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martes, 15. octubre 2024
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Hermann Fölsch – Weg und Erfolg eines Hamburger Salpeter-Millionärs

Salpeter bestimmte Chiles Wirtschaft über Jahrzehnte. Prägend für diese Epoche waren auch Deutsche: Hermann Fölsch und sein Freund und Geschäftspartner Federico von Martin (im Cóndor vom 2. Februar vorgestellt) sorgten für den Abbau und Handel des Salpeters und wurden erfolgreiche Unternehmer. Noch heute erinnert der Fölsch-Block beim Hamburger Rathaus an diese Zeit, die auch in der Hansestadt einen Boom zur Folge hatte.

Hermann Fölsch (1845-1920)

Nicht erst heute gefällt es Vätern für die Zukunft ihrer Söhne große Pläne zu haben. Doch sobald es dann so weit ist, diese in ein Alter gekommen sind, in dem sie selbst sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen pflegen, müssen schlagartig auch die schönsten Pläne ad acta gelegt werden. Dies erlebte auch um das Jahr 1860 herum der Hamburger Önologe und Weinprüfer Johann Heinrich Fölsch, der liebend gern seinen zweiten Sohn Hermann Conrad Johannes als Maschineningenieur gesehen hätte, ihn deshalb zur Lehre in bekannte Unternehmen schickte. Seine Lehrzeit beschloss der junge Mann im Polytechnikum in Karlsruhe mit dem Diplom eines Ingenieurs.

Jedoch wider elterliches Erwarten befriedigte den Sohn Hermann diese Berufsrichtung nicht. Er kehrte der Technik den Rücken, begann eine kaufmännische Ausbildung, die nach anderthalb Jahren mit dem Erhalt des Kaufmannsgehilfenbriefes endete.

Harriet Fölsch, Ehefrau von Hermann Fölsch und Schwester von Henry B. Sloman

Sollte dieses so etwas wie eine Vorausschau auf seine spätere Laufbahn als Salitrero gewesen sein, eines Pioniers auf dem Feld des Abbaus und der Vermarktung des weißen Goldes von Tarapacá, des Salpeters aus der trockensten Wüste Nordchiles? Was der Lehrling damals natürlich noch nicht ahnen konnte: Die Kenntnisse beider Ausbildungen – sowohl die des Maschinenbaus als auch die eines hanseatischen Kaufmanns – sollte er einmal bitter nötig haben. 

Von Peru nach Chile

Für angehende hanseatische Kaufleute war es üblich – und ist es heute noch -, dass man nach abgeschlossener Ausbildung erst einmal für einen längeren Zeitraum in die weite Welt zieht, «sich den Wind um die Nase wehen lässt». Für Hermann Fölsch gab es keine Ausnahme. Bereits im jungen Alter von 20 Jahren trat er seine erste große Reise an, besuchte Norwegen, Schottland und England, schiffte sich schließlich in Liverpool mit dem Ziel Callao, dem Hafen von Lima, ein. Dort traf er Ende November des Jahres 1866 ein.

Nach einigen Anfangsschwierigkeiten fand er Anstellung in einer deutschen Firma, wo sich ihm Gelegenheit bot, reiche Kenntnisse der südamerikanischen Verhältnisse und Gebräuche zu erwerben. Er soll auch beim Bau der peruanischen Zentralbahn gearbeitet haben, was ihm später auf den Salpeterfeldern sehr zunutze kam.

Drei Jahre hielt der junge Mann in Peru aus, dann bot man ihm eine Stellung bei der chilenischen Salpeter-Bahn von Iquique an. Über diesen Wechsel darf man sich heute nicht wundern, wurden doch die peruanische Zentralbahn und die Salpeter-Bahn von englischen Ingenieuren erbaut, Fachleute regelrecht weitergereicht. Wer sich im Rechnungswesen und dazu etwas in der Technik auskannte, war sowohl in Peru als auch in Chile sehr gefragt. 

Ganze zwei Monate hielt es Hermann bei der Eisenbahn aus, dann rief ihn Anfang Januar des Jahres 1870 der Geschäftsführer der Firma Ceballos y Ugarte Ltda. und Konsul des Norddeutschen Bundes, der Lauenburger Jorge Hilliger in sein Unternehmen. Jorge Hilliger war selbst approbierter hanseatischer Kaufmann. Kurz zuvor hatte er den aus dem südchilenischen Valdivia eingereisten Federico Martin in seinem Büro angestellt und so ergab sich bald folgende Situation: Zwei junge Männer trafen unter der brennenden Sonne der Tarapacá-Wüste aufeinander. Schnell freundeten sich Fölsch und Martin an, ergaben das, was man heute ein «solides Team» nennen würde.

Kleiner Anfang mit der «Oficina Paposo» bei Iquique

Der ortskundige Jorge Hilliger hatte gegen 1870 aus einer Insolvenz das Salpeterwerk die «Oficina Paposo» übernommen, die er zwei Jahre später seinen gelehrigen Schülern Fölsch und Martin überließ. Beide gründeten ihre eigene Firma, legten ihre Ersparnisse zusammen und konnten mit einem Kredit eines Bankhauses aus Valparaíso sowie dem Ratschlag ihrer bisherigen Chefs rechnen. Mit jugendlichem Elan legten sie los.

«Oficina salitrera Paposo» der Firma Fölsch & Martín in La Noria: Dieses erste von insgesamt acht Salpeterwerken wurde 1872 errichtet, 1916 verkauft und 1931 stillgelegt. 
Foto: Luis Boudat Ducollier – L. Boudat y Ca, Album de las Salitreras de Tarapacá, Iquique, 1889

Hierzu bedarf es einer Erklärung. In jenen fernen Tagen nannte man die ersten, noch sehr primitiv per Hand betriebenen Salpeterbetriebe eine Parada, dagegen solche, die schon die Handarbeit durch Dampfmaschinen ersetzt hatten, eine Oficina. Jorge Hilliger hatte der Oficina Paposo Maschinen verkauft, die diese aber nicht bezahlen konnte. Auf diesem Umweg gelangte die Oficina Paposo über eine Insolvenz in die Hände des Lauenburger Hilliger und entwickelte sich letztendlich zum Grundstock des Salpeter-Imperiums Fölsch und Martin.

Rasch dehnte sich das neue Unternehmen aus. Iquique gehörte seinerzeit noch zur Republik Peru. Die Hauptstadt Lima lag allerdings fern hinter der endlosen, harten Wüste und dadurch auch fern der Einflussnahme und Kontrolle der peruanischen Behörden. Man hielt es mit Valparaíso, der größten, weltoffenen Hafenstadt Chiles am Pazifik. Salpeter wurde über Valparaíso nach europäischen Häfen verladen, der Hafen Callao, eigentlich der amtliche Hafen der Republik Peru, nicht beachtet.

Als nun stolzer eigenständiger Salitrero reiste Hermann Fölsch gegen Ende des Jahres 1874 nach Hamburg zurück, heiratete dort seine Jugendfreundin Harriet Sloman, Schwester seines Schulfreundes Henry Sloman, der inzwischen auch in Iquique eingetroffen, die technische Leitung des Salpeterwerkes Paposo übernommen hatte. Im Jahr darauf traf Hermann Fölsch mit Frau Harriet in Iquique ein, im gleichen Jahr erblickten der erste Sohn Juan Enrique Hermann, später Tochter Enriqueta Regina in Iquique das Licht der Welt. Damals gab es weder in Peru noch in Chile Standesämter, Kinder wurden nach der obligatorischen Taufe in das Taufregister der zuständigen katholischen Gemeinde eingetragen, denn diese Konfession war bis Ende des 19. Jahrhunderts die einzig offiziell anerkannte, Ausnahmen wurden nur in wenigen chilenischen Gemeinden, wie in Valparaíso, geduldet. Laut Bestimmung der Kirche durften nur Namen aus dem Heiligenregister ausgewählt werden.

Ein Firmenunternehmen in Iquique stellte damals eine Großfamilie dar. In der Regel wohnten im gleichen Haus die ledigen Angestellten, wurden auch dort verköstigt, während im Obergeschoss die Familie des Unternehmers ihre Bleibe fand. Büro und Lagerschuppen befanden sich ebenfalls im gleichen Gebäude. Auch Mitarbeiter, die gelegentlich aus einem der Salpeterwerke zur Berichterstattung oder aus anderen Gründen eintrafen, brachte man im gleichen Haus unter, sodass Harriet Fölsch als Haushaltungsvorstand wirklich vollauf beschäftigt war. Es war nicht leicht, denn die Versorgung war umständlich. Lebensmittel wurden aus dem südlich gelegenen Chile auf dem Schiffsweg eingeführt, waren knapp, teuer und oft nicht mehr genießbar, wenn sie nach einer vierzehntägigen Schiffsreise eintrafen. Gefriergeräte kannte man noch nicht. Dienstpersonal für den Haushalt war kaum aufzutreiben, Frauen überhaupt selten in Iquique.

Zurück nach Hamburg

Der Fölsch-Block am Hamburger Rathausmarkt gilt neben dem vor 100 Jahren von Henry B. Sloman fertiggestellten Chilehaus als Symbol für den Aufschwung der Hansestadt während der Salpeterzeit.
Foto: Florian Mallok

Die junge Familie Fölsch blieb nicht mehr lange in Iquique, erlebte dort den Pazifischen Krieg nicht mehr, der in Deutschland als Salpeterkrieg bekannt wurde. Die Familie war kurz zuvor, im Jahre 1877, endgültig nach Hamburg zurückgekehrt, eröffnete dort das Geschäftshaus H. Fölsch, das die Vertretung des Stammhauses in Iquique und auch weitere geschäftliche Tätigkeiten für befreundete Unternehmen in Chile weiterführte. In Chile verblieben der Teilhaber Federico Martin, dessen Familie ja in Valdivia lebte, und der Generalbevollmächtigte Henry Sloman, Bruder von Harriet Fölsch. Beide überstanden die Wirren des Pazifischen oder Salpeterkrieges, der in Iquique im Jahre 1879 mit einer Seeschlacht begann und im Jahre 1881 mit der Besetzung der Stadt durch chilenische Truppen erst ein vorläufiges, dann aber 1884 durch einen Friedensvertrag ein endgültiges Ende fand. Als Folge gehörte nun Iquique zu Chile. Zwar hätte dieser Krieg eigentlich finanzielle Einbußen bringen müssen, aber gerade das Gegenteil war der Fall. Durch geschickte Maßnahmen sowohl vor dem Krieg bei enteignungslüsternen peruanischen Behörden als auch bei der chilenischen Besatzung konnte Henry Sloman erreichen, die Lieferungen aufrechtzuerhalten. Salpeter wurde weiter geliefert, die Erlöse flossen weiter auf die Konten bei britischen Banken. 

Schulklasse in Taltal
foto: cantontalta

Jetzt zurück in Hamburg, entwickelte Hermann Fölsch umfangreiche Geschäftstätigkeiten. Neben dem Handel mit Salpeter und der Belieferung der zahlreichen eigenen und vertragsgebundenen Salpeterwerke in Nordchile mit Maschinen und Zubehör – inzwischen war man auch im weiter südlich gelegenen Taltal aktiv geworden – drängte es den jungen Mann in ein typisch Hamburgisches Kaufmannsgeschäft, in die Reederei. Zunächst als Partner einer anderen Reederei, dann mit eigenen Segelschiffen, denn Dampfer waren wegen des aufwendigen Kohleverbrauch zu kostspielig für den Transport eines Massengutes wie des Salpeters. Da spielte keine Rolle, dass ein Segler drei bis vier Monate auf See war, bis er Hamburg erreichte, wichtig war, die Transportkosten niedrig zu halten. 

Jetzt kennen wir die Vorgeschichte – muss man sich nun wundern, dass die ersten beiden Segler der Reederei Fölsch «Iquique» und «Paposo» hießen? 

Wissenswert an dieser Stelle ist, dass um die Jahrhundertwende 1900 ungefähr ein Viertel des gesamten chilenischen Salpeteraufkommens durch die Hände der Unternehmer Hilliger, Slomann, Fölsch, Martin und Gildemeister (Peru) lief.

«Bruder Fölsch» 

Vorausschauend legte Hermann Fölsch sein Geld in Immobilien an. Mehrere Grundstücke in Hamburg begannen das Portefeuille des Salitrero aus Iquique zu füllen. Zwischen 1949 bis 1951 ließ die Familie den Fölsch-Block, ein Hochhaus mit Geschäftsräumen und Büros im Zentrum der Hansestadt, errichten.

Darüber hinaus florierte das Unternehmen Fölsch & Martin auch in Chile. Im Jahre 1880 betrieb man acht Salpeter-Oficinas, sowohl im Canton Iquique als auch im Canton Taltal, dazu kamen Guano-Lager, Schiffs-Agenturen und Verwaltungsbüros. Die Oficina Alemana im Cantón Taltal war im Jahre 1963 noch in Betrieb. Dicken, schwarzen Rauch, aus dem alles überragenden Schornstein, konnte der Chronist beobachten, als er damals das Hochland vor Taltal besuchte, um die Geschichte der Taltal-Eisenbahn zu erforschen. Wenige Jahre später wurde auch diese Oficina stillgelegt. Im selben Jahr verließ Federico Martin endgültig Iquique, neun Jahre nach ihm folgte Henry Sloman. Hamburg war das Ziel der beiden. 

Im Jahr 1891 wollte sich Hermann Fölsch vom geschäftlichen Alltag lösen. Er kaufte das Landgut Moholz bei Görlitz in der Oberlausitz, nicht weit entfernt vom Landgut Rothenburg seines Freundes Federico Martin. Moholz gehörte zum Kreis Niesky, in dem die Herrnhuter Brüdergemeinde einen Sitz hatte. Fölsch schloss sich den Herrnhutern an und war bald als «Bruder Fölsch» eine gern gesehene Persönlichkeit in der Gemeinde, bekannte sich mit ihr für aktives Christentum, für eine schlichte Lebensweise und eine tatkräftige Unterstützung von Notleidenden. Er trat verschiedenen Anstalten christlicher Aktivitäten bei, spendete beachtliche Beträge der Kirche und der ihr angeschlossenen Einrichtungen, half mit Rat und Tat dort, wo Not herrschte.

Als ihm von Kaiser Wilhelm II. zur Anerkennung seiner Leistung die Erhebung in den Adelsstand angeboten wurde, lehnte er dieses mit dem Hinweis auf die einfache Lebensweise ab, der er sich verpflichtet fühlte. 

Als Hermann Fölsch am 1. Dezember 1920 in Moholz starb, hinterließ er einen Sohn, fünf Töchter und neunzehn Enkel. Tochter Helene Elisabeth, 1884 in Hamburg geboren, war im Alter von zwölf Jahren verstorben, die Kinder der übrigen konnten noch lange die Freude und Liebe ihres Opas erleben.

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