«Wasserversorgung sicherstellen»
Chiles Unabhängigkeit von anderen Ländern im Energie-, Wasser- und Nahrungsmittelbereich – dies ist das Ziel des Projekts von Rolf Fiebig. Dazu sieht der Ingenieur den Bau von rund 4.000 Staudämmen an Bächen, Flüssen und Seen vor, vor allem im Süden, um diese als Energiequellen zu nutzen und dort kleine oder mittelgroße Wasserkraftwerke zu errichten. Ein weiteres Ziel: die mit importierter Kohle und Diesel betriebenen und umweltschädlichen Kraftwerke endgültig zu ersetzen. Der Unternehmer erklärt im Cóndor-Interview, wie er sich die Verwirklichung des Projekts vorstellt.
Wie ist die Idee dieses Vorhabens entstanden?
In der langen Zeit der Pandemie zu Hause hatte ich die Gelegenheit, mich intensiv mit der Wasserproblematik in Chile zu beschäftigen und dieses Mega-Projekt ist Resultat der in dieser Zeit gewonnenen Erkenntnisse.
Wo sollen die Dämme konstruiert werden, um Energie herzustellen?
In unseren Bergschluchten im Süden des Landes kann mindestens ein Damm oder es können sogar zwei oder mehr kleine Dämme gebaut werden, um Wasser, das momentan zur Regenzeit im Winter und zur Schmelzzeit im Frühling am Meer ohne jede Nutzung ankommt, für den trockenen Sommer anzusammeln. Damit Privatunternehmer sie bauen und betreiben, gehört zu jedem Damm eine kleine Wasserkraftanlage, die für eine interessante Rentabilität für den Betreiber sorgen würde.
Gibt es weitere Vorteile oder Nutzungsmöglichkeiten?
Die Dämme würden circa 300.000 Hektar Agrarland, die wegen des Klimawandels und der Trockenheit verloren gegangen sind, wieder fruchtbar machen; die Wasserversorgung der kommenden Generation würde sichergestellt sowie auch der Kampf gegen die schrecklichen und jedes Jahr zunehmenden Brände erleichtert werden. Und zu guter Letzt – und dieser Vorteil ist gar nicht zu unterschätzen: Naturkatastrophen, wie sintflutartige Regenfälle, Überschwemmungen und so weiter, könnten hiermit abgemildert werden.
Wieviel Energie kann damit hergestellt werden?
Laut der Weltbank umfasst das chilenische Potenzial an kleinen Wasserkraftwerken circa 30.000 MW. Zurzeit reichen jedoch schon etwa 8.000 MW, um als Alternative für die rund 5.500 MW Kohle- und Diesel-Anlagen zu dienen, wenn die Windräder bei Windstille oder die Sonnenanlagen bei einem bewölkten Himmel oder nachts keine Energie produzieren.
Was motiviert Investoren, sich für das Projekt zu engagieren?
Diese Damm- und Energieerzeugungsprojekte sind verbunden mit einer Autobahnkonzession für eine Strecke von jeweils 100 bis 150 Kilometer entlang der Andenkordillere. Diese «RutAndina» würde im Konsortium mit Damm- und Wasserkraftanlagen-Betreibern zusammenarbeiten. Es verlaufen unterirdisch parallel zur jeweiligen Strecke ein Aquädukt, das einen Teil des Wassers in die unterversorgten zentralen und nördlichen Regionen leitet, sowie Hochspannungs-Stromleitungen und Glasfaserleitungen zur Datenfernübertragung. Mautzahlungen stellen dabei die nötige Rentabilität der Strecken sicher.
Unter Kollegen und einigen Politikern wächst von Tag zu Tag ein reges Interesse an diesem Vorhaben.
Gibt es Länder, die mit ähnlichen Modellen arbeiten?
Norwegen, Österreich, Schweiz und Spanien sind die Länder, wo Dämme mit sauberer Energieerzeugung durch Wasserkraftanlagen weit verbreitet sind.
Norwegen ist jedoch unser bestes Beispiel wegen der ähnlichen Geografie wie der Süden Chiles, mit Fjorden, Gletschern und Tausenden von Bächen und Flüssen, die von den hohen Bergen in einer kurzen Strecke bis ans Meer hinunterfließen.