen lernen konnte. Auch ohne selbst ein Migrant der ersten Generation zu sein, konnte ich mich durch meinen Hintergrund besser in die Menschen einfühlen, mit denen ich arbeite». Dadurch wisse sie, wie schwierig es sei, sich in einem Land einzugewöhnen, anzupassen und bei einem Wohnsitzwechsel ganz von vorne anzufangen.

Nach ihrem Schulabschluss begann sie Physiotherapie an der Universidad del Desarrollo zu studieren. Während ihrer gesamten Studienzeit engagierte sie sich bereits in verschiedenen Freiwilligenprojekten der Universität.

Die ausgebildete Physiotherapeutin bewarb sich bei América Solidaria, einer Organisation, die sich in mehreren lateinamerikanischen Ländern für ein besseres Leben vor allem für ausgegrenzte Kinder und Jugendliche einsetzt. Ein Jahr lang arbeitete Verena in einer Klinik für körperliche Rehabilitation in Haiti. Danach kam sie nach Chile zurück und übernahm die technische Leitung eines Altenpflegeheims. 

Wie kam es zur Gründung des Stiftung Red Inmigrante (Redin)? In der Zeit in Haiti hatte sie gut Französisch sprechen gelernt, als «daher die ersten Haitianer 2017 nach Los Ángeles kamen, wurde ich auf sie aufmerksam. Mir war klar, wie es ihnen hier gehen würde – nicht nur weil sie wegen ihrer Hautfarbe auffielen, sondern auch weil sie kein Spanisch sprachen». Daraufhin habe sie einige angesprochen und begonnen, ihnen Spanischunterricht zu geben, um ihnen bei der Integration zu helfen. «Das Merkwürdige war», wie der jungen Frau auffiel, «dass spanischsprachige Einwanderer, Venezolaner, Kolumbianer oder Ecuadorianer, zu meinen Spanischkursen kamen. Zwar kannten sie die Begriffe Fonasa, AFP oder Cesfam, die zum Alltag der Chilenen gehören, aber sie wussten nicht, was sie bedeuten, wenn man sie ihnen nicht erklärte.» Das sei der Moment gewesen, in dem ihr bewusst geworden ist: «Es gibt ein ernsthaftes Informationsproblem für Migranten und es ist wichtig, dieses Problem anzugehen, damit sie sich gut integrieren können.» Daher beschloss Verena, eine Stiftung zu gründen, die Beratung zu Migrationsfragen anbietet und Migranten bei der Integration hilft.

Heute kann die Stiftung auf ihr achtjähriges Bestehen zurückschauen und hat bereits über 10.000 Menschen geholfen. Verena erzählt über die Aufgaben von Redin: «In erster Linie bieten wir Beratung und Unterstützung bei der Durchführung von Migrationsverfahren an: Wie man seinen Status legalisiert, wie man ein Visum in Chile beantragt, wie man Zugang zum Bildungs-, Gesundheits- und Arbeitssystem erhält und einiges mehr. In zweiter Linie schulen wir sowohl Chilenen als auch Ausländer zu verschiedenen Themen, die zur Integration von Migranten beitragen, zum Beispiel wie man Ausländer einstellt, Sprachkurse oder Workshops zu Beschäftigung oder Unternehmertum anbietet.»

Während der Pandemie trat Verena eine Stelle am Zentrum für öffentliche Politik an der Pontificia Universidad Católica in Santiago an, wo sie bis heute als Managerin für Bürgerbeteiligung in dem Projekt «Tenemos Que Hablar de Chile» arbeitet. Da sie dort im Homeoffice tätig sein kann, lebt sie weiterhin in Los Ángeles. Sie ist außerdem als Präsidentin von Redin und durch ihre Arbeit der Stiftung Teil des Consejo de Sociedad Civil der Stadt Los Ángeles und des Biobío Health Seremi.

Was gefällt ihr bei ihrer Tätigkeit in der Stiftung besonders? «Wenn ich sehe und spüre, dass unsere Arbeit wirklich nützlich ist und der Gesellschaft hilft; die Erleichterung und Freude in den Gesichtern der Menschen zu sehen, wenn sie endlich verstehen, was sie tun müssen, damit sie entsprechend der Regeln in Chile leben können, wenn ein Verfahren funktioniert hat oder wenn sie zu uns kommen, um zu erzählen, was sie erreicht haben. Das Gefühl, dass man das Leben der Menschen positiv verändert hat, ist unbezahlbar!» 

Gibt es eine Möglichkeit, auch wenn man nicht Experte ist, Migranten zu helfen? «Ich denke, das Wichtigste ist, dass man sich Zeit nimmt, die Menschen und ihre Lebensumstände kennenzulernen, denn dann kann man sich in sie einfühlen. Wir neigen dazu, Menschen zuerst zu verurteilen, dabei ist der beste Weg, ihnen zu helfen, sie kennenzulernen.» Darum betont sie: «Erst wenn man die Realität der anderen Person kennt, kann man verstehen, warum sie auf die eine oder andere Weise handelt.».

Foto: Temos Que Hablar de Chile

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