«Silvester unterm Kreuz des Südens und andere Erlebnisse»
Chile hat Manfred Sandner nicht nur «gefangen» genommen – es ist ihm auch zur zweiten Heimat geworden. Drei Mal ist er zurückgekehrt und verbrachte schließlich rund 35 Jahre hier. Nun hat der pensionierte Lehrer ein zweites Buch mit spannenden Erlebnissen verfasst: «Chile – ein Land, das dich gefangen nimmt».
Der aus dem sächsischen Vogtland stammende Lehrer und seine Frau, eine gebürtige Leipzigerin, waren 1958 aus der DDR geflohen. Daher lautete das erste autobiografische Buch von Manfred Sandner «Sprünge ins Ungewisse – Aus enger DDR bis ins unendlich weite Chile». Es enthält Anekdoten aus seiner Zeit als Lehrer von 1964 bis 1969. Einige davon druckte der Cóndor bereits ab.
Nach diesem fünfjährigen Aufenthalt ist die Familie noch zwei Mal nach Chile zurückgekehrt. Von 1975 bis 1980 war Manfred Sandner Regionalfachberater und gab Fortbildungskurse zum Thema «Deutsch als Fremdsprache» für rund 300 Lehrer in Chile. Der DCB zeichnete ihn für diese Arbeit mit der Philippi-Plakette aus. Seine Frau engagierte sich in den Poblaciones von Santiago. Aus dieser Zeit stammen die Erinnerungen, die Manfred Sandner in seinem im vergangenen Jahr erschienenen zweiten Buch beschreibt: «Chile – ein Land, das dich gefangen nimmt», mit der Unterzeile «Silvester unterm Kreuz des Südens und andere Erlebnisse».
Im VW-Bus in die Atacama-Wüste
Eine dritte Vermittlung des Lehrers nach Chile kam 1989 zustande. Nach seiner Pensionierung ließen sich die Sandners in der Nähe von Santiago nieder. Seit 2013 lebt das Ehepaar in Kirchweyhe bei Bremen, wo Manfred Sandner sein zweites 280-seitiges Werk verfasste, das auch mit vielen Fotos aus den Jahren von 1975 bis 1980 versehen ist und neun Kapitel umfasst. Dabei geht es außer um die vor Ort erlebten Reisen auch um geschichtliche Hintergründe.
Obwohl die Erlebnisse über 40 Jahre her sind, könnten die Eindrücke eines Deutschen in Chile heute oftmals ähnlich aussehen. Im zweiten Kapitel über die Reise in die Atacama-Wüste beschreibt Sandner die Planung der Fahrt für die Familie mit zwei Kindern im VW-Campingbus: «Wir kalkulierten drei Übernachtungen ein, um die Tagesetappen erträglich zu gestalten.» Die Familie war fasziniert von der vielfältigen Landschaft, die gar nicht in das Bild einer öden Wüste passte. Schließlich kamen sie rechtzeitig zum Fest für die Virgen de La Tirana an. Manfred Sandner berichtet beeindruckt über den Hintergrund der Volksheiligen und die Traditionen, wie die vielen verschiedenen Musikkapellen und Tänzer mit fantasievollen Kostümen, die aus den umliegenden Orten, aber auch aus Ariqua, Antofagasta und Bolivien und Peru angereist waren. Herausforderungen, wie das Steckenbleiben im Wüstensand in der Nähe von Matilla werden beschrieben – eine Situation, die schließlich mit vereinten Kräften überstanden wird.
Problem «auf patagonische Weise» gelöst
Bei den weiteren Fahrten spielt der VW-Bus ebenfalls eine große Rolle: Im Kapitel «Schafschur in Patagonien» geht es um die Reise der Familie in «diesen unendlich weiten Landstrich» im Jahr 1976 von Santiago aus. Dabei sei der Campingbus «gut gesichert gegen Steinschlag, unten mit einem Gitter vor dem Motor» und oben mit «Plexiglaseinsätzen vor der Windschutzscheibe» gewesen. Die Sandners erlebten in der Estancia Nueva Lubecka die verschiedenen Arbeitsschritte, die für das Scheren von 35.000 Schafe nötig waren. Tatsächlich ist die Estancia einmal von dem Lübecker Otto Sartori aus Lübeck verwaltet worden.
Auf die Frage, ob ein Hammel zu verkaufen sei, erhalten sie zu ihrer Überraschung ein Tier geschenkt. «Auf patagonische Weise» wird das Problem, wie ein Asado nun ohne Holz möglich ist, gelöst: Der Wirt eines Restaurants grillt den Braten – «und das alles für ein Dankeschön!»
Ein Traum wird für Manfred Sandner zum zweiten Mal wahr, als er 1975 den Panama-Kanal mit der «Verdi«, einer alten italienischen Linie «mit angestaubtem Nostalgieambiente» und Kakerlaken an Bord durchquert. Hier wird dem Deutschen der Unterschied zwischen «Vorstellung und Realität» deutlich: Anders als von ihm erwartet läuft der 82 Kilometer lange Kanal «nicht von Ost nach West, sondern von Nord nach Süd» – «so zerbröselt meine Schulweisheit».
Über das größte Abenteuer berichtet der pensionierte Lehrer im Kapitel «Silvester unterm Kreuz des Südens» oder «Ritt in die Anden», «eine Expedition von zehn bis elf Tagen». Dafür wurden viele Vorbereitungen getroffen: die Suche nach kundigen Führern, der Bau von Holzkisten zum Transport der Lebensmittel, die Erlaubnis für die Überquerung von argentinischem Grenzland – und das in Zeiten der Spannungen zwischen beiden Ländern aufgrund der Falklandinseln. Schließlich geht die Reise mit einer befreundeten Familie, den Arrieros und einer Karawane von 14 Tieren los. Schließlich sind es die Argentinier, die der Reisegruppe einen Strich durch die Rechnung machen: Statt ein Silvester «unter dem Sternenhimmel der Südhalbkugel» erleben die Abenteurer den Jahreswechsel «gefangen in einer argentinischen Kaserne». Wie es mit den reiselustigen Deutschen weitergegangen ist? Es lohnt sich das Lesen nicht nur dieses Kapitels des Buchs.