Geschäftsführerin
Qualität ist kein Zufall

Sie hat eine jahrzehntelange Erfahrung in der Geschäftsleitung von zwei Familienunternehmen in Concepción. Astrid Reisenegger hat außerdem vier Töchter großgezogen und stellt somit den Beweis dar, dass ein gutes Familienleben mit der Ausübung eines zeitaufwändigen Berufs durchaus vereinbar ist.
Seit etwa 20 Jahren betreibt sie in Concepción ein Familiencafé, das seinerzeit von ihrem Vater gegründet wurde. Mittlerweile übergab er ihr die Verwaltung, die sie nun in eigener Regie führt. Das Café Rometsch verfügt heute über drei Lokale: eins im Stadtzentrum, das zweite in San Pedro de la Paz und ein kleineres im siebten Stockwerk eines Einkaufszentrums. Diese drei Betriebe gleichzeitig zu führen, ist sicher keine leichte Aufgabe. Auf unsere Frage, wie man so etwas schafft, antwortet Astrid Reisenegger lachend: «Mit gutem Personal, wobei jedes Lokal einen zuverlässigen Leiter hat.»
Die Bezeichnung «Café» bringt den Gedanken nahe, dass das Lokal am Nachmittag geöffnet ist. In diesem Fall stimmt dies nur bedingt. Der Betrieb startet morgens um neun und schließt abends gegen 20 Uhr. Das bedeutet, dass nicht nur Tee, Kaffee, belegte Brote und Kuchen angeboten werden, sondern dass die Kunden bereits zum Frühstück oder zum Mittagessen vorbeikommen. Das Unternehmen verfügt über eine eigene Konditorei und die 25 Eissorten – darunter natürlich die beliebtesten Geschmacksrichtungen Vanille, Schokolade und Rum-Rosinen – werden seit 1984 ebenso im Haus zubereitet.
Die Konditoreiprodukte gehen eindeutig in die deutsche Richtung: «Damit haben meine Eltern angefangen», sagt Astrid Reisenegger, «und während ihrer Deutsch-
landreisen erkundigten sie sich vor Ort nach neuen Ideen.» Eine große Nachfrage haben zum Beispiel Streuselkuchen und Schwarzwälder Kirschtorte. Damit nicht genug, hat Astrids Mutter eine Torte erfunden, die unter den Kunden sehr beliebt ist, die «Torta Rometsch», deren Zutaten Schokolade, Schlagsahne und Apfelsinenkonfitüre beim Verzehren einen einmaligen Geschmack-Mix bedeuten.
Astrid Reisenegger ist in Concepción geboren, aufgewachsen und zur Deutschen Schule gegangen. Daraufhin studierte sie in Valdivia Landwirtschaft. «Ich habe das Studium aber nicht beendet, weil ich geheiratet habe», verrät sie. Aus der Ehe gingen vier Töchter hervor, die mittlerweile verheiratet sind und ihr zwei Enkel beschert haben, die in Neuseeland leben. Drei Töchter wohnen in Concepción und sind ebenfalls in den Familienbetrieben beschäftigt: «Stefanie leitet den Juwelierladen, Kathrin arbeitet mit mir in der Konditorei, wo sie hauptsächlich die Buchhaltung besorgt, und Luise führt die Webseite des Juwelierladens und den Internetverkauf.»
In ihrer Heimatstadt arbeitet Astrid seit Jahrzenten in den beiden elterlichen Unternehmen: dem Uhren- und Juwelenladen und der Kaffeestube. Als die Kinder klein waren, widmete sie sich halbtags ihrer beruflichen Tätigkeit, um die restliche Zeit für die Mädchen da sein zu können.
Schon damals, als junge Mutter, verwaltete sie das Café, besorgte die Einkäufe und betreute das Personal. «Außerdem saß ich im Juwelierladen neben meinem Vater im Büro, und er brachte mir bei, wie man in dieser Branche das Geschäft führt. Ich habe somit versucht, beides gleichzeitig zu managen.» Im Café hatte sie einen Verwalter, der sie entlastete, damit sie sich nachmittags um ihre Töchter kümmern konnte.
Im Uhrengeschäft übernahm sie gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit einige praktische Aufgaben, wie etwa das Ausfüllen der kleinen Schilder, auf denen die Preise der Produkte im Schaufenster angegeben waren, oder die Kundenbedienung. Dies verlangt Fingerspitzengefühl. Juwelen- und Uhrenkäufer sind anspruchsvoll, sie erwarten Perfektion. Wenn zum Beispiel eine Uhr nicht den Anforderungen des Kunden genügt, wenn etwa die Batterie versagt, muss der Verkäufer Ruhe bewahren, den Schaden beheben und den Käufer von der Güte des Produkts überzeugen. Qualität ist kein Zufall – sie will erarbeitet sein! Trotz allem: «Mir gefällt die Arbeit im Juwelierladen – es ist eine schöne Branche!»
Beide Arbeitsgebiete von Astrid Rei-
senegger sind völlig verschiedenartig, was eine abwechslungsreiche Tätigkeit zur Folge hat. Dies macht den besonderen Reiz ihrer Arbeit aus. Dazu ist sie, wie viele Geschäftsleute in den heutigen Zeiten, auf ihre Improvisationsgabe angewiesen. So geschah es zum Beispiel, dass in der Pandemiezeit, als kein Personal verfügbar war, Astrid in der Konditorei ihre Torten selbst backte und verkaufte.
Heute vermisst sie ihren Vater im Betrieb: «Er war meine Stütze, mein Rückgrat, es ist ohne ihn manchmal nicht einfach.» Sie selbst tritt nach und nach etwas leiser: «Ich ziehe mich langsam zurück», stellt sie fest. Über das Wochenende fährt sie oft nach Los Ángeles, wo ihr Mann ein Gestüt bewirtschaftet. Nach den langen tätigkeitsreichen Jahren erfüllt sie sich nun, so oft es geht, den Wunsch, auf das Land zu fahren, um auszuspannen: «Ich reite gerne und es macht mir Vergnügen, im Garten zu arbeiten.» Diese Tätigkeiten, kombiniert mit ihren beruflichen Aufgaben in Concepción, genügen vollends ihren Ansprüchen: «Ich hoffe, dass es in den kommenden 25 Jahren genauso weitergehen kann!»
Foto: privat