«Wettlauf um Reserven»
Spezialausgabe – Exponor 2024
Bei der Exponor 2024 werden dieses Jahr mehr als 850 Aussteller aus 30 Ländern in Antofagasta erwartet. Anlässlich der von der Deutschen Auslandshandelskammer Chile organisierten Bergbaumesse vom 3. bis 6. Juni sprach der Cóndor mit Dr. Stefanie Schmitt über die Entwicklung des Lithium- und Kupferbergbaus in Chile. Sie leitet seit drei Jahren das Auslandsbüro von Germany Trade & Invest in Santiago (GTAI). Die Bundesrepublik Deutschland ist Alleingesellschafterin der GTAI und wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vertreten. Ihre Aufgabe ist es, an mehr als 50 Standorten weltweit deutsche Unternehmen beim Auslandsgeschäft oder ausländische Firmen bei der Ansiedlung in Deutschland zu unterstützen.
Welche Bedeutung hat Chile weltweit im Bereich Lithium und Kupfer?
Bei Kupfer und Lithium ist Chile in zweierlei Hinsicht führend. Es besitzt die größten Kupfer- und Lithiumreserven der Welt, und es spielt darüber hinaus bei der Förderung ganz vorne mit: Bei der Kupferförderung steht Chile mit einem Weltmarktanteil von rund 23 Prozent ganz klar an erster Stelle vor der Demokratischen Republik Kongo und Peru. Bei Lithium belegt Chile mit einem Anteil von 24 Prozent Rang zwei hinter Australien.
Darüber hinaus steht Chile bei der Raffination von Kupfer weltweit an zweiter Stelle nach China. Lithium wird hier in erster Linie zum marktfähigen Lithiumkarbonat und -hydroxid weiterverarbeitet und als solches exportiert. Die eigentliche Veredelung findet allerdings vor allem in China statt. Generell geht der Großteil des in Chile gewonnenen Kupfers und Lithiums in den Export.
Wie hat sich die chilenische Bergbaubranche in Bezug auf Nachhaltigkeit in den letzten Jahren verändert?
Man darf sich nichts vormachen. Bergbau und Verhüttung sind immer ein tiefer Eingriff in die Natur und mit sozialen Risiken verbunden. Auch in Chile haben Bergbaukonzerne ökologische und soziale Belange oft zu wenig berücksichtigt. Doch in den letzten Jahren hat sich viel verändert. Schon allein aus Kostengründen spielen Energie- und Wasser-
effizienz eine wachsende Rolle.
Doch auch darüber hinaus nehmen die Abbaufirmen ökologische und soziale Belange ernster und lassen sich entsprechend zertifizieren, insbesondere mit Standards wie Irma und Copper Mark. Viele haben sich im Rahmen von Selbstverpflichtungen zur Dekarbonisierung bekannt. Auf der anderen Seite kontrollieren die Behörden die Einhaltung von Sicherheitsstandards. Generell ist das Umweltmonitoring in Chile vergleichsweise gut entwickelt und Kinderarbeit ist – anders als in anderen lateinamerikanischen Ländern – kein Thema.
Druck kommt aber auch von der Kundenseite, das heißt von Abnehmern, die ihre globalen Lieferketten nachhaltiger und sozialer ausgestalten wollen – und zunehmend hierzu gesetzlich verpflichtet werden. Darüber hinaus zeigt der Blick auch über die Landesgrenzen hinweg, dass soziale Proteste für Bergbauunternehmen immer mehr zum Risiko werden. Mit anderen Worten: Ohne die «Social Licence to Operate», die gesellschaftlich erteilte Betriebslizenz, läuft nichts mehr.
Was raten Sie Unternehmen, die im Bereich Bergbau in Chile investieren wollen? Auch im Vergleich zu anderen Ländern, in den die Schlüsselrohstoffe abgebaut werden?
Chile hat eine zentrale Rolle bei der globalen Rohstoffsicherung. Hauptabnehmer chilenischen Kupfers und Lithiums ist allerdings die Volksrepublik China. Dadurch können für Drittländer potenziell gefährliche Abhängigkeiten entstehen. Denn Kupfer und Lithium sind Schlüsselrohstoffe für die Energiewende. Die globale Nachfrage nach den beiden Produkten und die Weltmarktpreise für sie dürften langfristig deutlich steigen.
Der Wettlauf um diese Reserven ist in vollem Gange – und China gehört zu den Pionieren. Deutsche Firmen finden sich bislang nur im Zulieferbereich für das chilenische Kupfer- oder Lithiumgeschäft. Dabei kommt laut Deutscher Rohstoffagentur (DERA) mindestens die Hälfte der deutschen Lithiumimporte aus Chile. Und die Nachfrage wird steigen, wenn in Deutschland die geplanten Batteriefabriken in Betrieb gehen.
Preis- und Lieferrisiken für Deutschland sind daher absehbar. Denn während aus chilenischer Sicht der Anteil Deutschlands bei Exporten von Kupfer und Lithium im Vergleich zu China minimal ist, ist umgekehrt die Abhängigkeit sehr hoch. Umso wichtiger ist es für deutsche Abnehmerfirmen, sich zumindest über langfristige Lieferverträge preis- und volumenmäßig abzusichern. Beobachter bezweifeln jedoch, ob das langfristig ausreicht.
Allerdings macht es Chile Investoren bei Lithium nicht besonders einfach. Zwar wurden jetzt nach zwei Jahren des Stillstands wichtige Entscheidungen zur Zukunft des Lithiumabbaus beschlossen. Am 15. April startete eine 60t-tägige Frist, innerhalb der Firmen ihr Interesse am Lithiumabbau an 26 Salaren bekunden können. Der Staatskonzern Enami folgte am 16. Mai mit seiner Ausschreibung zu den Salaren Altoandinos. Doch die einträglichsten Vorkommen (Salar de Atacama und Salar de Maricunga) bleiben unter staatliche Kontrolle und auch sonst sind Konflikte vorprogrammiert wie mögliche Interessenskollisionen zwischen Alteigentümern und neuen Lithiumplayern.
Wo gibt es Ihrer Meinung nach noch Bedarf in dieser Branche, um die Bedingungen für Investoren zu verbessern?
Generell – und dies gilt nicht nur für den Abbau von Rohstoffen – klagen quasi alle Firmen in Chile – darunter auch viele deutsche –mit zunehmendem Nachdruck über die hiesige «Permisología». Manche haben schon Millionenbeträge in Genehmigungsverfahren gesteckt und stehen immer noch am Anfang. Das Problem ist, dass die Verfahren nicht nur lange dauern, sie sind auch unvorhersehbar. Es wurden auch schon Projekte gekippt, weil im Nachhinein die Auflagen verschärft wurden; es gibt sogar Fälle, dass die Politik bereits genehmigte Projekte gestoppt hat. Hier gibt es dringend Verbesserungsbedarf hin zu mehr Klarheit und Konstanz. Dabei war Verlässlichkeit lange Zeit eine Stärke Chiles.
Hinzu kommt, dass Chile längst kein preiswerter Standort mehr ist. Die Unternehmensteuer etwa liegt mit einem Satz von 27 Prozent über dem OECD-Durchschnitt. Ein weiteres Problem sind fehlende Fachkräfte und geringe Produktivität. Mit anderen Worten: Wenn schon schwierig und teuer, dann sollten wenigstens die anderen Rahmenbedingungen stimmen.
Wobei Chile natürlich auch seine guten Seiten hat. Es ist demokratisch, sicher und politisch unbedenklich. In Lateinamerika belegt es regelmäßig Rang zwei im Transparency Corruption Index, nach Uruguay. Darüber hinaus gehört Chile zu den offensten Volkswirtschaften der Welt. Außer Mitgliedschaften in der Welthandelsorganisation (WTO) oder in der OECD hat das Land 30 Handelsabkommen abgeschlossen. Impulse für den Handel und Investitionen sind außerdem vom modernisierten Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Chile zu erwarten. Dieses liegt gegenwärtig im chilenischen Kongress zur Abstimmung und könnte danach in den nicht ratifizierungspflichtigen Teilen direkt in Kraft treten..
Die Fragen stellte Silvia Kählert.