Wer artig war, der bekommt am 6. Dezember eine süße Überraschung in den Stiefel gelegt. Dieser Brauch geht auf Nikolaus von Myra zurück, für den Kinder ihre geputzten Schuhe oder einen Teller vor die Tür stellen. Auch unser weihnachtliches Beschenken hat seine Wurzeln in den symbolträchtigen Nikolaus-Legenden.
Der Nikolaus ist wohl eine Figur, die aus zwei historischen und als Wohltäter verehrten Gestalten entstanden ist: dem Bischof Nikolaus von Myra aus dem 3. und 4. Jahrhundert und dem Mönch namens Nikolaus aus dem 6. Jahrhundert, der später Abt in Sion und dann Bischof von Pinara wurde.
Seit dem 6. Jahrhundert gab es bereits eine Verehrung des Bischofs aus Myra. Um 270 wurde demnach Nikolaus in Patara in Lykien (heutige Türkei) in einer wohlhabenden Familie geboren. Er wurde früh Vollwaise, da seine Eltern an der Pest starben. Als junger Mann entschloss er sich, Priester zu werden und wurde bald in Myra zum Bischof gewählt.
Um 310 wurde der spätere Heilige im Römischen Reich als Christ des Hochverrats beschuldigt und gefoltert. Nach der Legitimierung des Christentums unter den Kaisern Konstantin und Licinius kam er wieder frei. Die Legenden um den mildtätigen Nikolaus von Sion vermischten sich zwischen 900 und 1000 mit denen des Nikolaus von Myra.
Er soll am 6. Dezember 343, also vor 1.680 Jahren, gestorben sein. Seit dem Jahr 1087 hat sich von Italien aus die große Verehrung des Heiligen Nikolaus in ganz Europa ausgebreitet. Nördlich der Alpen gab es wohl bereits vor dem 9. Jahrhundert eine Nikolaus-Verehrung, aber erst unter dem Einfluss der byzantinischen Prinzessin Theophanu (959-991), der Gemahlin des Kaisers Ottos II. und einflussreichen Mutter Kaisers Ottos III., begann ein «Nikolaus-Boom» in Europa.
Entscheidend für die Verbreitung des Nikolaus-Kults war die «Legenda aurea», die Sammlung von Heiligenlegenden durch Jacobus de Voragine, den Erzbischof von Genua, aus dem 13. Jahrhundert. Im Spätmittelalter vervielfachte sich die Anzahl an Nikolauskirchen in ganz Europa; allein in England soll es vor der Reformation rund 400 ihm geweihte Kirchen gegeben haben. Im 12. Jahrhundert verlagerte sich der Brauch des Beschenkens kleiner Kinder vom 28. Dezember, dem kirchlichen «Tag der unschuldigen Kinder», auf den Nikolaustag am 6. Dezember.
Eine der bekanntesten Legenden, an die dieser Brauch knüpfte, war die vom armen Vater und seinen drei Töchtern: Um den Jungfrauen eine Mitgift zur Hochzeit zu ermöglichen und damit sie nicht als Prostituierte ihr eigenes Geld verdienen mussten, warf der Heilige heimlich in drei folgenden Nächten Goldklumpen vom Erbe seiner verstorbenen Eltern durch das Fenster in das Haus der Familie.
Martin Luther empfahl den Heiligen durch das Christkind zu ersetzen, wie es in den üblichen Weihnachtsspielen mit begleitenden Engeln auftrat. Statt Nikolaus wurde dann das Christkind zum Gabenbringer und damit der Heilige Abend zum Bescherungstag. In den katholischen Ländern war der Nikolaustag ein kleiner Geschenketag, während Weihnachten dann zum großen Bescherungstag wurde. Ab dem 19. Jahrhundert wurde der Weihnachtsmann zu einer Art Kompromissfigur. Niederländische Einwanderer brachten ihren Brauch zum «Sinterklaas» in die USA, wo er sich in Santa Claus wandelte.
Eine Haltung von Dankbarkeit, aber auch tiefer Zuneigung findet im Schenken ihren Ausdruck – so wie es die zahlreichen Legenden zum heiligen Nikolaus ausdrücken: Dann wird Freude und Hoffnung vermittelt und erlebt.
Lesenswert hierzu: Manfred Becker-Huberti, Heiliger Nikolaus: Geschichte, Legenden, Brauchtum, München. Topos 2018.